(Abg. Stefan Mappus CDU: Weitere? Bisher gibt es doch noch gar keine! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wo sind denn Vorschläge? Kein ein- ziger Vorschlag! Sollen wir Lehrerstellen abschaf- fen oder nicht?)
Wir werden Vorschläge einbringen für die politischen Schwerpunkte. Wir werden auch Vorschläge dazu liefern, wie die Schwerpunkte, die wir uns wünschen, finanziert werden können.
Alle Fraktionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden im Januar die Gelegenheit haben, in Klausurtagungen zu gehen. Wir haben die letzten Lieferungen für diesen Haushalt, ich glaube, heute Morgen erhalten.
Insofern sollten Sie uns schon zugestehen, dass wir, wenn wir uns selbst ernst nehmen, uns auch die Zeit nehmen, um diesen Haushalt sorgfältig zu beraten und eben nicht nur wie bisher über die Eckpunkte des Haushalts zu reden. Daher kann ich Sie nur auffordern, gemeinsam unsere Fraktionsklausuren zu nutzen. Ich erwarte von Ihnen Offenheit bei der Beratung, ich erwarte von Ihnen Mut zur Bewegung, und ich erwarte, dass wir diese Beratungen nicht zur Farce werden lassen.
Zeigen Sie, dass dieses Parlament mehr kann als die Landesregierung. Lassen Sie uns im Parlament, ungeachtet mancher Meinungsverschiedenheiten, jedenfalls an einem so zentralen Punkt wie dem Haushalt unsere Chance nutzen, und lassen Sie uns aus diesem Aufschwung, der das ganze Land erfasst hat, auch einen Aufbruch für Baden-Württemberg machen!
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Was sind die Vorschläge? Kein einziger Vorschlag!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach klaren Ansagen zum Sparen bei den vergangenen Haushalten und der Entschlossenheit, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen – Herr
Finanzminister, Sie formulierten es derzeit so: „die Trennlinie zwischen Machbarem und Wünschenswertem neu zu ziehen“ –, hören wir jetzt mildere Töne sowohl von Ihnen als auch vom Kollegen Mappus – jedenfalls was den kleinen Teil seiner Rede betraf, der überhaupt sachliches Gewicht hatte.
Wer sich jedoch die tatsächlichen Zahlen des Haushalts anschaut, der kann nicht den Eindruck gewinnen, dass der Sturm vorbei ist und wir jetzt nur noch gegen eine leichte Brise kämpfen müssen. Wenn wir allerdings vom Ministerpräsidenten hören, die hoch verschuldeten Bundesländer sollten ihren Beamten das Weihnachtsgeld streichen, dann heißt auch hier die Botschaft: „Hoch verschuldet sind wir nicht.“ In Wirklichkeit sind wir hoch verschuldet, und Länder wie Berlin sind total überschuldet. Das sind die Tatsachen.
Deshalb mag das zwar gute Öffentlichkeitsarbeit sein; gute Finanzpolitik ist das aber nicht. Allerdings, Herr Oettinger: Ob Sie mit solchen Tönen – oder gar mit dem Geholze von Herrn Mappus bezüglich der anderen Bundesländer – die Föderalismusreform erfolgreich zu Ende bringen können, das darf man doch bezweifeln. Da könnte man sich die Zeit sparen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Er kann doch nur holzen!)
Meine Damen und Herren, besonders in der Finanzpolitik gilt die Maxime: Man muss die Wahrheit in den Tatsachen suchen. Der ehemalige Kollege Strauß hat einmal gesagt: „Man kann Generale anschreien,“ – man könnte das abwandeln und sagen: „Man kann die SPD anholzen“, wie es Herr Mappus getan hat – „aber Zahlen nicht.“
Unser Haushalt hat vier Verschuldungsdimensionen. Die erste Dimension sind die Kredite. Diese werden bis zum Jahr 2011 – auch dann, wenn wir bis dahin die Nullnettoneuverschuldung erreichen – auf 48 Milliarden € steigen. Das strukturelle Haushaltsdefizit beträgt nach wie vor 2,5 Milliarden €. Das ist die erste Dimension der Verschuldung.
Die zweite Dimension der Verschuldung ist im Haushalt zunächst unsichtbar. Das sind die Pensionslasten, die auf uns zukommen, die von heute 3 Milliarden € auf 8 Milliarden € im Jahr 2030 steigen werden. Überlegen Sie einmal:
Das bedeutet, dass pro Jahr im Schnitt 200 bis 250 Millionen € zusätzlich an Lasten auf den Haushalt zukommen werden. Das sind die tatsächlichen Strukturprobleme. Wenn wir diese Pensionslawine nicht entschärfen, dann wird sie jeden Handlungsspielraum in Zukunft erdrücken, und alle Gestaltungsmöglichkeiten werden wieder aus dem Haushalt hinausgeworfen, so, wie der Kuckuck die Eier aus dem Nest wirft.
Die dritte Dimension der Verschuldung ist der Sanierungsrückstand allein bei unseren Universitäten und Hochschulen von 3 Milliarden €.
