Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

Das geht alles von meiner Redezeit ab.

(Zuruf von der CDU: Deswegen machen wir es ja!)

Wir alle können uns noch an den Lebensmittelskandal im Herbst 2005 erinnern. Das Stichwort „Gammelfleisch“ hat die ganze Nation in Aufregung versetzt. Es hätte fast zum Wort des Jahres gereicht. Obwohl uns immer der Eindruck vermittelt wird, in Baden-Württemberg sei alles wunderschön, waren auch wir tangiert, und es setzte eine hektische Betriebsamkeit ein, denn es wurde offenbar, dass unser Land, was die Kontrolldichte anbelangt, im Ländervergleich am unteren Ende liegt.

Qualitätssicherungssysteme und das „Schwerpunktprogramm Fleisch“ wurden aufgelegt. Die Lebensmittelüberwachung wurde intensiviert: 1 Million € wurden zusätzlich in die Lebensmittelüberwachung gesteckt. Das konnte aber nicht verhindern, dass im Herbst dieses Jahres wiederum von Gammelfleisch die Rede war.

Dann haben sich die Verbraucherschutzminister zusammengesetzt und einen Maßnahmenkatalog entwickelt, zu dem ich jetzt nichts sagen will – wenn Zeit bleibt, vielleicht in der zweiten Runde.

Wie steht es um die Kontrolldichte in Baden-Württemberg? Wir hatten in unserem Antrag gefragt, wie sich die Zahlen der durchgeführten Kontrollen bezogen auf die Gesamtheit der entsprechenden Betriebe seit dem Jahr 2004 entwickelt haben – aufgeschlüsselt nach Stadt- und Landkreisen. Gemeint war natürlich, wie viele der vorhandenen Betriebe kontrolliert worden sind. Das haben Sie aber nicht beantwortet, sondern eine kolossal stolze Liste aufgestellt, in der Sie die Zahl der Betriebe und die Zahl der Kontrollen auflisten. Nun wissen wir alle, dass nicht jeder Betrieb nur einmal pro Jahr kontrolliert wird, sondern dass es viele Betriebe gibt, die mehrfach – manche sogar täglich – kontrolliert werden, sodass diese Zahlen im Grunde nicht sehr aufschlussreich sind.

Als Beispiel nehme ich einmal die Stadt Stuttgart, die laut Auskunft der Landesregierung im Jahr 2005 bei 10 550 Betrieben 10 183 Kontrollen aufwies. Das suggeriert eine tolle Kontrollquote von über 90 %. Aber wir wissen, wie gesagt, dass das nicht zutrifft.

Die Stadt Stuttgart selbst hat in ihrer Drucksache 350 aus dem Jahr 2006 Folgendes geschrieben:

Der Standard der Lebensmittelüberwachung in der Landeshauptstadt Stuttgart wurde im ersten Jahr nach der Verwaltungsreform gegenüber dem vom Wirtschaftskontrolldienst erreichten Standard gehalten und in einigen Bereichen leicht verbessert. Von 10 748 Betrieben

diese Zahl weicht schon einmal von der Zahl ab, die Sie uns nennen –

wurden 6 022 Betriebe kontrolliert (Kontrollquote von 56 %). Anzustreben wäre eine Kontrollquote von ca. 75 %, um im Bundesvergleich der Länder einen guten Mittelplatz zu belegen.

Das sagen nicht wir, sondern das sagt Bürgermeister Dr. Schairer, der von der Polizei kommt und wohl sehr viel von Lebensmittelkontrolle versteht.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Kluger Mann! – Ge- genruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das gibt es auch! Würdest du gar nicht annehmen, oder?)

Ein kluger Mann.

Das wirft die Frage auf, Herr Minister Hauk, was Sie eigentlich unter Kontrollen verstehen und wie die Kontrolldichte in unserem Land tatsächlich ist. Was streben Sie eigentlich an? Streben Sie eine Kontrollquote von 56 % der Betriebe im Jahr an oder gar eine Quote von 75 %, wie sie Herr Bürgermeister Dr. Schairer für sinnvoll hält?

Insgesamt – das haben einige andere Stichproben von mir ergeben – stimmen Ihre Zahlen nicht. Die Zahlen in der Stellungnahme weichen von dem ab, was die Landratsämter auf die Frage antworten, wie viele Betriebe sie zu kontrollieren haben. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf Ihre gesamte Stellungnahme und auf diese Statistik.

Aber jetzt zu einem anderen Thema, nämlich zu der Zahl der Betriebe, die ein einzelner Kontrolleur in unserem Land statistisch gesehen durchschnittlich zu kontrollieren hat. Auch das kann man ja in der Stellungnahme nachlesen. Da wird ganz deutlich, dass seit 2004 die Zahl der zu kontrollierenden Betriebe pro Kontrolleur deutlich angestiegen ist, obwohl Sie ja mehr Personal eingesetzt haben. Aber zu diesem Thema komme ich gleich noch.

In den städtischen Bereichen hat ein einzelner Kontrolleur etwa, wie im Kreis Baden-Baden, 390 oder, wie im Kreis Heilbronn, 900 Betriebe zu kontrollieren. Aber in 13 Landkreisen, meist im ländlichen Raum, hat jeder Einzelne der Kontrolleure über 1 000 Betriebe zu überwachen. Im Kreis Biberach, im Main-Tauber-Kreis und im Kreis Freudenstadt sind es sogar über 2 000 Betriebe.

Da fragt man sich schon, was für einen Maßstab Sie da eigentlich anlegen, woher diese ungleiche Verteilung kommt und welche Anzahl von Betrieben pro Kontrolleur Sie eigentlich haben wollen. Es kann ja nicht angehen, dass in unserem Land so unterschiedliche Ausgangslagen bestehen.

