Protokoll der Sitzung vom 28.06.2007

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hat Eisenbahnausbau nichts mit Klimaschutz zu tun?)

Das hat Ihnen jemand in Ihre Regierungserklärung hineingeschrieben, aber Sie haben es nicht wirklich auf Ihrer Agenda, und es folgt daraus nichts.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Eine Klimaverbes- serung erreichen Sie bei dieser Rede auch nicht! – Vereinzelt Heiterkeit)

Zweites Thema: Wir wissen, dass eine Kernaufgabe des Lan des die Bildung ist. Bei dieser Kernaufgabe geht es in der Tat um fundamentale Werte.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, klar!)

Erstens müssen wir jedes Kind individuell fördern, sodass die Begabungen, die es hat, maximal entfaltet werden können.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Das ist der erste Wert und die erste Aufgabe von Politik.

Zweitens dürfen die Chancen, die ein Kind hat, nicht davon abhängig sein, aus welchem Elternhaus dieses Kind stammt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, richtig!)

Tatsache aber ist: In Baden-Württemberg wird Bildung vererbt. Über Bildungschancen entscheidet die soziale Herkunft. Das ist das große Manko unseres Bildungssystems, und das ist ein Skandal.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das, Herr Ministerpräsident, ist nun einmal Kernbereich der Landespolitik. Es ist eine Kernaufgabe Ihrer Richtlinienkompetenz, dafür zu sorgen, dass wir ein Schulsystem organisieren, das diesen Werten entspricht und diese Werte einlöst.

(Abg. Ursula Lazarus CDU: Einheitsschule!)

Davon abgesehen hängen auch die wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven in diesem Land ganz entscheidend davon ab, welche Bildungschancen unsere jungen Leute haben. Wie die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts aussieht, hängt ganz entscheidend davon ab, ob wir jedes Kind mitnehmen und ob jedes Kind seine Chancen nutzen und die Anlagen entfalten kann, die in ihm stecken. Das ist auch für die Wirtschaft das Entscheidende.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dazu muss man heute – nach PISA und allen diesbezüglichen Diskussionen bis hin zur Initiative der oberschwäbischen Schulleiter – fragen: Sind die Strukturen, die wir haben, die richtigen, um diese Ziele tatsächlich zu erreichen und um ein leistungsgerechtes Schulsystem Schritt für Schritt von unten nach oben aufzubauen? Das sehen wir durch das dreigliedrige Schulsystem nicht gegeben. Es gibt in der Fachwelt niemanden mehr, der dieses System überhaupt präferiert.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist doch Quatsch! – Abg. Christa Vossschulte CDU: Das stimmt über- haupt nicht! – Abg. Volker Schebesta CDU: Darüber reden wir heute Nachmittag noch einmal!)

Die Beispiele anderer Länder zeigen, dass das kein Weg ist, der tatsächlich noch optimierbar wäre. Schulen, wie wir sie hier im Land in großer Zahl haben – z. B. Waldorfschulen und andere Gemeinschaftsschulen –, zeigen, dass es anders gut geht. Die Eltern stimmen mit den Füßen ab, und die Hauptschulen sind in einer veritablen Krise.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt reden Sie doch nicht unsere Hauptschulen schlecht! – Gegen- ruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Das sind die nackten Zahlen!)

Mindestens 300 Hauptschulen sind überhaupt nicht mehr zu halten, und in den kommenden Jahren werden weitere 300 nicht mehr zu halten sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Unglaublich! – Abg. Stefan Mappus CDU: Was Sie machen, ist un- verantwortlich! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Worin besteht der Erfolg der Waldorfschulen? – Ge- genruf des Abg. Stefan Mappus CDU: Das will ich auch einmal wissen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Ministerpräsident, wir brauchen uns jetzt nicht darüber zu bekabbeln, wer wohin geht. Es liegt mir fern, Ihre Besuche bei der Bevölkerung zu kritisieren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es recht! – Unruhe bei der CDU)

Das fände ich albern und lächerlich. Ich gehe genauso auf Heckenbeerenfeste wie andere auch –

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Er ist besser gewor- den!)

im Rahmen meiner Möglichkeiten und mit Blick auf die Aufgaben, die ich darüber hinaus noch habe. Denn auch meine Zeit ist begrenzt. Aber ich vermute, Sie haben noch weniger Zeit als ich. Darüber zu streiten wäre albern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie setzen halt an- dere Schwerpunkte! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wir können nichts dafür, wenn Sie nicht ein- geladen werden!)

