Antrag der Fraktion der SPD – Erweiterter Kündigungsschutz und Zweckentfremdungsverbot zum Schutz vor Mieterverdrängung und Sicherung des Wohnungsbestandes in den baden-württembergischen Groß- und Universitätsstädten – Drucksache 14/619
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD bekennt sich ausdrücklich dazu, dass es auch in die Verantwortung der Landespolitik gehört, bezahlbaren Wohnraum in den Großstädten sicherzustellen, und dass es auch eine Aufgabe der Landesregierung sein muss, verantwortungsvoll Verordnungen zu erlassen, die es den Kommunen ermöglichen, in Fragen der Quartierentwicklung, in sozialer Hinsicht, in der Entwicklung von Gewerbeflächen und auch in der Stadtentwicklung eigene Kompetenzen zu übernehmen und umzusetzen.
Heute, meine Damen und Herren, geht es nicht um diese großen Würfe, sondern heute geht es unter den etwas sperrigen Titeln einer Verordnung über das Verbot der Zweck
entfremdung von Wohnraum und einer Verordnung über einen erweiterten Kündigungsschutz bei umgewandelten Mietwohnungen um zwei Instrumente, zu denen sich dieser Landtag und diese Landesregierung vor fünf Jahren noch einmal eindeutig entschlossen haben. Es sind zwei Instrumente, die am 31. Dezember 2006, also in wenigen Tagen, auslaufen werden.
Da ich es immer wieder erlebe, dass die Bedeutung dieser Instrumente nicht so ganz bekannt ist, möchte ich sie noch einmal kurz erläutern.
Da gibt es zum einen die Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, ein Steuerungsinstrument, das nicht wahllos verhindert, dass Mietwohnungen umgewandelt werden können, das aber der Kommune, die dies wünscht, die Möglichkeit gibt, selbst mit zu entscheiden, ob einem bestimmten Ersuchen, aus Wohnraum Gewerbeflächen oder etwas anderes zu entwickeln, zuzustimmen ist. Das führt nach dem, was man aus den Städten an Resonanz bekommt, nicht zu großen Zahlen. In der Stadt, aus der ich komme, sind von 60 Anträgen letztlich 45 positiv beschieden worden. Mancher ursprünglich vorgesehener Antrag wurde nach entsprechender Beratung gar nicht gestellt.
Was sollte uns denn daran hindern, den Kommunen weiter dieses Steuerungsinstrument zu überlassen, das es ihnen erlaubt, zu verhindern, dass in Stadtteilen, die überwiegend der Wohnversorgung dienen, aus Wohnungen wahllos Gewerberäume, Praxen oder auch andere Gewerbenutzungen gemacht werden?
Das Zweite ist die Verordnung über einen erweiterten Kündigungsschutz bei umgewandelten Mietwohnungen. Statt drei Jahren wird bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen eine Übergangszeit von zehn Jahren gewährt. Hierzu haben sich vor fünf Jahren die Städte Konstanz, Heidelberg, Tübingen, Freiburg und Mannheim bereit erklärt und dieses Sicherungsinstrument gewünscht. Dieses Sicherungsinstrument ist vor allem in den Quartieren ganz entscheidend, in denen durch den Niedergang oder durch den Verkauf großer Wohnungsbestände aus ehemals sozial gefördertem Wohnraum jetzt die Angst grassiert, dass langjährige, zum Teil jahrzehntelange Mietverhältnisse innerhalb von drei Jahren aufgelöst werden müssen.
Hier geht es also nicht nur darum, strategisch preiswerten Wohnraum zu erhalten, und die Zahlen darüber, was sich hier jährlich entwickelt, finden sich auch in keiner Statistik wirklich am Ende messbar in der Wohnraumversorgungsquote wieder. Aber ich kann Ihnen aus den Erfahrungen in den jeweiligen Stadtteilen bestätigen, dass diese Verordnung sehr wohl als schützenswert, sehr wohl als Sicherheit schaffend und sehr wohl als sehr wichtig für das Lebensgefühl der Bewohnerinnen und Bewohner empfunden wird, die sonst als Mieterinnen und Mieter darum bangen müssten, dass ihre Wohnung erworben wird und sie sich innerhalb von drei Jahren möglicherweise nach einer neuen Bleibe umsehen müssen.