Hinzu kommt – das haben Sie ja selbst verkündet –, dass ab dem 1. Januar 2007 zu den insgesamt zu überwachenden 240 000 Betrieben in Baden-Württemberg noch 60 000 zusätzlich hinzukommen. Wie wollen Sie diese zusätzlichen Aufgaben bewältigen? Was ist dabei Ihr Maßstab? Ist es die Belastung für den jeweiligen Mitarbeiter, ist es die Fläche eines Landkreises, oder ist es die Anzahl der Betriebe insgesamt?

Infolge des Gammelfleischskandals 2006 wurde von der Landesregierung ein Kooperationsmodell zwischen den Landratsämtern und der Polizei organisiert. Von den ursprünglich angebotenen 76 zusätzlichen Polizeibeamten

des ehemaligen Wirtschaftskontrolldienstes wurden dann tatsächlich 61 Beamte in die Landratsämter ausgeliehen. Wo sind die eigentlich geblieben?

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das fragen wir uns auch!)

Wo ist deren Zukunft? Es war übrigens zu lesen, dass diese während der Fußballweltmeisterschaft abgezogen wurden, um ganz andere polizeiliche Aufgaben zu erledigen.

(Minister Peter Hauk CDU: Das nennt man Priori- tätensetzung!)

Der Landkreistag schilderte im Juli 2006 in einem Brief an den Ministerpräsidenten die missliche Situation. Ich zitiere:

Als Fazit ist daher festzuhalten: Das „Kooperationsmodell“ hat gezeigt, dass bei den Landratsämtern grundsätzlich ein erheblicher Bedarf an zusätzlichen Lebensmittelkontrolleuren besteht. Dies wird auch durch die Bedarfsanalyse des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum von Dezember 2005 bestätigt.

Die Modalitäten des „Kooperationsmodells“ sind jedoch nicht geeignet, diesem Bedarf gerecht zu werden. Daher ist ein nachhaltiges Modell mit dauerhaften Abordnungen der ehemaligen WKD-Beamten entsprechend den Regelungen des VRG erforderlich.

Parallel dazu bedarf es einer Verlängerung der Abordnungszeiten der bereits seit der Verwaltungsreform für die unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden tätigen Polizeibeamten, da nur so dem bestehenden Personalbedarf langfristig Rechnung getragen werden kann.

In den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 5. Juli 2006 konnte man einen Artikel unter dem Titel lesen: „Hauk will mehr Lebensmittelkontrolleure“, Untertitel „Oettinger gegen zusätzliche Stellen“.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf von der SPD: Hört, hört! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das geht ja drunter und drüber bei denen!)

Was ist, Herr Hauk, aus dieser Diskussion mit dem Ministerpräsidenten herausgekommen?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie werden es nachher hören!)

Ein Zitat aus Ihrer Koalitionsvereinbarung stimmt ja sehr hoffnungsvoll. Dort steht auf Seite 55 unter dem Titel „Gesundheitlicher Verbraucherschutz“ neben anderen Punkten – zwei davon will ich zitieren – zu lesen – übrigens sind Sie ja jetzt Vorsitzender der Länder-AG Gesundheitlicher Verbraucherschutz; herzlichen Glückwunsch –:

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist sinnvoll und richtig! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Auch noch! – Gegenruf des Abg. Jochen Karl Kübler CDU: So weit haben Sie es nicht gebracht, Herr Drexler! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Den Bock zum Gärtner gemacht!)

Zur Förderung des Verbraucherschutzes werden wir dafür eintreten, dass... die staatliche Lebensmittelkontrolle und die Lebensmittelüberwachung weiterhin eine schlagkräftige und effiziente Einheit bleibt; die Personalausstattung ergibt sich aus der Erfüllung der Aufgabe;...

Daraus ziehe ich den Schluss, dass Sie wesentlich mehr Lebensmittelkontrolleure einstellen müssten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Außerdem steht da als letzter Punkt, die Koalition werde dafür eintreten, dass die Maßnahmen zur Verbesserung der Tiergesundheit und Verhinderung von Tierseuchen intensiviert würden. Auch das hat wohl mehr Personal zur Folge.

Was können nun die Landkreise erwarten? Herr Minister, ich erhoffe mir darauf eine Antwort. Wenn Sie wirklich, wie Sie heute Morgen gesagt haben, dieses Land zum Gesundheitsland entwickeln wollen,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Und Kinderland!)

müssen Sie eine stringente Politik in der Lebensmittelkontrolle machen. Wir wollen Sie darin unterstützen. Aber wenn Sie dies nicht tun, dann bleiben Sie mit diesem Anspruch unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Brunnemer.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der lebhaften Debatte heute Morgen ist doch klar geworden: Gesunde Lebensmittel sind ein Thema, das uns allen sehr am Herzen liegt. Wir alle sind Verbraucher, und wir alle haben nach den Verunsicherungen der letzten Zeit eine sachliche und faire Diskussion dieses wichtigen Themas verdient.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Jawohl!)

Denn die Menschen erwarten zu Recht von den Lebensmittelerzeugern, von den Verarbeitern und genauso vom Handel ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein. Völlig zu Recht erwarten wir von allen Verantwortlichen in der Lebensmittelwirtschaft und in staatlichen Überwachungsbehörden weiterhin höchste Anstrengungen, um vor Gesundheitsgefahren und vor Täuschungen geschützt zu werden.

Ich zitiere – nicht sehr gerne – hier die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, aber manchmal hat sie recht.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was? – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was soll denn diese überhebliche Art?)

Und sie hat recht, wenn sie sagt: „Was draufsteht, muss auch drin sein.“

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Das hat sie von mir!)