Protokoll der Sitzung vom 15.03.2011

Aber dennoch hat offensichtlich ein Siedewasserreaktor ver sagt. Deshalb müssen wir zu einer Neubewertung des Siede wasserreaktors in Philippsburg kommen. Das ist doch völlig klar und selbstverständlich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das ist offensichtlich auch Ihre Politik; sonst hätten Sie nicht vor zehn Jahren verlängert und würden erst heute den sofor tigen Ausstieg aus Philippsburg 1 fordern.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Die Stromversorgung hat versagt! Das war nicht der Tsunami!)

Ich sage es in aller Deutlichkeit: Wenn Ergebnisse vorliegen, dann kann man nichts ausschließen. Kernkraftwerke, die hun dertprozentig sicher sind, bleiben am Netz – für eine Über gangszeit, meine Damen und Herren. Denn auch für uns – das mache ich an dieser Stelle nochmals deutlich – ist die Kern energie eine Übergangstechnologie. Wir wollen abschalten, wenn wir bezahlbar in das Zeitalter der erneuerbaren Energi en hinübergekommen sind. Aber ich sage in gleicher Deut lichkeit: Wir sind auch bereit, wesentlich höhere Kosten in Kauf zu nehmen, wenn es die Sicherheit erfordert und wenn wir mehr Kernkraftwerke abschalten müssen, als ursprüng lich geplant war – auch dann, meine Damen und Herren von Rot-Grün, wenn wir mehr und schneller abschalten müssten, als Sie das im Jahr 2002 vereinbart hatten. Auch dazu sind wir bereit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Wenn es Zweifel an der Sicherheit gibt, hilft keine Laufzeit verkürzung. Dann kann man nicht sagen: „Wir halten einen Reaktor für unsicher; deshalb läuft er nur noch zehn Jahre“, sondern dann muss man diesen Reaktor sofort abschalten. Wenn man hingegen einen Reaktor für sicher hält, kann die ser auch noch etwas länger laufen, wenn dies energiewirt schaftlich notwendig ist.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Noch vor drei Tagen wa ren alle von Ihnen anderer Meinung!)

Wir sind bereit, Neckarwestheim I dauerhaft stillzulegen. Wir halten dies für machbar und für verkraftbar. Die Energiewirt schaft musste sich darauf einstellen, Neckarwestheim I im Jahr 2010 dauerhaft stillzulegen. Das war Gesetzeslage. Es hätte auch sein können, dass es keine neue gesetzliche Bewer

tung gegeben hätte. Aber ich sage in aller Deutlichkeit: Es wird für uns zu einer energiewirtschaftlichen Herausforde rung, wenn wir aus Sicherheitsgründen zu weiteren Abschal tungen gezwungen würden.

Vielleicht darf man es im Übrigen an dieser Stelle auch ein mal erwähnen: Die Kerntechnologie ist nicht etwa ein Prob lem, das isoliert für Deutschland betrachtet und in Deutsch land gelöst werden könnte.

(Beifall des Abg. Klaus Herrmann CDU – Abg. Klaus Herrmann CDU: Genau!)

Es ist vielmehr ein europäisches und auch ein weltweites Pro blem,

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Fukushima liegt nicht in Deutschland!)

das entsprechender Diskussionen bedarf. Denn was nützt es uns, wenn wir in Deutschland alle 17 Reaktoren stilllegen, gleichzeitig um uns herum die Kernenergie aber eine Renais sance erlebt?

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Dazu kam kein Wort von Herrn Kretschmann!)

Wir brauchen daher eine gesamteuropäische Diskussion.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deshalb streut sich selbst und anderen Sand in die Augen, wer so tut, als könnte in dieser Energiedebatte am deutschen We sen die Welt genesen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Wenn wir über Neckarwestheim I hinaus zu weiteren Abschal tungen gezwungen sein sollten, beispielsweise bei Philipps burg 1 oder bei weiteren deutschen Kernkraftwerken, sind wir dazu bereit. Sicherheit ist das oberste Prinzip. Aber jeder muss wissen, dass ein noch kostenträchtigerer und noch schnelle rer Ausbau der erneuerbaren Energien die Folge sein muss. Das wird jedoch nicht billig, meine Damen und Herren. Das wird wesentliche Auswirkungen auf den Strompreis haben, und das wird auch wesentliche Auswirkungen auf die Not wendigkeit staatlichen Engagements haben. Auch unsere Haushalte wird dies belasten; da darf man sich nichts vorma chen.

Zu einem bekenne ich mich ebenfalls in aller Deutlichkeit: Die Bürger in diesem Land und die Wirtschaft als Fundament unseres Wohlstands brauchen auch in Zukunft unbedingt ei ne sichere und bezahlbare Energieversorgung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie, Herr Kollege Kretschmann, in diesem Zusammen hang vom starken Ja und vom starken Nein reden, dann möch te ich anmerken: Beim starken Nein sind Sie besser als wir al le, aber was das starke Ja anbelangt, gibt es doch den einen oder anderen Zweifel. Sie haben behauptet, es gebe ein star kes Ja für die erneuerbaren Energien. Aber dann muss man

sich die Frage stellen: Wie konsequent ist diese starke Ja? Das darf dann nicht bei der Frage des Netzausbaus enden:

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Sie dürfen dann nicht den Ausbau von Stromnetzen, beispiels weise in Thüringen, bekämpfen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Wer bekämpft die denn?)

