Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 23. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Herrn Abg. Dr. Bullinger erteilt.

Krank gemeldet ist Herr Abg. Jägel.

Meine Damen und Herren, heute hat Herr Minister Rech Geburtstag. Ich gratuliere Ihnen, Herr Minister Rech, sehr herzlich im Namen des ganzen Hauses.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vervielfältigt auf Ihren Tischen vor. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch, damit ist es so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung der Landesregierung vom 16. März 2007 – Gesetz zu dem

Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland; hier: Berichte des SWR und des ZDF über die Finanz-, Haushalts- und Personalkostenentwicklung in den Jahren 2005 bis 2008 – Drucksache 14/1070

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Mitteilung der Landesregierung vom 20. März 2007 – Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) ; hier: Berichtigte Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2007 – Drucksache 14/1066

Überweisung an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft und federführend an den Finanzausschuss

3. Mitteilung des Finanzministeriums vom 20. März 2007 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Be- schlüsse des Landtags vom 15. März 1973, DS 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, DS 6/3910 Ziff. II Nr. 6); Bericht für das Jahr 2006 – Drucksache 14/1068

Kenntnisnahme, keine Ausschussüberweisung

4. Mitteilung des Rechnungshofs vom 27. März 2007 – Beratende Äußerung zur Wirtschaftlichkeit des Projekts NSI in der Landesverwaltung – Drucksache 14/1084

Überweisung an den Finanzausschuss

5. Mitteilung der Landesregierung vom 2. April 2007 – Bericht der Landesregierung von Baden-Württemberg über entwicklungspolitische Maßnahmen in den Jahren 2001 bis 2005 – Drucksache 14/1119

Überweisung an den Wirtschaftsausschuss

6. Antrag der Landesregierung vom 3. April 2007 – Zugehörigkeit von

Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksache 14/1120

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

7. Mitteilung der Landesregierung vom 10. April 2007 – Information

über Verwaltungsabkommensentwürfe; hier: Entwurf eines Verwaltungsabkommens über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim Aufbau und Betrieb eines bundesweit einheitlichen digitalen Sprech- und Datenfunksystems für alle Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in der Bundesrepublik Deutschland – Drucksache 14/1137

Überweisung an den Innenausschuss und federführend an den Finanzausschuss

Außerdem möchte ich bekannt geben, dass die Fraktion der SPD darum gebeten hat, Punkt 8 der Tagesordnung – Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/672, Privatisierung der Deutschen Flugsicherung – abzusetzen. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind.

Meine Damen und Herren, in etwa zwei Stunden jährt sich zum 55. Mal der legendäre Moment, an dem die Gründung des Landes Baden-Württemberg vollzogen wurde. Mit anderen Worten: Unser Land hat heute Geburtstag; es wird 55 Jahre alt.

(Beifall bei allen Fraktionen und auf der Regierungs- bank)

Das ist wie bei uns Menschen ein markantes Datum, und deshalb möchte ich Sie in der Mittagspause zu einem Umtrunk einladen, bei dem wir auf fünfeinhalb gelungene Dekaden des Landes Baden-Württemberg anstoßen können. Ich möchte meine bereits ausgesprochene Einladung damit bekräftigen.

Ein nettes Bonmot lautet: Geburtstage sind das Echo der Zeit. Daran angelehnt darf man sagen, dass uns das Jahr 2007 eine ganze Melodie landeshistorisch und staatspolitisch bemerkenswerter Wohllaute schenkt.

Vor 60 Jahren – genau am 19. und am 31. Mai 1947 – traten die Verfassungen der einstigen Länder Baden bzw. Württem

(Präsident Peter Straub)

berg-Hohenzollern in Kraft, und kurz darauf – am 29. Mai und am 3. Juni 1947 – tagten in Freiburg und in Bebenhausen die Landtage der beiden Nachkriegsländer zum ersten Mal.

Von den Daten des ereignisreichen Jahres 1952 verdienen neben dem 25. April drei weitere Erwähnung: die Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung am 9. März, die konsti tuierende Sitzung der Verfassunggebenden Landesversammlung am 25. März und die Aufhebung der Landtage und der Regierungen der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern durch das Überleitungsgesetz am 17. Mai.

Der älteste Ton im Akkord der geschichtsträchtigen Termine ist der 16. November. Am 16. November 1457 fand sich in Leonberg der erste quellenmäßig exakt zu belegende Landtag für die Grafschaft Württemberg-Urach zusammen. Einer unserer Eckpfeiler reicht also 550 Jahre zurück. Wir erkennen: Geschichte heißt Geschehenes und Geschichtetes. Im notwendigen Pragmatismus unseres Alltags darf das Empfinden nicht verkümmern, dass wir einerseits auf dem Erbe unserer Vorfahren stehen und dass unser Tun andererseits als Basis für die Generationen nach uns taugen muss.

Durch das Einberufen dieses frühen württembergischen Landtags versuchte Graf Ulrich V., im politisch total zersplitterten Raum zwischen Main und Bodensee ein Stück innere Einheit zu schaffen und so im überregionalen Kräftespiel größeren Einfluss zu gewinnen.

550 Jahre württembergischer Landtag und 55 Jahre BadenWürttemberg, dieser numerische Zufall veranschaulicht das lange Bemühen des deutschen Südwestens, sich bestmöglich zu formieren und eine gemeinsame Identität zu entfalten.

