Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Sie haben gesagt, dieser Haushalt werde in die Geschichte eingehen. Man hat ähnlich versucht, ebendiesem Haushalt noch einmal eine solche Bedeutung zu geben. In Wahrheit, Herr Finanzminister, präsentieren Sie hier seit Jahren die gleiche Geschichte. Am 9. November 1999

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

haben Sie hier im Haus verkündet:

Die Nettokreditaufnahme im Landeshaushalt wird für die Jahre 2000 und 2001 aufgrund der Steuermehreinnahmen aus der jüngsten Steuerschätzung abgesenkt. Mit dieser Entscheidung setzt die Landesregierung ihren Kurs der Haushaltskonsolidierung konsequent fort.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Was aber folgte, war dann ab 2001 Jahr für Jahr ein Anstieg der Verschuldung dieses Landes.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Hört, hört!)

Trotz dieser Versprechen haben Sie es innerhalb des letzten Jahrzehnts geschafft, in Baden-Württemberg die Schulden im Landeshaushalt um 14,7 Milliarden € zu erhöhen; das heißt, der gesamte Schuldenberg ist im letzten Jahrzehnt um 50 % gewachsen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Hört, hört!)

Das ist eine Konsolidierungspolitik, die jedenfalls nicht den Versprechen von 1999 entspricht.

(Beifall bei der SPD)

Insofern habe ich große Zweifel daran, dass es dieses Mal anders sein soll. Denn heute wie damals fehlt Ihnen der Mut, tatsächlich den Kurs zu ändern. Herr Kollege Mappus, es gehört dazu, wenn man Politik macht, dass man in der Lage ist, dazuzulernen,

(Zuruf von der CDU: Hoffentlich! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Aha!)

dass man eben nicht, weil man hier schon viele Jahrzehnte regiert, meint, man müsse immer das Gleiche machen,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Sie sagen ständig et- was anderes!)

dass man auch einmal etwas im Rahmen seiner Politik verändert, wenn man merkt, man muss an der einen oder anderen Stelle die Weichen neu stellen, und dass man nicht satt und selbstzufrieden immer sagt: Es ist ja bisher immer irgendwie gut gegangen.

(Zuruf von der CDU: Wischiwaschi! – Abg. Ma- rianne Wonnay SPD: Vor allem satt! – Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)

Besonders traurig finde ich, Herr Finanzminister Stratthaus, dass Sie es nicht geschafft haben, Ihre nun bekanntermaßen begrenzte Amtszeit doch zu mutigeren Schritten zu nutzen. Offenbar hat die Begrenzung der Amtszeit auch Ihren Willen für die zukunftsträchtige Weichenstellung begrenzt.

(Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU)

Wann, wenn nicht jetzt, hätten Sie denn die Chance dazu, ohne Rücksicht darauf, dass der eine oder andere Kabinettskollege Gram oder der eine oder andere Verband große Ärgernisse vor sich herträgt? Wann, wenn nicht jetzt, hätten Sie die Chance, auch Dinge durchzusetzen, die unpopulär sind

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

und wo Sie auch einmal an die Fleischtöpfe heranmüssen, die manch einem Parteifreund von Ihnen gehören?

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Jochen Karl Kübler und Karl Zimmermann CDU)

Anstatt diesen Aufschwung für einen Aufbruch zu nutzen, begnügen Sie sich mit der Rolle als Trittbrettfahrer der Konjunktur.

(Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Zurufe von der SPD, u. a.: Schwarzfahrer! – Geis- terfahrer! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Sie präsentieren einen Haushalt, der auf Leistungen anderer aufbaut. Den mit Abstand größten Brocken für die Konsolidierung leistet nicht die Landesregierung, sondern leisten die Kommunen, leisten die Städte und Gemeinden unseres Landes. Es ist ein Skandal, wie dort abgeschöpft wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Sie sparen auf Kosten anderer. Natürlich haben die kommunalen Landesverbände unter dem Druck der Landesregierung nachgeben müssen, weil sie gar keine andere Chance haben, weil sie vom Land abhängig sind und weil Sie gedroht haben: Wenn ihr nicht mitmacht, dann nehmen wir noch mehr und hauen euch am Ende die Beine weg.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Ja, selbstverständlich! 550 Millionen angedroht! – Gegenruf des Abg. Ste- fan Mappus CDU: Das ist doch Quatsch! Sie haben bloß ein Problem damit, dass Herr Gönner mit- macht!)