Die Grünen vor Ort bekämpfen dies.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das ist doch Quatsch! Völliger Quatsch, was Sie reden! – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Reden Sie einmal mit dem FDP-Landtagskandidaten dort!)

Dann ist es wahrscheinlich auch Quatsch, Herr Kollege Kretschmann, dass Grüne gegen den Bau eines Pumpspeicher kraftwerks im Schwarzwald sind.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: FDPler, CDUler!)

Daran zeigt sich bei Ihnen der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Ihre Rede ist immer „Ja, ja“, aber Ihr Tun ist „Nein, nein“. Das ist die Realität in diesem Land.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Blöd sinn! Unsinn!)

Ich fordere Sie auf: Wenn Sie hier an dieser Stelle ein starkes Ja für den Ausbau der erneuerbaren Energien formulieren, dann beenden Sie auch den Kampf Ihrer grünen Parteigänger vor Ort gegen Stromnetze und gegen Pumpspeicherkraftwer ke.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Sonst wird es nämlich nichts mit den erneuerbaren Energien in diesem Land, Herr Kollege Kretschmann.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir bekennen uns zur Sicherheit als oberstem Prinzip. Deshalb sind wir bereit, noch wesent lich stärker als bisher in erneuerbare Energien, in Energiespei chertechnologien und in den Netzausbau zu investieren. Denn wir brauchen bezahlbaren und vor allem auch gesicherten Strom für die Zukunft unseres Landes und für Wohlstand auch in der Zukunft. Deshalb bringen uns Schwarz-Weiß-Diskus sionen nicht weiter.

(Abg. Stephan Braun SPD: Schwarz-Gelb auch nicht!)

Wir müssen darüber diskutieren, wie einerseits die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden kann und andererseits Wohlstand in diesem Land möglich ist. Deshalb ist es eine richtige und ausgewogene Entscheidung, eine Entscheidung mit Augenmaß, die in Berlin und in Stuttgart dieser Tage ge troffen wurde.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erteile ich der Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Tanja Gönner.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind deswegen heute zusammengekommen, weil wir seit Freitag gebannt nach Japan schauen, die Auswirkun gen zweier furchtbarer Naturkatastrophen erleben, die über die Menschen in Japan Unglück und Leid gebracht haben und die uns nicht kaltlassen. Wenn ich sage „die uns nicht kaltlas sen“, dann bedeutet das auch, dass gerade in einem politischen Betrieb, selbst wenn Wahlkampf ist, Innehalten angesagt ist und es die Aufgabe einer Regierung ist, dann auch zu sagen, welche Konsequenzen wir daraus ziehen müssen, selbst dann, wenn wir noch keine sauberen Analysen haben. Das ist die Aufgabe, die eine Landesregierung hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, am heutigen Tag ist es auch die Aufgabe, den Menschen in Baden-Württemberg zu sagen, wie es bezüglich der Sicherheit in den Kernkraft werken in Baden-Württemberg aussieht. Denn das ist das, was die Menschen im Moment am meisten interessiert, weil sie Angst haben. Sie fragen sich: Was bedeutet das, was in Japan passiert, für uns, und wie können wir damit umgehen?

Dann geht erst einmal der Blick nach Japan, wo noch immer daran gearbeitet wird, das Schlimmste zu verhindern, natür lich auch mit der zunehmenden Problematik, dass die Zeit hier teilweise gegen den Menschen arbeitet. Es gibt unterschied liche Situationen an unterschiedlichen Standorten, und natür lich beschäftigen wir uns sehr genau damit, wie die Informa tionslage ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach den heutigen Informationslagen – mehr kann man nicht sagen – ist in der Umgebung der betroffenen Anlagen in Japan die Radioakti vität kurzzeitig stark angestiegen und inzwischen auch wie der zurückgegangen. Aber wir können nicht ausschließen, dass es zu höheren Freisetzungen als bisher kommt. Die Lage ist angespannt.

Dann interessiert die Menschen in diesem Land: Hat dies ra diologische Auswirkungen auf uns? Aufgrund der sehr gro ßen Entfernung zu Japan ist in Baden-Württemberg nicht mit radiologischen Auswirkungen zu rechnen, und zwar unabhän gig davon, wie sich die Lage in Japan noch entwickelt. Das ist zunächst – ich sage jetzt bewusst nur „zunächst“ – für die Menschen in unserem Land eine wichtige Botschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weil hier heute sehr oft die Debatten nach Tschernobyl angesprochen wurden, wei se ich darauf hin: Das Land hat als Konsequenz aus Tscher nobyl ein Radioaktivitätsmessnetz mit Stationen im ganzen Land aufgebaut, die ständig die Radioaktivität in der Umwelt messen und zuverlässig auch sehr geringe Konzentrationen feststellen können. Dieses Messnetz ist im Hinblick auf seine radionuklidspezifische Messtechnik in der Dichte, aber auch in der Qualität einzigartig in Europa, sodass wir zu Recht auch sagen können, wir würden jede Veränderung mitbekommen. Ich glaube, es ist für die Menschen wichtig zu wissen, dass wir dies jeweils überwachen können.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weiter stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit auf baden-württembergische