Die Abgeordneten des württembergischen Ur-Landtags waren nicht demokratisch gewählt, sondern gewissermaßen Delegierte. Trotzdem leitete der 16. November 1457 eine epochale Wende ein. Der gräfliche Landesherr musste versprechen, künftig „mit Rat von Ritterschaft, Prälaten und Landschaft“ zu regieren, und der Landschaft sogar Anteil an der vormundschaftlichen Regierung über den noch minderjährigen Grafen Eberhard (den späteren ersten Herzog seit 1495) einräumen. Der Samen für einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat war ausgebracht, und die Saat keimte.

Das robuste Staatsbewusstsein der Bürger und Bauern bildete eine Konstante in sämtlichen Fährnissen der folgenden Jahrhunderte; denken wir nur an den Tübinger Vertrag von 1514, der schon prägnante Grundrechte als eine Art „Magna Charta“ für alle statuierte und immerhin 300 Jahre überdauerte. Im Erbvergleich von 1770 zwischen Herzog Carl Eugen und den Landständen, einem weiteren Landesgrundgesetz Altwürt tembergs, wurden der Landschaft die alten Rechte in einer umfassenden Kodifikation aufs Neue feierlich verbrieft.

Was ein ausgeprägtes Bürgerbewusstsein zu bewegen vermag, offenbarte sich exemplarisch im Badischen: Baden bekam 1818 die liberalste Verfassung und 1831 die liberalste Gemeindeordnung in Deutschland. Baden wählte 1849 das erste wirklich demokratische Parlament Deutschlands. Und 1919 führte Baden vor allen anderen deutschen Ländern das Frauenwahlrecht ein.

Das Nachkriegsland Baden begriff sich als Treuhänder der imponierenden badischen Verfassungstradition und des damit verbundenen gesellschaftlichen Fortschritts.

Die Repräsentanten Badens dachten von unten nach oben. Sie fragten, welche Strukturen das Wohl des Einzelnen im nationalen und im europäischen Rahmen am besten gewährleisten würden. Und sie sahen in einer engagiert praktizierten Subsidiarität die passende Antwort auf das Massenzeitalter.

Die Streiter für ein selbstständiges Baden schätzten die Potenziale eines Südweststaats falsch ein. Ihre Motive entsprangen aber jener geistigen Quelle, aus der wir heute unsere ordnungspolitischen Überzeugungen schöpfen.

Meine Damen und Herren, sich eine Verfassung zu geben ist der fundamentalste Akt kollektiver Selbstbestimmung. Das galt speziell nach dem Ende der Nazidespotie. In Südbaden und ebenso in Württemberg-Hohenzollern wurden mit Leidenschaft und Entschiedenheit wegweisende und wehrhafte Verfassungen erarbeitet.

Württemberg-Hohenzollern erklärte sich in seiner Verfassung zum „freien Volksstaat“ und zugleich zum Glied der deutschen Bundesrepublik. Württemberg-Hohenzollern war einer der notwendigen Transformatoren für jenes Verfassungsverständnis, das in unserem Grundgesetz zum Wesenskern des freiheitlichen, föderalen Rechts- und Sozialstaats geworden ist.

Ja, Geburtstage sind das Echo der Zeit. Seit Jahrzehnten hören wir Baden-Württemberger am 25. April vor allem eines: dass die Gründung des Landes 1952 ein kluger und fruchtbarer Entschluss gewesen ist. Uns glückte, was andernorts versandete. Wir können vorbehaltlos dafür werben, das „Modell deutscher Möglichkeiten“ nachzuahmen.

Das Erreichte darf uns wahrlich freuen, zumal das sorgsame Einebnen des Stadt-Land-Gefälles in einer Bilanz ganz oben steht. Die intensive Auseinandersetzung über den Südweststaat bewirkte ein feines Gespür für eine substanziell ausgewogene Landesentwicklung: Chancengleichheit wurde hergestellt, ohne die kulturelle Vielfalt auszuwaschen. Diese Sensibilität müssen wir bewahren mit Blick auf die strukturpolitischen Herausforderungen, die uns der demografische Wandel aufzwingt.

Vor 55 Jahren hatte Baden-Württemberg 9 Millionen Einwohner; heute sind es etwa 11 Millionen. Diese Zuwanderung spiegelt den ökonomischen Erfolg wider. Angesichts der Globalisierung ist dieser Erfolg auch eine besondere Verpflichtung: Er verpflichtet, ambitioniert zu investieren in Bildung und Betreuung, in Forschung und in Wissenstransfer.

Leistungswille, Qualitätsstreben, Technikfreundlichkeit – unsere traditionellen Stärken sind erwiesenermaßen Trümpfe im weltumspannenden Wettbewerb. Wuchern wir mit diesen Pfunden! Dann bleibt die Zukunft unsere Freundin.

Auch politisch! Die Globalisierung nagt zwar am Primat der Politik, weil sie die klassischen Grenzen relativiert. Doch Globalisierung bedeutet nicht zuletzt auch Konkurrenz der Standorte. Und bei Investitionsentscheidungen werden das Funktionieren der Institutionen und die Güte des staatlichen Handelns zunehmend wieder mit ihrem wahren Wert gewichtet.

(Präsident Peter Straub)

Lassen Sie uns deshalb hier im Landtag weiterhin kompetent und passioniert beraten, wie Baden-Württemberg die Chancen des 21. Jahrhunderts optimal nutzen kann.