Protokoll der Sitzung vom 23.05.2007

Obwohl Herr Dr. Kühner recht hat und die Luft insgesamt wirklich besser geworden ist, ist die Belastung an Stickoxiden und partikelförmigen Luftschadstoffen nach wie vor extrem hoch. Ein wesentlicher Verursacher der Luftbelastung ist dabei der Straßenverkehr, auch wenn der Schadstoffausstoß von Pkws und Lkws in der Vergangenheit deutlich verringert wurde. So liegen insbesondere an schlecht durchlüfteten Straßenzügen mit hohem Verkehrsaufkommen die Werte für Stickstoffoxide und PM10, wie erwähnt, in einem gesundheitsgefährdenden Bereich.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Die EU-Rahmenrichtlinie 96/62/EG und die Tochterrichtlinie 1999/30/EG geben für diese Schadstoffe strenge Grenzwerte vor. In Ballungsräumen, wo diese überschritten werden, sind im Rahmen von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen Maßnahmen festzulegen, die zu einer wirklichen Verbesserung der Luftqualität führen.

Das Umweltministerium hat damit begonnen und plant weitere Maßnahmen. Das begrüßen wir sehr. Wir sind aber auch der Meinung, dass man da noch viel mehr tun muss. Auch wenn in Stuttgart, Leonberg und Ilsfeld z. B. die Müllabfuhr außerhalb der Hauptverkehrszeiten durchgeführt wird, bleiben die genutzten Fahrzeuge große Umweltverschmutzer. Wir planen und reden über Fahrverbote, aber die Lkws, die zur Straßenreinigung und zur Müllentsorgung genutzt werden, sind noch längst nicht alle umweltfreundlich umgerüstet. Das sollte – wie es wenigstens im Anfangsstadium für den Fuhrpark der Landesregierung geschehen ist – auch dort passieren.

Angesichts der Tatsache, dass immerhin etwa 40 % der Feinstaubemissionen durch „des Deutschen liebstes Kind“ verursacht werden, nämlich durch Autos und Straßenverkehr, ist klar, dass man ohne schmerzliche Einschnitte und Anstrengungen keine Erfolge in diesem Sektor erzielen wird.

Es ist schade, dass es nicht schon zum 1. Juli 2007 zur Einrichtung von Fahrverboten für stark emittierende Fahrzeuge kommen wird, sondern erst viele Monate später – und dies, obwohl die gesetzlichen Grundlagen, wenn auch spät, vorhanden waren und die Menschen, wie sich erwiesen hat und wie auch beim vorherigen Tagesordnungspunkt schon bestätigt wurde, viel Einsicht zeigen und viele bereits die notwendigen Pkw-Plaketten beschafft haben.

Pauschale und zeitlich begrenzte Ausnahmen und Sonderregelungen, z. B. für Oldtimer oder Firmenfahrzeuge, die sich nicht nachrüsten lassen, hätten die Kommunen erlassen können. Dies ist mehr eine Ausrede als ein Grund für die Verschiebung. Die Schuld gar auf den Bundesumweltminister zu schieben, war auch nur ein durchsichtiges Schwarzer-Peter-Spiel,

(Beifall bei der SPD)

um von der eigenen Zögerlichkeit abzulenken.

(Abg. Thomas Knapp SPD: So sind sie halt, die Schwarzen! – Heiterkeit bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Die Auswertung der Feinstaubdaten für das Jahr 2006 zeigt, dass die Belastung der Bevölkerung mit gesundheitsschädlichen Feinstäuben – wie schon im Jahr 2005 – viel zu hoch ist. Bei 100 der insgesamt ca. 450 Messstationen in Deutschland lag die Feinstaubkonzentration im vergangenen Jahr an weit mehr als 35 Tagen über dem zulässigen Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Stuttgart z. B. überschreitet – wie andere Großstädte auch – diesen Wert sehr deutlich.

Dass erhöhte Feinstaubwerte krank machen, dass sie bei Kindern akute Mittelohrentzündungen auslösen, dass sogar ungeborene Kinder im Mutterleib irreparable Schäden davontragen können, dass Menschen verstärkt an Asthma leiden – all das ist bekannt. Warum reagieren wir dann so zögerlich und viel zu langsam?

