Protokoll der Sitzung vom 25.07.2007

Ich möchte noch etwas zum Alternativprojekt sagen; denn der Herr Ministerpräsident hat dieses Thema vorhin auch angesprochen. Wir haben uns die Alternativen natürlich schon angesehen. Wir stellen immer wieder fest, dass die Leute immer kräftig klatschen, wenn man sagt: Der Hauptbahnhof muss erhalten bleiben. Da hört es dann aber schon auf. Niemand fragt: Wie komme ich denn vom Hauptbahnhof zur Anschlussstrecke nach Wendlingen?

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Genau!)

Das ist die zentrale Frage. Immer, wenn man darüber diskutiert hat, auch hier im Landtag, haben diejenigen, die für den Hauptbahnhof waren, ganz schlecht ausgesehen.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Es geht ja nicht nur um die Strecke nach Esslingen/Wendlingen. Von der Fraktion GRÜNE gab es einen Alternativvorschlag, über den wir auch schon diskutiert haben, nämlich den, im Bereich Mettingen herauszugehen, auf Stelzen über die Gemüsefelder zu gehen und dann in die Berge hineinzugehen und oben mit einer Schleife zum Flughafen herauszukommen. Das würde schätzungsweise 2,4 Milliarden € kosten.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Toller Vorschlag!)

Ich sage noch einmal: Diese Planung ist nicht menschenfreundlich, und umweltfreundlich ist sie schon gar nicht.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP)

Insofern kam diese Trasse für uns nicht infrage, wohl aber die andere. Da muss man graben, da muss man untertunneln. Aber wenn man in einem solchen Verdichtungsraum Schienen legt, muss man sich schon überlegen, was man macht. Deswegen halten wir diese Trasse, diesen Bahnhof, den Weiterbau bis Wendlingen für umweltfreundlicher, aber auch für menschengerechter als alle Alternativen, die im Raum stehen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

Das will ich noch einmal deutlich sagen.

Kopfzerbrechen allerdings – ich muss das sagen – macht uns vor allem die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm mit einem Landeszuschuss von 950 Millionen €.

Darüber haben wir gestern – ich räume das ein – auch in der Fraktion erheblich diskutiert.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Denn wir vertreten nach wie vor eine andere Auffassung, Herr Ministerpräsident. Wir sind nach wie vor der Meinung, eine Vorfinanzierung zu einem Zinssatz von 4,0 %, den die Europäische Investitionsbank für zehn Jahre anbietet – wir hätten ja 16 Jahre vorfinanziert –, hätte zu dem von Herrn Teufel genannten Betrag von 560 bis 580 Millionen € geführt und nicht zu den 950 Millionen €.

Nun kann man natürlich darüber reden, dem Bund tatsächlich einen Zuschuss zu geben und nicht Zinszahlungen an die Banken zu leisten. Aber dann sollte es sich bei dem Zuschuss doch um den Betrag handeln, den wir an Zinsen hätten zahlen müssen – wenn man die föderale Ordnung schon durcheinanderbringt. Wir sind ja immer der Auffassung: Wir zahlen viel in den Länderfinanzausgleich. Jetzt machen wir, muss ich sagen, auch noch einen Finanzausgleich in Richtung Bund. Das ist höchstgradig gefährlich. Wenn man das schon macht, muss man dafür etwas bekommen. Dies sehen wir als nicht gegeben an, was die Strecke Wendlingen–Ulm betrifft. Denn wenn man schon die Hälfte der Kosten der Neubaustrecke trägt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann hätte der Bund auch bei den Verhandlungen, Herr Ministerpräsident, zumindest sagen müssen: Die TEN-Mittel werden auch aufgeteilt. Denn jetzt finanzieren wir ja mit. Wir sind nicht nur Vorfinanzier, sondern wir sind am Bau finanziell beteiligt. Wenn 400 Millionen € oder 200 Millionen € an TEN-Mitteln für die Neubaustrecke bereitgestellt werden

(Zuruf des Ministerpräsidenten Günther Oettinger)

oder 200 Millionen €, Herr Ministerpräsident – – Wenn Sie diese Mittel berücksichtigen, ergibt sich, dass das Land Baden-Württemberg 950 Millionen € zahlt, während der Bund nur noch 850 Millionen € für eine Strecke im Wert von 2 Milliarden € zahlt.

(Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Ja natürlich. Ich habe doch gerade gesagt: Bundespolitiker stellen sich auch hin und lassen sich dafür feiern, dass sie das so gut hinbekommen haben. Wir sind hier aber im Landtag von Baden-Württemberg.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es!)

