Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Wenn sie nicht mehr geregelt werden müssen, dann ist es notwendig, auf eine gesetzliche Regelung zu verzichten und die Entscheidung freizugeben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Freiheit heißt immer auch Freiheit zur Eigenverantwortung, zum eigenverantwortlichen Umgang. Wenn Sie, Herr Kollege Hausmann, von Grummeln in einer Koalition reden, dann muss ich sagen: Es ist doch ganz klar, dass in jeder Fraktion selbstverständlich zu Recht die Bedenken ausgesprochen werden, die von den Menschen im Land an uns herangetragen werden. Bei aller Ordnungspolitik ist es doch legitim, sich gemeinsam Gedanken zu machen, wie mit diesen Argumenten umzugehen ist, und abzuwägen, was denn nun der richtige Weg ist.

Diese Koalition hat gezeigt, dass sie zu vernünftigen Kompromissen kommen kann. An dieser Stelle führte dies dazu, dass man das Grundziel, wieder mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung, mehr Flexibilität zu ermöglichen, erreicht hat, ohne ein hohes, verfassungsmäßig geschütztes Ziel, nämlich das Ziel des Sonntagsschutzes, preiszugeben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Auch wir wollen nicht, dass alle Tage Werktage sein sollen – obwohl uns das immer wieder unterstellt wird –, sondern auch wir wollen insbesondere die Sonntage in der Regel schützen.

(Zurufe von der SPD – Beifall des Abg. Dr. Fried- rich Bullinger FDP/DVP)

Ich glaube, dass wir an dieser Stelle einen guten Kompromiss gefunden haben. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich aus einem Schreiben des Einzelhandelsverbands Baden

Württemberg, das am 6. Dezember bei uns eingegangen ist, zu diesem Kompromiss zitieren:

Wir denken, dass die Festlegung von drei regulären verkaufsoffenen Sonntagen ein tragfähiger Kompromiss ist, der den Verantwortlichen mit Sicherheit nicht leichtgefallen ist.

Es ist ein tragfähiger Kompromiss, der meiner Meinung nach dazu führt, dass die Kommunen vor Ort eigenverantwortlich, ohne große Regulierung durch das Regierungspräsidium, ohne große Genehmigungsverfahren von 52 minus sechs Sonntagen bis zu drei als verkaufsoffene Sonntage genehmigen können. Wir gehen in der Tat davon aus, dass nicht nur die sechs explizit genannten Sonntage, also die an Ostern und an Pfingsten sowie die Adventssonntage, geschützt werden, sondern dass man einen verkaufsoffenen Sonntag auch nicht unbedingt z. B. auf den Volkstrauertag oder auf den Totensonntag legen wird. In der Tat vertrauen wir auf den verantwortlichen Umgang der Kommunen mit diesen Möglichkeiten.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dieter Hil- lebrand CDU)

Dass sich in 50 Jahren gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedingungen geändert haben, dem wird wohl niemand widersprechen.

Nun will ich ein paar Punkte herausgreifen, die Sie so sehr kritisieren. Das ist z. B. das Thema Arbeitnehmerschutz. Das geht uns wirklich alle an. Aber noch einmal: Wir haben inzwischen sowohl im Tarifrecht als auch – und das ist insbesondere dort wichtig, wo keine tarifrechtliche Bindung besteht – im Arbeitszeitgesetz einen ganz klaren Arbeitnehmerschutz. Ich bin schon überrascht, zu hören, dass Sie als Gewerkschaftsfunktionär, Herr Hausmann, offenbar nicht glauben, dass Betriebsräte bei großen Handelsketten durchsetzen, dass Arbeitsschutz und Arbeitszeitgesetz auch bei einer längeren Ladenöffnung selbstverständlich nach wie vor gewahrt bleiben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Jetzt darf ich Ihnen einmal Stimmen von Menschen, die in diesen Berufen arbeiten, zur Kenntnis geben, nicht die der Funktionäre. Mir hat z. B. jemand gesagt: Seit eine flexiblere Ladenöffnungszeit möglich ist, habe ich im Gegensatz zu früher, wo ich von morgens bis abends einschließlich Mittagspause an meinen Arbeitsplatz gebunden war, durch die Einführung des Schichtbetriebs plötzlich auch mehr Flexibilität; denn wenn ich morgens arbeite, kann ich abends zum Beispiel in meinen Sportverein gehen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Flexiblere Ladenöffnungszeiten verbessern auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Zurufe von der SPD, u. a. der Abg. Claus Schmie- del und Ursula Haußmann)

Schauen Sie einmal – Familien stimmen doch häufig mit den Füßen ab –: Heutzutage ist Late-Night-Shopping zwar noch hoch reguliert, aber möglich. Die Innenstädte, und zwar sowohl in den Zentren als auch in den Unterzentren

und in den Mittelzentren, sind dann voll, weil Einkaufen für Familien heute ein Event geworden ist, ob Sie das jetzt wahrhaben wollen oder nicht.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Quatsch! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Doch nicht für Familien mit Kindern! Das ist doch Blödsinn!)