(Beifall bei der SPD)

Dieselruß, Hausbrand, Landwirtschaft, Waldbrände, Eisenbahnen, Vulkanausbrüche, Seesalz durch Gischt, Erosion von Steinen, Flugzeuge, Schiffe, Industriefeuerung – alles Emittenten und unterschiedliche Ursachen! Aber alles ist eben auch gesundheitsschädlich und damit auch umweltunverträglich.

(Zuruf von der CDU: Für die Vulkane können wir nichts, Frau Kollegin!)

Was tun wir dagegen, und was tut die Landesregierung? Sie hat eine umfangreiche Antwort mit vielen Aufzählungen verfasst. Das ist sehr hilfreich, und deshalb danke schön dafür. Aber das allein kann ja wohl nicht reichen.

Richtig ist wohl, dass es bisher nur begrenzte toxikologische Risikoabschätzungen gibt. Allerdings ist gesichert, dass sich die Zahl der Asthmatiker um ein Vielfaches erhöht hat und dadurch zusätzlich ein gesellschaftlicher Schaden aufgetreten ist. Sie weisen selbst in Ihrer Antwort auf die umfangreiche Studie der American Cancer Society hin, die das relative Sterblichkeitsrisiko um durchschnittlich 4 bis 6 % erhöht sieht.

Die Möglichkeiten bei Hausbrand und energetischen Modernisierungen der Gebäude, bei denen der Energieverbrauch und dadurch natürlich auch die Belastung für die Umwelt um ca. 80 % vermindert werden kann, sind – das ist jedenfalls mein Eindruck – noch nicht allen Menschen wirklich bekannt. Der Umstand, dass immerhin 9 % der Feinstaubbelastungen aus Hausbrand stammen und dass diese im Zug der eigentlich wünschenswerten Verbreitung von Holzheizungen zurzeit zunehmen, zeigt uns, dass wir um eine beherzte Novellierung der 1. Bundes-Immissionsschutzverordnung nicht herumkommen werden.

Ich möchte der Umweltministerin ausdrücklich dafür danken, dass sie in diesem Punkt die Haltung des Bundesumweltministers teilt und stützt. Erst eine zeitgemäße Emissionsbegrenzung und -kontrolle auch der Holzbeheizung macht das Heizen mit Holz auch in Zukunft sicher.

(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Knapp SPD: Ja- wohl!)

Die Fragestellung der FDP/DVP ist wohl übertragbar – so denke ich – auf fast alle Gebiete im gesamten Bundesgebiet. Die Antwort des Umweltministeriums hört sich sehr schlüssig an. Warten wir ab, ob sich das dann in der Realität auch so umsetzen lassen wird.

Es dürfte sicher sein, dass die Luftreinhalte- und Aktionspläne, die nur für vier bzw. fünf Städte und Gemeinden von insgesamt 179 Orten erarbeitet worden sind, nicht ausreichen werden, um gesicherte Erkenntnisse zu erhalten. Da muss auf jeden Fall nachgebessert werden.

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Die Zeit wird es zeigen. Es ist nur zu hoffen, dass die Entscheidungsinstanz dann auch sofort und unmittelbar handelt. Ansonsten ist wohl der heutige Weltgedenktag extra für Sie gedacht. Heute ist nämlich Weltschildkrötentag – dicker Panzer und sehr langsam im Handeln.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Bernd Mur- schel GRÜNE)

Zusammenfassend muss testiert werden: Diese Landesregierung nimmt unsere Umwelt und die damit verbundenen Probleme nicht wirklich ernst. Das ist schon eindeutig am Volumen des Haushalts zu erkennen, das sie dem Umweltministerium einräumt. Es ist eine Schande, dass sie von 30 Milliarden € im Haushalt ganze 17 Millionen € für Klimaschutz und Luftreinhaltung ausgibt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Thomas Knapp SPD: Da würden wir der Mi- nisterin den Rücken stärken! – Glocke der Präsiden- tin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger?

