Ich komme gleich zu dem, was Sie uns sagten. Sie sagten, wir hätten die Realität nicht gesehen. Ich gebe es Ihnen zurück: Sie haben sie nicht gesehen.
Zum Thema Einwanderungsgesellschaft. Sie wissen genau, wie es war, wenn Sie sich mit dem Thema Einwanderungsgesellschaft beschäftigt haben. Über Jahre hinweg sind die Zuwandererfamilien davon ausgegangen, dass sie zurückgehen; nicht nur die Aufnahmegesellschaft hat das angenommen. Die Zuwanderer selbst sind davon ausgegangen, dass sie nicht auf Dauer bleiben, und die Aufnahmegesellschaft hat sich ähnlich verhalten. Mit der Zeit ist beiden Seiten klar geworden: Das ist nicht so. Ich habe das vorhin als dynamischen Prozess, in dem man auch ein bisschen lernfähig sein muss, bezeichnet. Aber Sie geben mir sicher recht, dass zu dem Zeitpunkt, als die Zuwanderer selbst der Überzeugung waren, dass sie und ihre Kinder wieder zurückgehen, die Integrationspolitik einer Einwanderungsgesellschaft die falsche Politik gewesen wäre.
(Abg. Ute Vogt SPD: Das war in den Siebzigern! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Da lagen aber noch zwei Jahrzehnte dazwischen!)
(Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Da hat man zu ih- nen auch gesagt, sie seien „Gastarbeiter“! Stimmt es, oder stimmt es nicht? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Schon Brandt hat 1973 gesagt: Es ist zu viel!)
Es ist doch so: Sie kennen sich nach eigenem Bekunden bei diesem Thema aus. Dann müssen Sie zugestehen, dass diese Einwandererfamilien selbst und die ganze Politik bis hin zum staatlich geförderten muttersprachlichen Unterricht davon ausgegangen sind, dass die Betroffenen wieder heimkehren.
(Abg. Ute Vogt SPD: In den Sechziger-, Siebziger- jahren! – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Vor 20 Jahren war das schon anders!)
Das war damals ein anderes Konzept. Jetzt stellen wir fest: Die meisten sind geblieben bis in die dritte Generation, und wir passen unsere Politik an. Sie werden gleich von mir hören, wer sich bisher nicht angepasst hat, wer gehandelt hat und wer nicht gehandelt hat, wer regiert hat und nicht gehandelt hat. Wer jetzt regiert und handelt, das werde ich Ihnen nachher gleich noch erzählen, falls Sie es vergessen haben.
Aber ich möchte vorher noch auf eines hinweisen: Die große Mehrheit der Menschen mit Zuwanderungshintergrund in unserem Land stehen Gott sei Dank auf dem Boden dieser gemeinsamen Werte. Das wollen wir nicht übersehen. Wir alle kennen diese Menschen: Nachbarn, Freunde, vielleicht auch Verwandte. Die große Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land stehen hinter unseren Werten.
Deshalb sind natürlich die Ergebnisse und die Zustände wesentlich besser, als Sie sie eben in einer wirklich unverantwortlich verzerrten und verfälschten Weise darzustellen versucht haben.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau! – Abg. Ute Vogt SPD: Das wa- ren Zahlen vom Statistischen Landesamt Baden- Württemberg!)
Wir halten den Vergleich sowohl innerhalb der Bundesrepublik als auch mit anderen Staaten an dieser Stelle locker aus. Schauen Sie sich einmal den Ballungsraum Stuttgart und die Region an: ein Ausländeranteil von 25 %, ein Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund von 33 %, und trotzdem können Sie doch nicht ernsthaft leugnen, dass wir hier im Großen und Ganzen friedliche Verhältnisse haben,
dass wir zahllose ausländische Familien haben, die ihr Leben für sie befriedigend gestalten, die einen Arbeitsplatz haben, die am Vereinsleben teilnehmen.
(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Das leugnet doch nie- mand! Wer bringt denn immer das Thema Parallel- welten auf?)
Verzeihung. Wenn es so ist, wie ich es gerade beschreibe, dann kann doch die Integrationspolitik der letzten zehn Jahre nicht versagt haben, lieber Herr Wölfle. Wie passt denn so etwas zusammen?
