So lautete der ursprüngliche Gesetzentwurf im Jahr 2007. Er wurde dann zurückgezogen – nach Hamburg,
Jetzt legen Sie uns erneut einen Gesetzentwurf vor. Dieser ent spricht eigentlich dem alten Gesetzentwurf, ist aber deutlich weichgespült.
Ich kann mich auch etwas drastischer ausdrücken: Je näher der Wahltag rückt, desto mehr fressen Sie Kreide – wenn ich das hier einmal so sagen darf.
(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD – Abg. Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP: Robin Hood der Werkreal schule!)
Immerhin sind Sie noch so ehrlich, dass Sie in der Darstel lung der Zielsetzung im Vorblatt Ihres weichgespülten Gesetz entwurfs ausführen:
Das selektive dreigliedrige Schulsystem soll schrittweise in ein integratives Schulsystem umgewandelt werden. Das Ziel der SPD ist die 10-jährige gemeinsame Schulzeit für alle.
(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aha! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das wollten sie schon früher, als Regional schule!)
Herr Zeller, in den Sechzigerjahren gab es in der Pädagogik die Vorstellung, dass man die große Breite der Schülerschaft in gleicher Zeit auf ein gleiches Niveau führen kann.
Wir haben kein wissenschaftliches Fundament für die Rich tigkeit dieser Annahme. Wir wissen heute – das haben Studi en des Max-Planck-Instituts in München belegt –, dass sich Kinder im Erwerb geistiger Kompetenzen schon sehr früh un terscheiden, und zwar in der Geschwindigkeit, in der Menge und in der Qualität.
Sie haben in den Debatten immer die PISA-Ergebnisse zitiert. Auch PISA ist kein Beleg dafür, dass Gemeinschaftsschulen bessere Bildungserfolge generieren. Denn PISA ist nur eine punktuelle Bestandsaufnahme. Es ist keine langfristige Schul entwicklungsuntersuchung und kann nicht als Zeuge dafür herhalten, dass Gemeinschaftsschulen besser seien.
Es gibt aber eine ganze Reihe von sehr aufwendigen empiri schen Studien zu der Frage, was das gegliederte Schulsystem leistet. Diese kommen alle übereinstimmend zu dem Ergeb nis, dass eine möglichst – ich sage bewusst: möglichst – ho mogen zusammengesetzte Lerngruppe bessere Lernerfolge zeitigt als – –
Sie liegen von Rossbach und Heller, von Baumert und Köller und von Herrn Weinert vor. Ich wollte die Namen nicht nen nen, weil mir die Zeit davonläuft.
Wenn wir von den wissenschaftlichen Befunden einmal abse hen und das, was Sie vorschlagen, einmal ernst nehmen, dann sage ich Ihnen, Herr Zeller: In der gemeinsamen Pressekon ferenz, die Sie – SPD und Grüne – am vergangenen Freitag gegeben haben, in der Sie vorgetragen haben, wie Ihre Bil dungspolitik in Zukunft gestaltet werden soll, haben Sie ge sagt: Die Schule soll im Dorf bleiben.
Sie sagten weiter, dort gebe es die größtmögliche Vielfalt an differenzierten Lernangeboten an einem Schulort. Sie wollen sämtliche Bildungspläne und Bildungsstandards abbilden, al so von Hauptschule, Werkrealschule, Realschule und Gym nasium.
Ich frage Sie, Herr Zeller, allen Ernstes: Wie soll eine Dorf schule das leisten? So viel zur Praktikabilität Ihres Vorschlags.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völlig rich tig! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das geht doch gar nicht!)
Vor wenigen Wochen hatten wir im Schulausschuss Besuch aus Finnland. Das waren Leiter von finnischen Gewerbeschu len. Es gab ein interessantes Gespräch. Sie haben uns am En de gefragt: Wie hoch ist denn die Jugendarbeitslosenquote in Baden-Württemberg? Als wir gesagt haben: „2,7 %“, stand den finnischen Kollegen der Mund offen. In Finnland liegt sie nämlich bei knapp 20 %. Einer der Kollegen fragte uns: „Wa rum wollen Sie dann eigentlich Ihr Schulsystem verändern?“ Ich habe geantwortet: „Wir wollen es nicht verändern. Wir wissen, was wir daran haben.“
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Zeller! – Abg. Dr. Hans-Peter Wet zel FDP/DVP: Frau Rastätter!)
Dieser weichgespülte Gesetzentwurf, den Sie heute hier vor legen, soll nur eines verschleiern, lieber Herr Zeller, nämlich dass die SPD mit ihrer Bildungspolitik auf der ganzen Linie gescheitert ist.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! Wacker, wa cker! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ein weiterer Hö hepunkt der Debatte!)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei jeder bildungspolitischen Debatte beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Begriff der individuellen Förderung. Wir alle sind uns darüber einig – Kollege Zeller, Sie legen das auch in Ihrem Gesetzentwurf vor –, dass die individuelle Förderung sozusagen als durch gängiges Prinzip in unserem Schulwesen verankert werden soll.
Ich kann mir in diesem Zusammenhang die ganz grundsätzli che Frage nicht verkneifen, was wir unter individueller För derung verstehen.
Individuelle Förderung eines jeden Kindes ist für mich zu nächst einmal schlicht und einfach guter Unterricht. Das ist meines Erachtens das ganz Entscheidende.
Wenn wir über die Weiterentwicklung unseres Bildungswe sens sprechen, dann müssen wir uns auf die Frage konzent rieren, was wir dafür tun können, dass guter Unterricht gelin gen kann. Diese entscheidende Frage, Herr Kollege Zeller, hat zunächst einmal nichts damit zu tun, in welcher Schulstruk tur guter Unterricht stattfindet.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das ist doch eine Plattitüde! – Zuruf des Abg. Norbert Zel ler SPD)
Damit, meine Damen und Herren, stellt sich eine weitere Fra ge: Woran kann ich denn messen, ob eine individuelle Förde rung überhaupt gut gelingt?