bei den Gerichten, in den Strafvollzugsanstalten, auf allen Ebenen der Justiz, die bei knappen Haushaltsmitteln und zunehmender Belastung
(Beifall bei der SPD und der CDU sowie Abgeord- neten der FDP/DVP und der Grünen – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: An ihrer Spitze der Justizminis ter!)
Die Situation ist nicht so rosig, wie Sie sie dargestellt haben. Ich frage mich schon: Was ist in diesem Land eigentlich los, wenn die Sozialrichter in der Weise Alarm schlagen, wie es in den letzten Wochen geschehen ist?
Herr Dr. Noll, jetzt hören Sie einmal zu, und dann reden wir weiter. Wir sind gespannt, wie nachher Ihre Vorschläge zur Lösung der Probleme, die in diesem Land anstehen, aussehen.
Die Staatsanwaltschaften sind überlastet. Der Generalstaatsanwalt im OLG-Bezirk Stuttgart hat sich entsprechend geäußert. Die Staatsanwaltschaften ersticken in Verfahren. Was ist los in diesem Land?
Wir konzedieren Ihnen, dass Sie sich Mühe gegeben haben, weitere Personaleinsparungen zu verhindern.
Insofern schließe ich Sie in das vorhin ausgesprochene Lob ausdrücklich ein, damit auch Herr Noll zufrieden ist.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Eben! Jetzt geht’s los! – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: „4 bis 5“ ist ja kein Lob!)
Ich möchte nämlich auf die Baustellen eingehen, die wir haben. Sie haben aufgezeigt, dass Sie neue Wege gehen müssen – natürlich, dafür ist das Thema Privatisierung ein Stichwort; ich komme darauf noch zurück. Wir haben viele Baustellen. Umso wichtiger ist es, einen guten Bauleiter zu haben, und den haben wir nicht.
Wir haben halbfertige Baustellen, wir haben stillgelegte Baustellen, und wir haben erhebliche Baumängel.
Vielleicht im Einzelnen dazu. Baustelle 1: die badischen Notariate. Die Privatisierung der Notariate in Baden ist bisher fehlgeschlagen.
Die 25 Stellen sind von nahezu 200 Konkurrentenklagen begleitet. Die Entlastung, die man sich versprochen hatte, ist bisher nicht eingetreten.
Gleichzeitig schwächt man das noch vorhandene staatliche Notariat, indem man es personell ausdünnt. Wo bleibt da der Service für den Bürger? Insgesamt ist das eine Verschlechterung – ein schlechter Bau.
Die württembergischen Notariate stehen auch vor einer Umstrukturierung. Sie wird kommen, ist seit Langem angekündigt. Wir warten darauf. Die Bediensteten sind unsicher und fragen sich: Wie geht es weiter? Was passiert mit ihren erworbenen Versorgungsansprüchen? Wie werden die Zuständigkeiten im Einzelnen geregelt? Welche Aufgaben gehen auf die Rechtspfleger über?
Fragen über Fragen. Auf die Antworten warten wir seit Langem. Sie haben sie schon lange angekündigt, und ich bin gespannt, was für einen Zeitplan Sie nachher vorstellen werden.
Wir sind uns, glaube ich, einig, dass das bestehende Gerichtsvollzieherwesen in seiner Struktur sicher verändert werden wird. Die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens – ich sage jetzt einmal sehr pauschal: Privatisierung – ist für uns kein guter Weg. Ob es schließlich eine Beleihung sein wird, wird man sehen. Wir meinen, die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers gehört zu einem Kern hoheitlicher Tätigkeit, der in staatlicher Hand bleiben muss.
Wir alle wissen, dass hierfür der Bund zuständig wäre und dass – das wissen wir seit dem Triberger Symposium, Herr Minister – durchaus von namhaften Verfassungsrechtlern gerade verfassungsrechtliche Bedenken geäußert werden, wenn es um die Privatisierung in diesem Bereich geht.
Dabei lassen wir als SPD-Fraktion uns natürlich nicht pauschal in die Ecke der Privatisierungsgegner stellen.