Das ist das Hauptproblem, das die Kommunen unter Ihrer Regierung erleiden müssen.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Fragen Sie doch ein- mal Ivo Gönner!)

Damit ist noch nicht berücksichtigt, dass in ganz vielen Ressorts zusätzlich Kosten auf die Kommunen verlagert werden. Wir kennen doch kaum eine Kommune, die die Chance gehabt hat, z. B. ausreichend Polizeipräsenz vor Ort gewährleistet zu haben. Sie im Innenministerium haben Polizeibeamte aus der Fläche zurückgezogen. Die Konsequenz ist, dass Gemeinde nach Gemeinde – von den großen Städten ganz abgesehen – inzwischen private Dienste beschäftigen

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist doch Non- sens!)

und Polizeivollzugsbeamte bei den Ortsbehörden anstellen,

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Helmut Walter Rüeck: Die Frau ist bis heute noch nicht im Land angekommen! – Abg. Stefan Mappus CDU: In wel- chem Land leben Sie?)

um Ordnung zu schaffen, die Sie durch den Rückzug der Beamten vor Ort vernichtet haben.

(Beifall bei der SPD)

Es ist eine Landesaufgabe, für Polizeipräsenz zu sorgen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Welch ein Armuts- zeugnis!)

Ähnliches gilt für die Sozialarbeit an den Schulen unseres Landes. Das wäre ein dringend notwendiger Beitrag des Landes. Es gab die wunderbaren Modellprojekte. Was ist geschehen? Das Land hat sich zurückgezogen, anstatt mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern an den Schulen in die Fläche zu gehen, wo sie zur Unterstützung der Lehrkräfte dringend benötigt werden.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! Jawohl!)

Stattdessen haben Sie sich zurückgezogen, und wiederum sind es die Kommunen, die einspringen müssen und die verantwortungsvoll handeln und diese Kosten tragen, die eigentlich Kosten des Landes wären.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Es ist schön, wenn wir uns nun darauf freuen können, dass Sie wenigstens bereit sind, den eigentlich bereits vorhandenen Grundsatz des Konnexitätsprinzips – „wer bestellt, der bezahlt auch“ – gemeinsam mit den Kommunen in unserer Verfassung konkreter zu regeln. Wir sind gern bereit – das ist bei einer Verfassungsänderung, denke ich, guter Brauch –, gemeinsam daran mitzuarbeiten und zusammen mit dem Städtetag und dem Gemeindetag eine Formulierung zu finden, die nicht nur eine Leitlinie für uns ist, sondern die auch eine Leitlinie für Verhandlungen sein kann, die man dann auf anderen Ebenen zu führen hat.

Ich wünsche mir aber, dass wir es nicht dabei belassen, nur über die Konnexität zu reden. Ich wünsche mir, dass wir auch den Mut haben, die Finanzbeziehungen und die Organisationsbeziehungen zwischen den Gemeinden und dem Land neu zu ordnen.

Ich wünsche mir z. B., dass wir in der Schulpolitik einmal darangehen und sagen: Es kann doch nicht sein, dass man ständig diese Mischzusammenarbeit hat. Warum machen wir da nicht eine klare Trennung, so wie der Städtetag sie sich wünscht? Für die Kindergärten und die kleinen Kinder sind dann die Kommunen zuständig, und die Schulkinder sind dann voll in der Verantwortung des Landes, das dann auch dafür geradestehen muss, dass kein Unterricht ausfällt und dass an den Schulen die Betreuung gewährleistet ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir erwarten, wenn wir langfristig etwas bewirken wollen, auch, dass diese Landesregierung den Mut hat, bei sich selbst Sparmaßnahmen anzusetzen, dass Sie die Kraft aufbringen, wie lange gefordert die Zahl der Ministerien zu reduzieren, dass Sie es schaffen, das inhaltlich wie auch finanziell Gebotene endlich wahr zu machen und z. B. das Kultusministerium mit dem Wissenschaftsministerium zusammenzuführen, dass Sie mit einer speziellen Klientelpolitik aufhören, mit der Sie sich Wählerstimmen sichern wollen. Wir erwarten: Lasst die Landwirte endlich einmal zur Geltung kommen; lasst sie nicht am Tropf der Landesregierung hängen, sondern gebt ihnen den Stellenwert, der ihnen gebührt.

(Beifall bei der SPD)

Nehmt sie in die Wirtschaftspolitik auf, und begreift die Landwirtschaft als einen Wirtschaftsfaktor und nicht als einen Faktor, der immer nur abgefunden werden muss.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)