Protokoll der Sitzung vom 14.02.2007

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Deswegen lautet unser klares Bekenntnis: Wir wollen vom Ladenschluss zur Ladenöffnung kommen.

Nun wird bei diesem Thema mit Blick auf die Konsequenzen der Föderalismusreform eigentlich schon zum ersten Mal deutlich, wie die verschiedenen Parteien aufgrund der neuen Kompetenzen zu reagieren gedenken. Wir haben dafür gekämpft, mehr Kompetenzen zu erhalten. Wie werden diese von der SPD genutzt? Sie sagt: „Wir nutzen diese Kompetenzen in der Weise, dass wir genau das fortführen, was der Bund für alle Länder vorgeschrieben hatte.“

(Abg. Reinhold Gall SPD: Was sich bewährt hat, muss man trotz Föderalismus nicht ändern! Födera- lismus zwingt doch nicht zu Änderungen!)

Das ist nicht unser Verständnis von Föderalismus.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Bei den Grünen finde ich das Ganze noch gelungener. Denn die Grünen sagen: „Auch wir bleiben bei der bisherigen, bewährten Regelung des Bundes und führen noch eine zusätzliche Regelung ein.“ Selbstverständlich kann es vor Ort dazu kommen, dass man sich miteinander auf Kernöffnungszeiten einigt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das wird kom- men!)

Das stellen Sie zusätzlich noch unter einen bürokratischen Vorbehalt. Danach muss wieder der Gemeinderat – die politische Ebene – bestimmen.

(Zurufe der Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Franz Untersteller GRÜNE)

Wenn wir eine zusätzliche Regulierung einführen, dann wünsche ich uns viel Vergnügen bei weiteren Debatten über Deregulierung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Also Föderalismus, Deregulierung – völlig unglaubwürdig, wie Sie das diskutieren.

In Ihren Reden werden die typischen Schlagworte benutzt. Herr Hausmann, es war ja schön, wie Sie versucht haben, durch Vorlesen dieses Briefes etwas zu suggerieren. Das wird übrigens von mir nicht geteilt. Vielmehr ist das in einer Verhandlung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber ein Vorschlag seitens des Arbeitgebers, der, wie ich hoffe –

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Auf der Grundlage dessen, was Sie vorschlagen!)

Sie als Gewerkschafter vertrauen, denke ich, einigermaßen der Macht Ihrer Organisation und Ihrer Mitglieder –, entsprechend behandelt wird.

Allein schon mit dem kleinen Touch, dass Sie von Öffnungszeiten von 8 bis 22 Uhr sprechen und das Schlagwort „rund um die Uhr offen“ benutzen, suggerieren Sie, dass jeder Ladenbesitzer sein Geschäft rund um die Uhr offenhalten müsse und die Angestellten in diesen Geschäften rund um die Uhr arbeiten müssten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Am Stück!)

Noch einmal: Es geht nicht darum, dem Ladeninhaber vorzuschreiben, was er zu tun hat, sondern darum, ihm die Freiheit zu geben, verantwortlich zu entscheiden, welche Öffnungszeiten er zusammen mit seinen Beschäftigten den Verbraucherinnen und Verbrauchern anbieten will, und damit letztendlich die Abstimmung mit den Füßen zuzulassen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Nor- bert Zeller SPD: Die Leidtragenden sind die kleinen Geschäfte!)

Sie haben die Arbeitnehmerrechte angesprochen. Es ist schon mehrfach gesagt worden: Die Arbeitnehmerrechte sind insbesondere durch tarifvertragliche Regelungen, bei denen die Gewerkschaften selbstverständlich das Recht haben müssen, die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Auge

zu behalten und durchzusetzen, geschützt. Das Ladenschlussgesetz ist kein Arbeitnehmerschutzgesetz, sondern ein bisher gegen die Verbraucher gerichtetes Schutzgesetz.

(Beifall bei der FDP/DVP – Oh-Rufe von der SPD – Abg. Norbert Zeller SPD: Ach was! – Abg. Rudolf Hausmann SPD: So ein Schmarren! Das ist ja fürch- terlich!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Gesellschaft und die Arbeitswelt haben sich verändert. Auch Sie als Gewerkschafter müssten wissen, dass im produzierenden Gewerbe, teilweise auch um die Produktion am Laufen zu halten usw., sehr wohl sogar sonntags gearbeitet wird, und das mit der Zustimmung der Gewerkschaften. Umso mehr muss man, wenn man Dienstleistung anbietet – und Handel ist Dienstleistung –, und ein Stück weit auch, wenn man sich für einen Beruf im Dienstleistungsgewerbe entschließt – sei es als Eigentümer und Selbstständiger, sei es als Mitarbeiter –, den Dienst dann zu leisten bereit sein, wenn der Kunde ihn haben will. Da ist es doch völlig abwegig, zu behaupten, wir würden damit den Arbeitnehmerschutz in irgendeiner Form gefährden.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Dann werden nachts um 22 Uhr Frauen alleine sitzen! – Gegenruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das wird doch kein Arbeitgeber zulassen!)