Und die vierte Dimension der Verschuldung sind die Schattenhaushalte, die Sie bei Ihrer Briefkastenfirma „Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben“ angelegt haben,
Das ist die Dimension der Verschuldung, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, und da ist überhaupt keine Entwarnung angesagt.
Folgerung: Die Regierung muss endlich an die Aufgabenkritik und an den sich daraus zwangsläufig ergebenden Aufgaben- und Personalabbau herangehen.
Die Größenordnungen haben sich überhaupt nicht verändert. Wir müssen bis zum Jahr 2016 jedes Jahr 1 % an Personal abbauen, wenn wir die strukturelle Haushaltslücke von 2,5 Milliarden € decken wollen. Seit der Verwaltungsreform sprechen Sie von dieser Aufgabenkritik und Aufgabenreduktion,
Ich erläutere dies einmal am Beispiel der Flurbereinigung. Der Rechnungshof hat nach einer gründlichen Untersuchung vorgeschlagen, im Bereich der Flurneuordnungsverwaltung von den 900 Stellen mindestens 300 zu streichen. Meiner Ansicht nach müssen viel mehr Stellen gestrichen werden, nämlich zwei Drittel. Ich zitiere dazu jetzt einen Herrn, den Sie alle gut kennen. Er hat zu diesem Thema gesagt:
Glaubt denn jemand, dass wir uns die diesbezüglichen Kosten auf Dauer leisten können, dass wir angesichts dessen, was auch an Pensionslasten auf uns zukommt, eine Agrarstrukturverwaltung in solchen Dimensionen aufrechterhalten können? Das ist völlig ausgeschlossen.
Diese Aussage machte Ministerpräsident Teufel in der 10. Sitzung der Föderalismuskommission am 4. November 2004.
Als es bei der letzten Finanzausschusssitzung, Herr Kollege Herrmann, darum ging, in dieser Frage Nägel mit Köpfen zu machen und einen konkreten Stellenabbau zu beschließen,
haben CDU und FDP/DVP wieder gekniffen. Jetzt soll die Flurneuordnungsverwaltung zunächst einmal mit der Vermessungsverwaltung zusammengelegt werden, und dann wird man erneut prüfen. Genau das ist Ihre Politik, dauernd von Aufgabenkritik zu reden, sie aber nicht in der Praxis umzusetzen.
Wir haben bei den letzten beiden Haushaltsberatungen weitere Vorschläge dazu gemacht. Diese sind alle von Ihnen ignoriert worden. Der Herr Ministerpräsident sagt: „Wir sind zu einer konsequenten Aufgabenkritik bereit.“ Sein Finanzminister sagte in seiner Haushaltsrede vor einer Woche ebenso: „Wir stellen uns einer konsequenten und systematischen Aufgabenkritik.“ Herr Finanzminister, Sie brauchen sich dieser gar nicht zu stellen, denn niemand will das Finanzministerium abschaffen.
Aber Sie müssen endlich einmal Aufgaben kritisieren und den daraus folgenden Aufgabenabbau benennen. Wir haben noch keinen einzigen relevanten Vorschlag von Ihnen gehört, seit Sie das mit Beginn der Verwaltungsreform immer rauf und runter beten. Aber ohne solch eine Aufgabenkritik und solch eine Aufgabenreduktion kann der Haushalt nicht nachhaltig saniert werden.
Erster Punkt: die Nachhaltigkeit der Pensionen. Die Pensionslasten würden, wenn wir nichts Wirksames täten, rasch wachsen und den Aufwuchs von Steuermehreinnahmen, mit dem wir rechnen können, auffressen. Heute müssen von den Steuereinnahmen 13 % für Pensionen aufgewendet werden. Dieser Anteil würde auf 22 % im Jahre 2030 anwachsen. Es ist klar, dass das nicht geht. Herr Stratthaus, bereits zum letzten Doppelhaushalt haben wir deshalb vorgeschlagen, die Sonderzahlung für Versorgungsempfänger des höheren und des gehobenen Dienstes entfallen zu lassen. Das haben Sie abgelehnt und sind dem jetzt nur zögerlich gefolgt, indem Sie die Sonderzahlung auf 30 % eines Monatsbezugs reduziert haben.
Allerdings reicht diese Maßnahme nicht aus, um das Wachstum der Pensionen wirksam zu begrenzen, ebenso wenig wie die Pensionsrücklage, die ja nur etwa 5 % ausmacht. Deswegen müssen wir weitere Einschnitte vornehmen.
Die Pensionäre erhalten im Gegensatz zu den gesetzlich Versicherten eine Beihilfe von 70 %. Das müssen wir auf das
Niveau des Zuschusses bei den aktiven Beamten absenken. Ich finde, das ist einfach eine Frage der Gesamtgerechtigkeit in der Gesellschaft. Dies – so zeigen Modellrechnungen – ist eine nachhaltig wirksame Maßnahme; denn die Beihilfeausgaben für Versorgungsempfänger werden zukünftig viel stärker als die Ausgaben für die eigentlichen Pensionen wachsen. Damit kämen wir zu einem Entlastungsvolumen, das 2030 etwa 700 Millionen € jährlich erreichen wird.