Dabei leugnen wir bestimmte Probleme, bestimmte Defizite gar nicht. Deswegen legen wir in diesen Jahren ja einen Schwerpunkt auf die Integrationspolitik. Wir wissen natürlich um das Problem der fehlenden und schlechten Deutschkenntnisse,
Aber ich sage Ihnen noch einmal am Rande: Ein Blick über die Grenze ist auch ganz aufschlussreich, auch in die Schweiz, die in vielerlei Hinsicht durchaus ein sehr wohlgeordneter Staat ist. Auch in der Schweiz stellt man fest,
dass 15 % der Jugendlichen mit Migrationshintergrund keinen ordentlichen Abschluss machen. Wir kämpfen alle im Moment mit denselben Problemen, aber wir kämpfen hier recht erfolgreich damit. Wir kämpfen übrigens nicht erfolgreich, wenn von irgendwelchen Schlaubergern, die vorgeben, eigentlich für die Sache sein zu wollen, jeder harmlose Vorschlag sofort wieder niedergemacht wird.
Was spricht eigentlich dagegen, dass Lehramtsstudenten, wenn sie Praktika in Betrieben oder Schulen oder anderswo machen, im Rahmen ihrer Ausbildung einmal mit einem Migrantenkind oder einer Migrantenfamilie Kontakt halten? Was spricht eigentlich dagegen? Sie haben ja selbst einen ganz ähnlichen Vorschlag gemacht. Aber ich sage Ihnen: So kommt man sicher nicht weiter, wenn jeder Anstoß mit Hohn und Spott von den Besserwissern übergossen wird – von den Besserwissern, von denen in der Vergangenheit selbst nicht viel gekommen ist.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Man hat noch nie et- was von ihm mitgekriegt! Wer ist denn das? – Hei- terkeit – Abg. Klaus Herrmann CDU: Der arbeitet was und macht keine Show! – Unruhe)
Nein, das ist ein spezielles Problem. Herr Palmer, da Ihre grauen Zellen zu 90 % durch Stuttgart 21 belegt sind, können Sie andere Dinge nicht so zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Heiter- keit – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ist das auch ein Integrationsprojekt, oder was? Unterirdische Inte- gration! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Unterliegt der Name des Ausländerbeauftragten aus Sicher- heitsgründen der Geheimhaltung?)
Seit es diese Landesregierung in dieser Zusammensetzung gibt, gibt es einen Ausländerbeauftragten. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Vorher wurde der Vorschlag entweder nicht gemacht oder nicht durchgesetzt. Und das meine ich im Ernst.
Ich könnte Ihnen natürlich die Bilanz der vielfältigen Tätigkeiten vorlegen, die wir entwickelt haben. Da brauchen Sie sich aber auch nur mit den Organisationen der Migranten selbst zu unterhalten. Da brauchen Sie nur deren Meinung über die Stabsstelle des Ausländerbeauftragten, über den Herrn Storr, der auch hier sitzt, einzuholen.
Der Ausländerbeauftragte ist im Übergang von der letzten zu dieser Legislaturperiode zu einem Integrationsbeauftragten aufgewertet worden. Wir werden auch den Kabinettsausschuss Integration einrichten, den wir beschlossen haben.
Wir geben natürlich auch viel, viel Geld – weil nach dem Haushalt gefragt wurde – in diesem Bereich aus. Im zu Ende gehenden Jahr haben wir über 40 Millionen € für Integrationsmaßnahmen ausgegeben. Dabei war die Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Projekte, die gerade eben auch eingefordert wurde, noch gar nicht dabei. In diesem Bereich werden in den kommenden Jahren zum Beispiel 266 Millionen € an ESF-Mitteln im Land ausgegeben – gerade für den Übergang ins Berufsleben, der vorhin mit Recht angesprochen wurde.
Wir haben in der Vergangenheit natürlich erhebliche Mittel ausgegeben für Integrationskurse, für Spätaussiedler und für bleibeberechtigte Aussiedler, für den Ausbau der Lernhilfe, der Sprachhilfe, für die Kindergärten, für die Schulen. Wichtig sind die Landesstiftungsprojekte, z. B. ehrenamtliche Integrationsbegleitung. Auch darüber haben Sie gerade eben ein bisschen gespottet.
Übrigens: Auch den erheblichen Anteil, den wir aus Stiftungsmitteln in diesen Bereich transferieren, könnten wir nicht in diesen Bereich transferieren, wenn die SPD sich durchgesetzt hätte. Dann hätten wir nämlich das Geld gar nicht. Daran erinnere ich jedes Mal, wenn wir Stiftungsmittel ausgeben.