Ich hake das jetzt einmal als lustigen Teil der Debatte ab. Entscheidend ist etwas anderes: Gehen Sie auch dorthin, wo es brennt?

(Zuruf von der CDU: Beispiel!)

Führen Sie den Dialog auch mit den inzwischen 350 Schulleitern,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Mit den Haupt- schulrektoren!)

die das Schulsystem, das Sie jahrzehntelang präferiert haben, aufgrund der aktuellen Entwicklungen, die wir haben, infrage stellen? Führen Sie auch mit denen einen Dialog?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das diskutieren wir doch jede Woche!)

Haben Sie die spontan eingeladen und gesagt: „Ich höre mir jetzt einmal drei Stunden lang an, was ihr mir zu sagen habt, und dann bilde ich mir gemeinsam mit meinen Fachleuten und den Ministerien ein weiteres Urteil“? Nichts! Solche Leute werden auf das Regierungspräsidium geschickt. Darum geht es.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da gehören sie auch hin!)

Natürlich gehe auch ich gerne auf Veranstaltungen, bei denen die Leute nett zu mir sind, auch die Schwarzen. Aber ich gehe auch dorthin, wo mir das Blei um die Ohren fliegt, und darauf kommt es an.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Da haben Sie kein Alleinstellungsmerkmal!)

Sie müssen das Land regieren. Ich glaube, hier geht es um viel. Hier geht es um die Zukunft unserer Kinder. Hier geht es um die Frage: Sind die bestehenden Schulformen auf der Grundlage des dreigliedrigen Schulsystems noch reformierbar, oder müssen wir einen Systemwechsel haben hin zu integrativen Modellen? Letzteres fordern jetzt sehr viele, auch Ihre eigene Basis. Vor dem Hintergrund, dass die CDU sich in ihrer Schulpolitik immer auf die Schulleiter gestützt hat – bis das unter Frau Schavan ziemlich nachgelassen hat –, kann ich gar nicht verstehen, warum sie diesen Dialog nicht offensiv führt. Sie sollten den Dialog auch mit den Bürgermeistern Ihrer eigenen Partei führen, die bei Ihnen auf der Matte stehen und andere Modelle haben wollen, als wir sie jetzt haben. Es geht darum, dass Sie sich auch Zeit nehmen, um mit denen einen ernsthaften Dialog zu führen. Nur das ist Inhalt meiner Kritik mit dem Wort „Heckenbeerenfest“ gewesen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Aber Sie igeln sich ein. Ihr Kultusminister igelt sich total ein.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Den sieht man schon gar nicht mehr! Der wird immer kleiner!)

Das Einzige, was Sie tun, ist, aufgrund des allgemeinen Geldregens noch einmal 25 Millionen € in die Hauptschulen zu stecken. Aber Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie der beste Reparateur werden, oder wollen Sie hier ein Schulsys tem für die Zukunft gestalten? Das ist die Frage, um die es geht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Natürlich ist ein solcher Umbau von unten nach oben, der ja mindestens zehn Jahre dauert, ein anstrengender Weg mit vielen Widerständen. Das ist etwas schwieriger, als nur zu versuchen, das bestehende System aufrechtzuerhalten, indem Sie noch einmal Geld hineinstecken, wie Sie es jetzt tun – wobei einzelne Maßnahmen wie die Assistenzlehrer ja an sich völlig richtig sind.

(Zurufe von der CDU: Also!)

Aber einen solchen Umbau zur Basisschule brauchen wir, um das zu gewährleisten, was allgemein als Grundparadigma für unsere Schulpolitik gelten muss: individuelle Förderung. Das zeigen uns alle auf dem Gebiet des Schulwesens erfolgreichen Länder.

(Abg. Karl Zimmermann und Abg. Dr. Stefan Schef- fold CDU: Das machen wir doch! – Gegenruf der Abg. Katrin Altpeter SPD: Wo denn? – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Überall!)

Da Sie in diesen Kernfeldern nicht wirklich präsent sind, sondern mit Petitessen aufwarten wie dem Thema Schuluniform –

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Haben Sie etwas dagegen?)

das sind sozusagen Ihre Kommentare zu dieser ganzen Diskussion –, flüchten Sie einfach – das ist das, was die CDU kennzeichnet und was natürlich Ausfluss ihrer Wirtschaftsfreundlichkeit ist – in irgendwelche Großprojekte wie Stutt gart 21.