Nächste Bemerkung: Es wird immer behauptet, gerade die kleinen Geschäfte würden darunter leiden.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Genau so ist es!)

Die Erfahrungen in den Ländern, in denen die Öffnungszeiten freigegeben wurden, zeigen doch – im „Focus“ ist dies nachzulesen –: Gerade die großen Ketten nutzen diese Möglichkeit eher weniger bis gar nicht, weil sie natürlich auch sehr stark auf die Arbeitnehmervertretung angewiesen sind und weil sie, wenn sie lange Öffnungszeiten haben, einen hohen Personalbestand vorhalten müssen. Was ist denn daran so schlimm, wenn dann der einzelne kleine, personengeführte oder auch der mittlere Betrieb hier Nischen für sich auftut?

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Das glauben Sie selbst nicht, was Sie sagen! – Abg. Ute Vogt SPD: Sie ha- ben doch auch Familie!)

Er muss nicht länger öffnen, aber er hat die Chance dazu.

Zum Thema Umsatz: Natürlich ist das verfügbare Einkommen begrenzt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wegen der Steuerer- höhung!)

Aber jetzt müssen Sie doch auch einmal sehen, dass immer mehr Geld der Verbraucher über ganz andere Wege zum Einkaufen genutzt wird: über das Internet, über eBay, über den Versandhandel. Davon ein Stück wieder zum Einzelhandel zurückzuholen, das ist doch letztendlich das Ziel.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Einen Salatkopf kann ich nicht im Internet kaufen! So ein Blöd- sinn!)

Das nächste Thema, das immer wieder angesprochen wird: Familienfreundlichkeit.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum machen Sie Ih- re Praxis eigentlich nicht bis 22 Uhr auf?)

Jetzt sage ich Ihnen schon einmal: Für Familien – ich habe Familie, ich habe Enkel – ist doch das Vorhaben,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum machen Sie Ih- re Praxis nicht bis 22 Uhr auf, wenn das so toll ist?)

dass man die Einkaufsmöglichkeiten etwas entzerrt und damit auch einen gemeinsamen Einkauf möglich macht, ein Zugewinn an Familienfreundlichkeit.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP und Karl Zimmermann CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Genau das Gegenteil wird eintreten!)

Damit komme ich zu den Themen „Verkaufsoffener Sonntag“ und „Schutz der Ortskerne“. Wir wissen alle: Der Ortskern ist immer völlig leer, wenn die Geschäfte geschlossen haben, und er ist rappelvoll, wenn z. B. ein verkaufsoffener Sonntag oder Late-Night-Shopping stattfindet.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Rudolf Hausmann SPD)

Also nutzen die Menschen doch genau diese Möglichkeiten. Sie stimmen mit den Füßen ab.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Der Kommentar von Herrn Isenberg ist heute schon mehrfach erwähnt worden. Das ist ein wunderbarer Kommentar. Da steht am Schluss: „Der ängstliche Start muss bald vergessen sein.“

(Abg. Reinhold Gall SPD: Lesen Sie doch einmal den Artikel vor! Der ist viel interessanter!)

Da wurde übrigens Frau Hagmann völlig missinterpretiert. Ich hatte vorhin noch die Gelegenheit, mit ihr zu sprechen. Sie ist – ich sage das für die, die das nicht wissen – die Hauptgeschäftsführerin des Einzelhandelsverbands. Natürlich weist sie darauf hin, dass die Einzelhändler zu Recht versuchen müssen, sich bezüglich einheitlicher Öffnungszeiten gemeinsam zu organisieren, aber nicht unter dem Motto „Wir wollen da weiterhin den gesetzlichen Zwang haben“. Ganz im Gegenteil: Der Einzelhandelsverband ist nach wie vor an unserer Seite und sagt: „Gebt uns da mehr Gestaltungsfreiheit!“

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Das heißt nicht, dass wir das alles völlig ausdehnen werden. Daher zeugt es von Ängstlichkeit, gleich am Start zu behaupten, jetzt werde es zu total unterschiedlichen Öffnungszeiten usw. kommen. Selbstverständlich wird es eine Test- und Modellphase geben, in der die Einzelhändler dann auch in Erfahrung bringen werden, wie die Kunden die neuen Öffnungszeiten annehmen. Ist es denn wirklich so schlimm,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Für die Sozialdemo- kraten schon!)

wenn man an der einen oder anderen Stelle auch einmal etwas ausprobieren muss, um danach der Abstimmung mit den Füßen zu entsprechen? Wer sein Geschäft vernünftig führt, wird sich diesen Argumenten nicht verschließen können und wollen; davon gehen wir aus.