Protokoll der Sitzung vom 27.06.2007

Meine Damen und Herren, ich finde, man sollte dies eben auch üben. Denn es ist wichtig, eigene Erfahrungen weiterzugeben. Ich sage immer: Die Erfahrenen sollen den Unerfahrenen ihre positiven Erfahrungen weitergeben,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut!)

damit diese ihre Erfahrungen mehren und schneller eigene Erfahrungen sammeln können.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wie im Parlament!)

So einfach ist das.

Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass dieses begleitete Fahren auch in Baden-Württemberg in Bälde eingeführt werden sollte. Herr Verkehrsminister, ich glaube, wir sind uns einig, dass das spätestens zum 1. Januar 2008 auch hier in Baden-Württemberg erfolgreich praktiziert werden soll.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verkehrssicherheit ist ein ständig aktuelles Thema, und Verkehrssicherheit erschöpft sich nicht in dem Thema „Begleitetes Fahren mit 17“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu diesem Thema wird in der zweiten Runde meine Kollegin Nicole Razavi Stellung nehmen. Lassen Sie mich zunächst mit einem ganz aktuellen Thema der Verkehrssicherheit beginnen, nämlich mit den Omnibusunfällen.

Ich habe mir zu diesem Thema die Zahlen über Verkehrsunfälle mit Omnibussen aus dem Jahr 2006 in Baden-Württemberg besorgt. Es waren immerhin 1 417 Unfälle, an denen Omnibusse beteiligt gewesen sind, und zwar Linienomnibusse mit einem Anteil von 53 %. Bei diesen Unfällen sind zwei Tote, 33 Schwer- und 459 Leichtverletzte zu beklagen. Wenn ich diese Toten- und Verletztenzahlen mit den Zahlen anderer Verkehrsmittel vergleiche, dann stelle ich fest, dass der Bus immer noch das sicherste Reiseverkehrsmittel bleibt, das es gibt.

Meine Damen und Herren, die Entwicklung bei der aktiven Sicherheit eines Fahrzeugs ist natürlich nie zu Ende. Die schweren Busunfälle betreffen vor allem Unfälle mit Lkws. Bei den Lkws beklagen wir allzu oft, dass Unfallursache leider die Ermüdung der Fahrer ist. Deswegen führt kein Weg daran vorbei, dass wir bei dem Interessenkonflikt zwischen Wirtschaft und Sicherheit hinter einer Verschärfung der begrenzten Lenkzeiten stehen müssen und nicht nur immer im Interesse der Wirtschaft entscheiden dürfen.

Hinsichtlich der aktiven Sicherheit, Herr Verkehrsminister, sollten wir die Industrie und die Wissenschaft ermuntern, dafür zu sorgen, dass durch elektronische Maßnahmen ab einer gewissen Distanz, bei der der Fahrer nicht bremst, ein automatisches Bremsen bei Bussen und Lkws einsetzt. Ich finde, das wäre ein weiterer qualitativer Schritt hin zu mehr Sicherheit, vor allem bei den großen und schweren Fahrzeugen auf der Straße.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Lassen Sie mich bitte noch ein zweites Thema ansprechen. Mein Vorredner hat Unfallzahlen genannt. Ich möchte mich auf die Zahl der Verkehrstoten beschränken. Wir hatten im Jahr 2006 in Baden-Württemberg 681 Verkehrstote gegenüber 633 Verkehrstoten im Jahr 2005. Warum betone ich das so

sehr? Weil wir uns an die Verkehrstoten im Straßenverkehr leider Gottes allzu sehr gewöhnt haben.

Stellen Sie sich einmal vor, in irgendeinem anderen Lebensverhältnis, für das wir als Politiker auch zuständig sind, gäbe es jedes Jahr mehr als 600 Tote. Was hätten wir da für einen Aufstand im Land! Deswegen muss von hier ein Appell ausgehen, dass wir uns nie und nimmer mit der Zahl der Verkehrstoten zufriedengeben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der Grünen und der FDP/DVP)

Das auszusprechen ist die eine Seite, aber daraus Konsequenzen zu ziehen ist die andere Seite. Ich will ein Reizthema nennen. Dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung im Hinblick auf die Sicherheit ohne Weiteres etwas bringt, kann niemand bezweifeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen)

Allerdings debattieren wir über dieses Thema immer nur aus Umweltschutzgründen und nie unter Sicherheitsaspekten.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Doch!)

Ich bin der Meinung, dass wir in der Diskussion schon weiter wären, wenn wir den Sicherheitsaspekt mehr als den Umweltaspekt betonen würden.

Was beobachten wir denn? Wir beobachten einen Interessenkonflikt zwischen der Leichtigkeit des Verkehrs auf der einen Seite und Maßnahmen zur Verminderung der Folgen von Verkehrsunfällen auf der anderen Seite. Ohne mit der Wimper zu zucken, entscheiden wir diesen Interessenkonflikt ständig zugunsten der Leichtigkeit des Verkehrs und nicht zugunsten einer Einschränkung der Unfallzahlen.