Ich beende erst einmal meine Ausführungen, dann gern.

Bitte sehr. Sie haben weiter das Wort.

Es ist völlig unverständlich, dass Sie vor diesem Hintergrund das erfolgreiche Programm zur Markteinführung der Geothermie als Hausbeheizung nach nur zwei Jahren wieder gestrichen haben. Jedenfalls bedeutet die Einfügung in das Programm „Klimaschutz-Plus“ ohne gleichzeitige Anhebung des Mittelansatzes faktisch eine Streichung.

Sie sollten sich viel mehr Gedanken machen über die vielen Tausend Toten durch Luftbelastung, die jährlich in der EU zu

beklagen sind, über die Stürme und Hochwasserereignisse – siehe Bonn gestern; man braucht gar nicht so weit zurückzublicken – sowie Trockenperioden, die uns schon in naher Zukunft zu schaffen machen werden, und die sozialen Verwerfungen, die der Klimawandel weltweit nach sich ziehen wird. Es wird dann mehr Klimaflüchtlinge geben als Wirtschaftsflüchtlinge heute. Stattdessen ängstigen Sie sich mit geschmäcklerischen Einstellungen des vorletzten Jahrhunderts vor der Verspargelung und Verspiegelung der Landschaft durch Windkraftanlagen und Fotovoltaik. Anstatt diese Zukunftsenergien endlich beherzt zu fördern, bremsen Sie sie aus, wo es nur geht.

Mit gutem Umweltschutz sind auch viele Arbeitsplätze zu schaffen. Auch dass Baden-Württemberg dabei eine Vorreiterrolle übernehmen könnte, scheint noch nicht wirklich Einzug in die Gedanken der Regierung gehalten zu haben.

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wenn wir nicht alle viel zu lange in diesem Dornröschenschlaf gelegen hätten, wären wir auch jetzt nicht in diesem bedauernswerten Zustand. Wir sollten nicht versuchen, die drohende Katastrophe zu verniedlichen. Meine Damen und Herren, es ist nicht kurz vor zwölf, wie die Kanzlerin sagte, sondern es ist längst weit nach zwölf. Wir selbst machen diese Erde kaputt – irreparabel und gründlich – und vergessen dabei: Wir haben keine andere.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abg. Dr. Bullinger, Sie haben das Wort für eine Nachfrage.

Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass die Fläche von Baden-Württemberg zu fast 40 % aus Wald besteht, dass durch diesen nachwachsenden, umweltfreundlichen und CO2-neutralen Rohstoff Holz ein riesiges Energiepotenzial vorhanden ist und dass die Schadstoffwerte beim Einsatz von Holz durch die moderne Technik bei Scheitholzöfen, beim Einsatz von Pellets und auch bei anderen Verbrennungstechniken heute eigentlich weit unter den Werten liegen, die im Referentenentwurf zu dieser Novellierung gefordert werden? Man sollte die Möglichkeiten dieser Zukunftstechnologie nicht durch „Gegenschießen“ kaputtreden.

Lieber Herr Kollege, Sie haben mich offensichtlich missverstanden. Ich „schieße nicht gegen“, sondern ich unterstütze, und ich will einfach nur mehr.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Dass es so ist, wie Sie es gerade dargestellt haben, das kann der Vorsitzende des zuständigen Arbeitskreises unserer Fraktion als Fachmann

(Abg. Thomas Knapp SPD: Bestätigen!)

bestätigen. Da haben Sie etwas falsch verstanden.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne gilt mein

besonderer Gruß einer Delegation des Schweizer Nationalrats und Ständerats. Begleitet wird die Parlamentarierdelegation von Herrn Generalkonsul Josef Renggli.

Die Schweizer Gäste führen anlässlich ihres Informationsbesuchs politische Gespräche im Landtag und mit Vertretern der Landesregierung.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz, ich heiße Sie im Landtag von Baden-Württemberg sehr herzlich willkommen und wünsche Ihnen weiterhin einen angenehmen und informativen Aufenthalt in unserem Land.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort erteile ich nun Herrn Abg. Ehret für die Fraktion der FDP/DVP.