Warum sollte man Kommunen versagen, auch einer solchen Verordnung beizutreten, um deutlich zu machen, dass wir
Wie war der Gang der Beratung? Am 11. Dezember 2001 wurden diese Verordnungen, befristet auf fünf Jahre, erneut erlassen. Am 22. Februar dieses Jahres hat der Landtag beschlossen, die Landesregierung zu ersuchen, zur Frage der Wohnraumversorgung eine Datenerhebung durchzuführen und das Ergebnis bis zum 15. September 2006 dem Landtag vorzulegen, um dann mitzuteilen, ob diese Verordnungen denn verlängert werden sollten.
Nicht am 15. September, sondern am 16., 17., 18. November 2006 wurden wir informiert. Diese Antwort und die Kürze der Zeit haben es sehr schwierig gemacht, zu diesen Dingen noch einmal Stellung zu nehmen. Ich bin sehr froh, dass sich das Präsidium des Landtags darauf einigen konnte, die Dringlichkeit unseres Antrags zu bejahen, sodass wir hier zu dieser wichtigen, die Menschen vor Ort berührenden Frage auch als politisches Gremium Stellung nehmen können und das Ganze nicht allein der Umsetzung von Rückmeldungen aus den Städten und einem Verwaltungshandeln überlassen.
Die Vorlage der Verwaltung sieht vor, die Geltungsdauer der beiden Verordnungen nicht zu verlängern, wobei gleichzeitig festgestellt wird, dass alle Städte, die bisher unter diese Verordnungen gefallen sind, dennoch eine Verlängerung dieser Verordnungen wünschen und in ihren Rückmeldungen aus dem Zahlenmaterial darstellen können, dass die Unterversorgung mit Wohnraum weiter in dem Korridor liegt, der ein Aufrechterhalten dieser Verordnungen möglich macht.
Weiter stellen alle Städte fest – das ergibt sich auch aus dieser Vorlage –, dass es bei der Umsetzung dieser Verordnungen keine Schwierigkeiten gibt und dass sie vor allem nicht dazu führen, meine Damen und Herren, dass man dort den Immobilienhandel erschwert oder unmöglich macht, dass man es nicht unmöglich macht, dass eine Zweckentfremdung an bestimmten Stellen auch sinnvoll erscheinen mag, sondern dass man den Kommunen Instrumente an die Hand gibt, hierüber mit zu entscheiden, und dass die Kommunen weiter diese Instrumente wünschen.
Von daher kann ich überhaupt nicht verstehen, wenn in einer Stellungnahme der Landesregierung Umsetzungsschwierigkeiten und mögliche verfassungsrechtliche Bedenken in einer Weise aufgebauscht werden, die dazu führt, dass man entscheidet: Die Kommunen wünschen es zwar, aber wir schlagen trotzdem die Hand an dieser Stelle weg – nachdem man die Kommunen vorher in einem Schreiben aufgefordert hat, genau diese Datenerhebung vorzunehmen und auch zu der Verordnung als solcher Stellung zu nehmen. Als Kommunalpolitiker oder Kommune muss man sich ein Stück weit an der Nase herumgeführt fühlen, wenn die Argumente am Ende gar nicht ernsthaft betrachtet werden.
Von daher erschließt es sich uns eigentlich aus der Logik: Wenn es Kommunen gibt, die sich dafür entschieden haben, die Fortsetzung dieser Verordnungen zu befürworten, und wenn nachgewiesen werden kann, dass der Korridor für diese Verordnungen weiter vorhanden ist, sollte es eigentlich
eine Selbstverständlichkeit sein, diese Verordnungen weiter aufrechtzuerhalten. Die Bürokratie, von der in diesem Zusammenhang viel die Rede ist, haben dann die Kommunen an der Backe. Die möchten sie aber auch gerne haben. Von daher gibt es gar keinen Grund, ein wichtiges Steuerungsund Sicherungsinstrument an dieser Stelle leichtfertig aus der Hand zu geben.
Ich könnte jetzt auf vielerlei bekannte Argumente eingehen, die ich in den letzten Wochen zu diesem Thema gehört habe. Es sind alles Argumente, die seinerzeit – 2001 – genauso galten wie heute. Damals hat man sich in diesem Haus trotzdem für eine andere Vorgehensweise entschieden. Ich werde nachher in meiner Reaktion zu dem einen oder anderen Argument, das sich offensichtlich doch nicht aus der Welt schaffen lässt, noch Stellung nehmen. Im Moment bitte ich Sie, an dieser Stelle einfach die Vernunft walten zu lassen und Regelungen, die sich bewährt haben, an Orten, wo dies gewünscht wird, weiterhin zu ermöglichen. Die Verordnungen werden ja niemandem aufgezwungen.