Herr Dr. Noll, es gab von Ihnen sogar Vorschläge zur Privatisierung, die mit unseren identisch waren. Aber Sie haben sie in Ihrer Koalition bisher nicht durchsetzen können. Das ist der entscheidende Punkt.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Weiter dranbleiben! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Das klappt auch zukünftig nicht!)
Gut. Ich wünsche Ihnen viel Glück. – Wir haben durchaus eine differenzierte Haltung zur Privatisierung. Das gilt auch für mich persönlich. Ich sehe natürlich die vielfältigen Möglichkeiten einer Privatisierung, für die man dann auch – je nach dem Feld, auf dem man die Reformen angeht – entsprechend tätig werden kann.
Ein Punkt bei der Privatisierung macht uns natürlich besondere Sorge. Das ist die Privatisierung des Betriebs von Haftanstalten.
Mit dem Neubau der Justizvollzugsanstalt Offenburg wurde begonnen. Die neue Anstalt in Offenburg muss kommen. Das ist ganz klar, weil wir mehr Haftplätze brauchen, schon um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Unterbringung von Häftlingen gerecht zu werden, damit es in diesem Bereich keine weiteren Schadenersatzklagen gegen das Land gibt.
Wir haben aber Bedenken an der Nahtstelle zwischen den unkritischen Bereichen im Strafvollzug und den Bereichen, in denen Sicherheitsbelange entscheidend beeinträchtigt sind. Den Weg, dort die Privatisierung zu riskieren, können wir nicht mitgehen.
Für uns hat die Sicherheit in diesem Bereich absoluten Vorrang. Wir gehen mit diesem Sicherheitsthema, das die Bediens teten, die in diesen Haftanstalten arbeiten, sowie die Bürger elementar betrifft, auch nicht leichtfertig um.
Natürlich wissen auch wir, dass wir, wenn wir das Thema Privatisierung angehen, neue Wege gehen müssen. Aber gestatten Sie mir gleichwohl, Herr Minister, den Hinweis: Das Ganze läuft ja bei Ihnen auch unter dem Thema „schlanker Staat“. Das, was der Staat an Aufgaben erledigen muss, soll er auch erfüllen; andere Aufgaben soll er abgeben.
Wir stehen zu einem starken Staat. Und wenn Sie, Herr Dr. Wetzel und Herr Dr. Noll, gerade den Kopf schütteln, möchte ich sagen:
Wenn ich mich an das erinnere, was Ihr Kollege Theurer ges tern gesagt hat – wenn da von „staatlicher Schnüffelei“ die Rede ist, wenn es um polizeiliche Präventivarbeit etwa im Bereich von Bankkonten oder Steuergeldern, die verschoben werden, geht –, dann muss ich mich schon ernsthaft fragen, welches Staatsverständnis Sie eigentlich haben.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Das habe ich nicht gesagt!)
Beim Themenkomplex Privatisierung stellt sich natürlich auch die Frage: Wie bewerten wir die Privatisierung der Bewährungshilfe? Wir waren, was die Übertragung angeht, anderer Auffassung. Das Thema ist abgehakt. Die Privatisierung ist erfolgt.
Wir haben uns immer vorgestellt, dass man die Pilotversuche vorher auswertet. Das ist leider nicht geschehen. Jetzt haben Sie NEUSTART mit ins Boot genommen und dieser Gesellschaft die Bewährungshilfe übertragen. Sie haben in den letzten Wochen des vergangenen Jahres am Parlament vorbei, ohne das Parlament einzuschalten, Gelder für diese Privatisierung zur Verfügung gestellt. Sie hätten die Möglichkeit ge habt, für die Mittelbereitstellung einen verfassungskonformen Weg zu wählen. Ich glaube, der Herr Finanzminister hat das genauso gesehen. Weil Sie das nicht gemacht haben, haben Sie uns gezwungen, vor den Staatsgerichtshof zu ziehen, um diese Frage klären zu lassen.