Deswegen geht von dieser Debatte mein Appell an uns alle aus – wir können das Ganze auch nicht im Land regeln –: Wir sollten uns nie und nimmer an die Zahl der Verkehrstoten gewöhnen und sollten alles – vor allem mehr als bisher – unternehmen, um diese Zahl drastisch zu senken.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD, der Grünen und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Haller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einem halben Jahr haben wir über dieses Thema diskutiert. Heute tun wir es wieder. Wir haben jedes Mal Anlass zur Sorge – jeweils aufgrund aktueller, noch schlimmerer Nachrichten. Das heißt, es läuft etwas schief in dieser Republik.

Was schiefläuft, ist zum Teil bereits angesprochen worden: Es kommt zu Busunglücken mit verheerenden Folgen, es kommt zu Lkw-Unfällen. Ende Mai 2007 hat das Statistische Landesamt Statistiken für das Land vorgestellt. Ich zitiere daraus:

Insgesamt ereigneten sich... über 40 000 Unfälle mit Personenschäden. In jeder Stunde wurden in Baden

Württemberg sechs Personen im Straßenverkehr verletzt.

Weiter sagen die Statistiker:

Die Zahl der tödlich Verletzten ist... gestiegen, d. h. sie hat um knapp 8 % gegenüber 2005 zugenommen. Die Zahl der Verkehrstoten ist erstmals seit 2002 wieder gestiegen. Fast täglich verloren zwei Menschen ihr Leben im Straßenverkehr...

Da kann man dem Kollegen Scheuermann nur zustimmen: Das ist nicht hinzunehmen, zumal durch keine Statistik erfassbar ist, welches Leid, welche Schicksale hinter diesen Zahlen stehen. Angesichts solcher Entwicklungen verbietet sich deshalb jegliche Selbstzufriedenheit, auch wenn dahinter eine steigende Motorisierung und steigende Kilometerleistungen stehen.

Unfallursachen sind vielschichtiger Art. Fast immer liegt individuelles Fehlverhalten vor. Hauptursache bei tödlichen Unfällen war mit Abstand die nicht angepasste Geschwindigkeit. Auch Alkoholkonsum ist eine häufige Unfallursache. Weit überdurchschnittlich hoch ist die Unfallgefahr und die Zahl der verursachten Unfälle bei 18- bis 24-Jährigen. Ich zitiere noch einmal – das betrifft meinen Wahlkreis –:

Fahranfänger verursacht Tragödie – Im Überholverbot in den Gegenverkehr gekracht – Drei Tote

Das sind Wochenendbilanzen, die jeder aus seinem Wahlkreis kennt.

Die Frage lautet nun: Was ist zu tun? Eines ist klar: Prävention, ja. Aber, Herr Bullinger, wenn Sie sagen: „wenig Kontrolle, viel Disziplin“, dann sage ich Ihnen eines: Sie erreichen keine Disziplin ohne Kontrolle und ohne Sanktion.

(Beifall bei der SPD)

Diese „kuschelpädagogische“ Position, wonach der erhobene Zeigefinger irgendeine Veränderung herbeiführen würde, kann in Einzelfällen der Realität entsprechen. Das wird aber nicht der Regelfall sein.

(Abg. Ingo Rust SPD: Sehr richtig!)

Es ist eine Erfahrung im Straßenverkehr: Nur durch sanktionsbewehrte Maßnahmen des Staates, deren Einhaltung auch kontrolliert wird – das ist unser Credo –, und nicht durch den moralischen Zeigefinger erreiche ich mehr Disziplin.

(Beifall bei der SPD)

Dafür gibt es auch Beispiele. Denken Sie einmal an den Sicherheitsgurt, der vor 15, 20 Jahren eingeführt wurde. Erst als eine Anschnallpflicht eingeführt wurde, hat es mit dem Anlegen des Sicherheitsgurts funktioniert. So könnte man reihenweise Beispiele aufführen. Ich verweise nur etwa auf die Helmpflicht bei Motorradfahrern.

Wir vertreten folgende Position: Prävention muss natürlich sein. Ich komme vielleicht nachher oder morgen auf das Thema „Begleitetes Fahren“ zu sprechen. Wir fordern aber auch ganz klar Sanktionen, und wir sagen: Sowohl beim Automo

bilbau als auch beim Straßenbau – bei den Landesstraßen besteht im Land eine desaströse Situation – brauchen wir Verbesserungen. Es sei nochmals daran erinnert, was das Statis tische Landesamt schreibt. Ich zitiere sinngemäß: Eine überproportionale Häufung von tödlichen Unfällen ereignet sich auf Straßen außerhalb von Ortschaften, ohne Autobahn.

Das sind, meine Damen und Herren, teilweise Bundesstraßen, aber in gleich hohem Maße Landesstraßen. Darauf gehe ich in der zweiten Runde nochmals ein.

Vielen Dank fürs Erste.