Sie, Herr Drautz, der Sie ja dann für die Landesregierung dazu Stellung nehmen – wir hatten ja schon einmal in der Fragestunde das Vergnügen, darüber zu diskutieren –, darf ich um zwei Dinge bitten. Sie haben seinerzeit permanent von der Fehlbelegungsabgabe gesprochen und die Begründung gegen die Zweckentfremdungsverordnung angeführt, obwohl ich nach dem erweiterten Mieterschutz gefragt habe. Ich würde Sie bitten, dass wir uns heute darauf einigen: Wir reden nicht über die Fehlbelegungsabgabe, sondern nur über die Zweckentfremdungsverordnung und die Verordnung zum erweiterten Mieterschutz.
Und ich würde Sie wirklich bitten, Herr Drautz: Nehmen Sie bitte zu den Argumenten, die Ihnen vor Ort entgegengehalten werden, Stellung. Sagen Sie nicht einfach: „Da müssen wir halt ein paar Städten auf den richtigen Weg verhelfen. Die sollen sich bitte an Heilbronn orientieren.“ Das ist keine sachliche Diskussion in einer Frage, in der es um die Ängste der Menschen und die Entwicklung von sozialen Quartieren geht.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Mentrup! Herr Mentrup hat am Anfang seiner Rede gesagt, wir hätten vor allem die Aufgabe, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Insoweit stimmen wir überein. Bezahlbaren Wohnraum gibt es nur, wenn es einen funktionierenden Wohnungsmarkt und möglichst wenig Bürokratie gibt.
Wenn Sie von Mannheim sprechen – und Sie kommen ja aus Mannheim –, muss ich Sie fragen: Warum stehen ausgerechnet in Mannheim, wo diese Instrumente bestehen, die Sie gerade so gerühmt haben, in bestimmten Vierteln 20 % aller Wohnungen leer?
Eigentlich müssten in Mannheim ja traumhafte Verhältnisse vorherrschen und müsste jede Wohnung sofort wieder renoviert und belegt werden. So ist es eben nicht.
Frau Vogt verlässt schon den Saal, weil sie sieht, dass bei diesem Thema nichts mehr zu gewinnen ist.
(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Helen Heberer SPD: Sachlich bleiben! – Zuruf von der SPD: Wo ist denn Herr Mappus? – Abg. Carla Bregenzer SPD: Herr Mappus ist schon heute Mittag gegan- gen! – Zuruf von der SPD: Das war gefährlich! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)
Wie sieht es denn real aus? Wer sich auf den Wohnungsmärkten im Land umschaut, stellt doch fest: Gerade bei Büro- und Gewerbeflächen haben wir eher einen Überhang. Kaum jemand wird eine Wohnung in Mannheim, Freiburg, Konstanz, Heidelberg oder Tübingen in ein Büro oder eine Gewerbefläche umwandeln.
Das kommt in Ausnahmefällen vor, sagen wir einmal, wenn sich ein Rechtsanwalt neue Kanzleiräume sucht und dafür ein spezielles Haus erwerben will. Aber eine Etagenwohnung, eine klassische Mietwohnung kommt bei der derzeitigen Wohnraumlage doch gar nicht hierfür infrage.
Stellen Sie sich angesichts der derzeitigen Kündigungsfrist von zehn Jahren folgendes Beispiel vor: Sie wollen für Ihren Sohn oder für Ihre Tochter in Freiburg von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft eine Wohnung erwerben,
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ein schlechtes Beispiel! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: In Frei- burg wollen die doch alles verkaufen! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Nehmen Sie eine andere Stadt!)
weil Sie sagen: Ich kaufe eine Wohnung, und dann kann mein Sohn oder meine Tochter später in diese Wohnung einziehen. Jetzt müssen Sie diese Wohnung, um später einmal aufgrund von Eigenbedarf kündigen zu können – zehn Jahre Kündigungsfrist! – zehn Jahre vor diesem Zeitpunkt erwerben. Das heißt, die Tochter oder der Sohn sind acht oder neun Jahre alt, wenn die Wohnung gekauft wird, damit sie mit 18 oder 19 Jahren dann in diese Wohnung einziehen können.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Diesen Unsinn haben Sie mitbe- schlossen!)