Sie waren der zweite Mann im Land und dennoch ein exzel lenter Vertreter der ersten Staatsgewalt. Sie wollten, dass der Landtag ein einladendes Haus und ein echtes Forum ist. Ihre südbadische Lebensfreude mit einer leichten Neigung zum Opulenten ließ Sie ein hervorragender Gastgeber sein.
Man sagt, das Protokoll am Spanischen Hof sei das strengste weltweit. In puncto Vollkommenheit steht ihm das Protokoll des Landtags gewiss nicht nach. Auch da wurde Ihre Hand schrift offenkundig.
Im Innenleben des Landtags hat sich unter Ihrer Ägide etli ches getan. Die Hülle jedoch ist unverändert geblieben.
Gerade insoweit hätten Sie gern getan, was man beim Aus scheiden aus einem Amt eigentlich zu vermeiden sucht: Sie hätten gern eine pulsierende Baustelle hinterlassen, mindes tens eine Baugrube für einen neuen Plenarsaal.
Dieses Manko, lieber Kollege Straub, können Sie verschmer zen. Denn Sie haben etwas anderes mannigfaltig gebaut: po litische Brücken zu unseren europäischen Nachbar- und Part nerregionen,
politische Brücken hinauf zum Polarkreis und hinunter nach Madeira und selbstverständlich über den Bodensee, den Hoch- und den Oberrhein.
Als alteingesessener Waldshuter sind Sie von Haus aus ein Grenzgänger. Es lag Ihnen daher gleichsam im Blut, die grenz überschreitende Zusammenarbeit zu erweitern und unser Land auf europäischer Ebene zu vertreten.
In der Außenpolitik wurden Sie zu einem Perpetuum mobile, zu einem baden-württembergischen Genscher – fast so viel auf Reisen wie dieser und scheinbar ebenso mit der Fähigkeit gesegnet, an zwei Orten auf unserem Kontinent gleichzeitig zu sein.
Ihre Megainvestitionen an Zeit und Kraft haben sich gelohnt. Ich nenne nur den Oberrheinrat, zu dessen Vätern Sie zählen, und die Gründung der Trinationalen Metropolregion Ober rhein. Ich sage mit Hochachtung: Nicht jedem Protagonisten der Subsidiarität und der regionalen Vielfalt gelingt es in Brüs sel, ein derart respektierter Akteur zu werden.
Mit diplomatischer Finesse nutzten Sie die vielen Fäden, die bei Ihnen in wachsender Zahl zusammenliefen. Der Höhe punkt Ihrer gesamten Karriere war deshalb zu Recht Ihre Prä sidentschaft im „Ausschuss der Regionen“ der EU von 2004 bis 2006.
Hinter alldem verschwindet Ihr Abgeordnetendasein, lieber Kollege Straub. Dabei stehen Sie heute mit 27 Mandatsjahren neben den Kollegen Fleischer und Pfister auf dem Podest der Ausdauer-Champions.
Ende November 1984 folgten Sie als MdL dem im Dienst ver storbenen Wirtschaftsminister Rudolf Eberle. 1992 wurden Sie Zweiter stellvertretender Präsident und 1996 Präsident. Das ist ein Werdegang oberhalb der von Ihnen auch sonst großzügig interpretierten Richtgeschwindigkeit.
Dazu trug bei, dass Sie wie der Kollege Scheuermann drei Un tersuchungsausschüsse bestens geleitet haben.
Lieber Kollege Straub, Sie haben sich wahrlich verdient ge macht um den Landtag und damit um das Land Baden-Würt temberg, um den Länderparlamentarismus und damit um den Föderalismus, um die Subsidiarität und damit um das Euro pa, das wir alle wollen.
(Die Abgeordneten aller Fraktionen spenden stehend anhaltenden lebhaften Beifall. – Abg. Peter Hauk CDU schüttelt Präsident Peter Straub die Hand.)
Herr Kollege Straub, wir wollen Ihnen ein Abschiedsgeschenk machen. Nun ist es für einen Schwaben etwas schwierig, zu entscheiden, was man dem aus Südbaden stammenden Land tagspräsidenten schenkt.
Wir haben uns überlegt, dass wir Ihnen etwas überreichen, was sehr viel mit Ihrer Tätigkeit zu tun hat, nämlich eine Glo cke. Wir haben diese Glocke gießen lassen. Als Schwabe wä re ich nie darauf gekommen, das in Stuttgart machen zu las sen, also einem Badener eine Stuttgarter Glocke zu schenken. Wir haben diese Glocke, in die Ihr Name und Ihre Amtszeit eingetragen sind, extra in Karlsruhe gießen lassen.
(Beifall bei allen Fraktionen – Stellv. Präsident Wolf gang Drexler überreicht Präsident Peter Straub ein Geschenk. – Zuruf: Jemand muss die Sitzung schlie ßen!)
Ich schließe hiermit die Sitzung und lade Sie alle zum gemüt lichen Beisammensein in das Foyer des Landtags ein.
(194 – ca. 9 v. H. der selbstständigen Anträ ge gelten ohne Weiterberatung als durch die Stellungnahme der Regierung erledigt)