Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Bravo!)

Jetzt frage ich: Wenn diese doch sehr radikalen Ansagen von Ihnen, Herr Ministerpräsident, und von Ihnen heute, Herr Mappus, nicht bei der Finanzpolitik ankommen, was sind sie dann wert?

(Abg. Stefan Mappus CDU: Sie kennen doch den Unterschied zwischen Legislative und Exekutive, Herr Kollege, oder?)

Ja. – Wir warten darauf.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Ja, okay! Klar!)

Sie werden da offensichtlich ein Paket einbringen; das haben Sie ja angekündigt. Aber glauben Sie mir: Das Problem sind nicht die neuen Gebäude. Da ist der Energieeinsparstandard schon hoch, obwohl es schon richtig ist, dass man immer mehr tun könnte.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Machen wir doch!)

Aber zugleich kürzen Sie beim Altbausanierungsprogramm.

(Abg. Stefan Mappus CDU: „Klimaschutz-Plus“- Programm! – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜ- NE)

Das haben Sie gemacht. Sie haben die Mittel ständig heruntergefahren: Es waren 4,7 Millionen € im Jahr 2003,

(Abg. Stefan Mappus CDU: „Klimaschutz-Plus“- Programm! – Zuruf von den Grünen)

in diesem Jahr dann nur noch 2,3 Millionen €, und zukünftig sind es nur noch 0,6 Millionen €.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wie groß ist das „Kli- maschutz-Plus“-Programm?)

Wenn man nun weiß, dass das Hauptproblem unser Altbaubestand ist – dort wird die meiste Energie verschleudert –, dann ist es nicht sehr intelligent, für die Neubauten etwas Neues aufzulegen und zugleich beim Altbau zu streichen. Das macht keinen Sinn.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir sind gar nicht an der Spitze, was die regenerativen Energien betrifft. Wir haben im Land einen Anteil der regenerativen Energien an der Stromerzeugung von 8,5 %; im Bundesdurchschnitt liegt dieser Anteil bei 11 %. Ich frage mich: Wie wollen Sie diesen Rückstand bei Ihren Vorschlägen überhaupt aufholen? Da sind ganz andere Anstrengungen nötig. Ebenso haben wir bei der Kraft-Wärme-Kopplung noch ein Potenzial von 20 %; das sind immerhin 1 500 Megawatt. Auch da sehe ich Ihre Initiative nicht.

Man muss es nur wollen. Das zeigen selbst kleine und mittlere Gemeinden, wie Mauenheim bei Tuttlingen, das die Energieversorgung im Dorf auf die eigenen Füße gestellt hat. Das bringt viele Vorteile für die Umwelt, für die Verbraucher und auch für den Wirtschaftsstandort.

Solche Beispiele könnten Schule machen. Wir brauchen dafür aber auch Geld. Was muss man bei der klammen Haushaltslage tun? Man muss alte Zöpfe abschneiden. Ich nenne ein Beispiel: Das Land fördert den Bau und die Sanierung von Kläranlagen über den Kommunalen Investitionsfonds. Dafür sind immerhin 50 Millionen € vorgesehen. Ich finde, wir brauchen keine Doppelförderung. Wir haben schon den Bau gefördert, und wir müssen jetzt nicht auch noch die Sanierung fördern. Das müssen die Kommunen über ihre Gebührenhaushalte machen. Es gibt keinen Grund dafür, flüssigen Abfall, der durch die Kanalisation geht, anders zu behandeln als festen Abfall, also Müll. Wenn man das einmal macht und das auf die Gebühren umlegt, was nur richtig ist, dann haben wir eine Größenordnung von 15 Millionen €. Damit kann man schon einiges anfangen.

Man sieht: Man braucht nur die richtigen Ideen für den Haushalt; dann kann man auch auf dem wichtigen Gebiet der Ökologie Nachhaltigkeit erreichen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Vierter Punkt: Verkehr. Während die Bildungspolitik im Minustrend liegt und der Klimaschutz auf der Stelle tritt, plant die Landesregierung am Stuttgarter Hauptbahnhof ein Milliardengrab.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Oh, jetzt!)

Meine Damen und Herren, beim Punkt Nachhaltigkeit geht es hier richtig rückwärts. Ich will jetzt gar keine Fachde

batte mehr aufmachen, sondern nur einen Blick auf die Zahlen im Haushalt werfen.