Das ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf an einer anderen Stelle. – Was wollen wir denn nun? Wir haben immer bedauert, dass wir zu wenig Teilzeitarbeitsplätze haben.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist richtig! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Al- fred Winkler SPD: Deswegen machen Sie das? Deswegen?)

Genau in diesem Segment wird es zukünftig mehr Teilzeitarbeitsplätze geben können, und diese Art der Berufstätigkeit ist mit der Familie vereinbar. Wo sehen Sie dann die Riesenprobleme? Ich glaube, dass wir damit der Lebenswirklichkeit der Menschen von heute gerecht werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Vogt?

Einen ganz kleinen Moment, dann gibt es die Möglichkeit für eine Nachfrage.

Ich glaube auch, dass wir damit den Lebenswirklichkeiten wirklich näher kommen, dass die Menschen mit den Füßen abstimmen werden und die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler dieser Abstimmung mit den Füßen – wenn sie vernünftig reagieren – wohl auch folgen werden. Das heißt, kein Mensch wird gezwungen, rund um die Uhr zu shoppen. Kein Mensch wird gezwungen, rund um die Uhr seinen Laden offen zu halten. Es werden vielmehr vernünftige, eigenverantwortliche Regelungen gefunden werden. Deshalb glaube ich, dass wir mit diesem Gesetzentwurf nach 50 Jahren Ladenschlussgesetz der Realität in diesem Land ein ganzes Stück näher kommen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Jetzt gestatte ich die Nachfrage.

Bitte schön, Frau Abg. Vogt.

Herr Kollege Noll, gestatten Sie mir die Frage, wie Sie das beispielsweise bei einem inhabergeführten Fachgeschäft im ländlichen Raum organisieren wollen, das von einem Ehepaar geführt wird und das vom Geschäftsumsatz her im Moment etwa für einen halben Tag eine Verkäuferin noch mitträgt, aber ansonsten nicht die Menge einbringt, dass man noch mehr Beschäftigte haben könnte. Wie soll in einem solchen Betrieb dann die Möglichkeit genutzt werden, auch Schichtarbeit, wie Sie es als Idealmodell vorgestellt haben, tatsächlich umzusetzen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Vogt, das brauchen Sie einen Selbstständigen, der zum Beispiel Sonntagsdienst in seiner Praxis auch mit der Familie organisiert hat,

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das ist aber etwas ande- res! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

bei dem auch die Frau mitgearbeitet hat, überhaupt nicht zu fragen.

Aber ich will Ihnen mit einer Geschichte antworten, wenn ich das noch darf.

(Unruhe)

Vor 50 Jahren war ich zehn Jahre alt. Da gab es am Ort ein inhabergeführtes Geschäft, geführt vom Inhaber und seiner Ehefrau. Wenn meine Mutter sonntags morgens gemerkt hat, dass sie etwas Wichtiges vergessen hat, hat sie zu mir gesagt:

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das ist doch etwas völ- lig anderes!)

Bub, geh zum Kaufladen und klingle. Dann hat der Inhaber aufgemacht.

(Zuruf von der SPD: Ja, sag einmal!)

Dann hat er das selbstverständlich erledigt, weil er sowieso da war.

Dann gab es in diesem kleinen Ort einen zweiten Kaufladen. Dessen Inhaber hat den anderen angezeigt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja, genau! Das war ein Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz!)

Dann ging das plötzlich nicht mehr. Inzwischen gibt es beide nicht mehr.

Also, die Frage ist: Wie können wir da die Menschen ein Stück weit schützen? Da muss ich einfach sagen: Wer als Selbstständiger wirklich Dienstleistungen anbietet, der muss eigenverantwortlich Chancen nutzen, die wir ihm mit diesem Gesetz geben. Er wird zu nichts gezwungen.

(Abg. Ute Vogt SPD: Steht jeder bis nachts um zehn im Laden?)

Der Strukturwandel, den Sie immer beklagen, hat, und zwar auch mit Ladenschlussgesetz, lange stattgefunden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Gerade wegen des Ladenschlussgesetzes!)