Die Schuldendiensthilfe für die Vorfinanzierung von Stuttgart 21 beträgt 16 Millionen € im Jahr 2007 und 40 Millionen € im Jahr 2008. Diese 16 Millionen € entsprechen genau dem Kürzungsbetrag beim an anderer Stelle veranschlagten öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche. Dann kommt in einem Jahr der Anstieg von 16 Millionen € auf 40 Millionen €. Dieser Anstieg wird sich in den Jahren 2009, 2010 und 2011 auf mindestens 150 Millionen € mehr fortsetzen. Da sind die Finanzierungsrisiken noch nicht mitgezählt.

Wie sollen diese Größenordnungen finanziert werden? Ich weiß, dass ihr, die CDU, bei Straßen und solchen Großprojekten im Verkehr immer Fundis seid. Der Obersatz von Fundis heißt ja immer: Geld spielt keine Rolle.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abge- ordneten der SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Das kennt ihr aus eigener Erfahrung! So habt ihr bisher Politik gemacht! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Mit Fundis kennen Sie sich ja bestens aus! – Zurufe der Abg. Stefan Mappus CDU und Heiderose Berroth FDP/DVP)

Aber, Herr Finanzminister, Sie sprachen vom Unterschied zwischen dem Wünschbaren und dem Machbaren. Wie sollen diese Größenordnungen finanziert werden?

Für Stuttgart 21 wird ein neuer Verschuldungspfad aufgemacht. Das ist das pure Gegenteil von Nachhaltigkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Das mögen Sie alle – Schwarz, Rot und Gelb – jetzt nicht.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Da geht es nicht um mögen, sondern um Sinn oder Unsinn!)

Aber das ist die richtige Linie, die wir hier vertreten. Ich danke an dieser Stelle noch einmal unserem Boris Palmer. Der Dank der Finanzpolitik geht an einen engagierten und fulminanten Verkehrspolitiker, der nicht müde wurde,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ist das schon eine Verabschiedung?)

auf die verkehrspolitischen und finanzpolitischen Schieflagen dieses Projekts hinzuweisen. Ich kann Sie nur auffordern, in dieser Frage endlich zur Vernunft zu kommen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Stefan Schef- fold CDU: Wird der jetzt weggelobt?)

Fünfter Punkt: soziale Nachhaltigkeit. Ein Schlüsselthema für junge Familien, für ihre Beteiligung am Erwerbsleben und ihre soziale Situation ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da stehen wir bei den Kindern unter drei Jahren weiterhin bei einem Betreuungsangebot von 8,9 %. Alle Expertinnen und Experten halten eine Betreuungsquote von 20 bis 25 % für erforderlich. Warum erreichen wir das nicht in absehbarer Zeit? Weil die Landesregierung weiterhin am Landeserziehungsgeld mit jährlich 75 Millionen € festhält,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: 80!)

das längst nicht mehr den Kern des Themas trifft und jetzt mit der Einführung des Elterngelds durch den Bund schon gar nicht mehr passt.

(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Birgit Arnold und Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Dies ist wieder eine ideologische Blockade, die dazu führt, dass Sie die knappen Mittel nicht richtig und nicht zukunftsgemäß einsetzen.

Noch ein Satz zu den Kindergartengebühren. Herr Mappus, Sie haben wohl vergessen, dass Sie dasselbe, was Sie der SPD vorgeworfen haben, auf Ihrem Dresdner Parteitag beschlossen haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Aber die waren doch alle in der Lobby! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Anstand und andere Sachen auch! – Zuruf der Abg. Marianne Wonnay SPD – Gegenrufe von der CDU, u. a. des Abg. Stefan Mappus)

In Stuttgart gehen 95 % der Kinder im letzten Kindergartenjahr in den Kindergarten.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig!)

Diejenigen, die sich das nicht leisten können, z. B. HartzIV-Empfänger, sind ohnehin von den Gebühren befreit.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Befreit! – Abg. Stefan Mappus CDU: Exakt! Ganz genau!)

Jetzt muss ich doch fragen: Der Rest sind zum großen Teil Leute, die ihre Kinder bewusst nicht dorthin schicken wollen und selbst auf irgendeine Art betreuen. Bei der anderen Hälfte dieser 5 % kann man sicher durch Maßnahmen noch erreichen, dass sie ihre Kinder in den Kindergarten bringen.

Ich weiß nicht, was dieses Versprechen bei dieser Haushaltslage soll.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wir wollen es doch gar nicht!)

Sie haben es doch auf Ihrem Parteitag beschlossen.