Wir sind jetzt natürlich nicht konkret in den Verhandlungen drin gewesen. Das habe ich vorhin gesagt. Für uns sind 950 Millionen € ein Riesenbrocken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Das gilt insbesondere dann, wenn man andere Felder sieht, auf denen wir natürlich auch tätig werden müssen. Deswegen komme ich nachher noch einmal auf unseren Entschließungsantrag zurück. Die Leute sagen nicht nur: „Stuttgart 21 wird gebaut, aber unsere Schienenverkehre funktionieren nicht richtig.“ Die Leute verbinden das Ganze auch mit Bildung, mit Lehrerbedarf. Mit alldem wird das verbunden. Sie sind doch auch draußen und hören das. Deswegen ist uns das auch so schwergefallen. Wir stehen dazu. Aber uns wäre es lieber gewesen – ich sage es noch einmal –, wir hätten die Vorfinanzierung gemacht und weniger Geld für die Neubaustrecke zu

gesagt. Wenn wir das Geld schon „reinbuttern“, hätten wir einen Anteil an den TEN-Mitteln erhalten müssen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Denn das ist für uns nicht klar und ist auch richtig unfair. Das muss ich einmal deutlich sagen. Wenn man sich mit 50 % an den Kosten beteiligt und die EU einen Zuschuss gibt, dann müssen zumindest 50 % dieses Zuschusses auch beim Land ankommen. Das ist das Mindeste, was wir erwartet hätten; das ist doch klar.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Stefan Map- pus CDU)

Herr Mappus, Sie werden nachher doch nichts anderes sagen. Das ist das Mindeste, was man erwarten muss.

Im Übrigen glaube ich auch, dass es ganz schwierig ist, wenn das Land im föderalen System eine solche Geschichte mit einem Zuschuss goutiert. Das muss eine einmalige Geschichte sein. Aber, wie gesagt, wenn man es macht, dann nicht in dieser Höhe.

Der zweite Bereich – Stuttgart 21 – liegt im Rahmen. Das muss man sagen. Wenn das Land diese 635 Millionen € aus BSchwAG-Mitteln, GVFG-Mitteln und Regionalisierungsmitteln finanziert – da gab es früher ja einmal eine Auflistung –, dann kann man sagen: Wir nehmen aus den Regionalisierungsmitteln – wenn man 700 Millionen € steigend vom Bund bekommt – gerade 2,3 % pro Jahr für Stuttgart 21. Das kann, glaube ich, dieser Regionalisierungsfonds vertragen. Das muss man immer wieder sagen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Danke!)

Das Geld für Stuttgart 21 kann das Land nicht für etwas anderes verwenden.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es!)

Ich sage das auch, weil auch bei der Fernsehdiskussion ständig auf Lehrer, Betreuer, Ganztagsplätze verwiesen wurde. Die BSchwAG-Mittel, GVFG-Mittel und Regionalisierungsmittel kann man alle für diese Aufgaben nicht verwenden. Das muss man einfach sagen. Diese Behauptung ist unwahr. Das stimmt nicht.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP)

Wenn schon, dann kann man die Mittel bei der Neubaustrecke nehmen. Das sind echte Landesmittel, aber nicht die Mittel in diesem Bereich.

Im Übrigen will ich auch etwas sagen zu dieser dauernden Behauptung den Bahnhof betreffend. Der Bahnhof kostet uns von 2,8 Milliarden € lediglich 300 Millionen €. Alles andere ist für die Neubaustrecke – zwei Gleise, 30 km –,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig! Zusammen 60 km!)

für den Filderbahnhof und andere Leistungen. Man muss aufhören, die Leute für dumm zu verkaufen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Zurufe: Bravo!)

Man kann da anderer Auffassung sein. Aber lassen Sie uns doch die zwei Modelle gegenüberstellen. Überall dort, wo ich auftrete und diskutiere, sagen die Leute zum Schluss: „Die Strecke durch das Neckartal wollen wir nicht. Da wollen wir keine Häuser abreißen. Wir wollen nicht übers freie Feld.“ Wenn ich einmal die Kosten anschaue, stelle ich fest: Das ist ja nirgendwo geplant. Wann kommt denn dann der Umbau? All das muss man sauber differenzieren. Dann sieht man, wer die Mehrheit bekommt. Aber man darf nicht behaupten, wir könnten keine Kindergärtnerinnen einstellen, weil wir Stuttgart 21 bauen – ich spreche nicht von Neubau. Das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von den Grünen)

Jetzt kommt die Vereinbarung. Da hatten wir ja drei Wünsche. Wir sind natürlich schon etwas irritiert gewesen durch das Interview, das Herr Finanzminister Stratthaus gegeben hat,

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

das für völlige Verwirrung gesorgt hat.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Jeder hat halt einmal einen Anfall von Ehrlichkeit!)

Er hat gesagt, die Regionalisierungsmittel des Bundes würden verstärkt für Stuttgart 21 ausgegeben. Das stimmt so nicht, auch nicht nach unserer Berechnung. Die Aussage, das Land werde in den nächsten zehn Jahren mit 650 Millionen € einen Großteil der Bundesmittel für den Bahnverkehr für Stutt gart 21 ausgeben, ist nach allen Berechnungen so auch nicht richtig. Wir sind froh, dass das berichtigt worden ist.

Deswegen haben wir auch Wert darauf gelegt, dass das unter Ziffer 6 des Entschließungsantrags nochmals expressis verbis aufgenommen wird. Denn es gibt in diesem Land natürlich Unruhe; das ist doch gar keine Frage.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Berechtigte!)

Deswegen wollen wir klarstellen, dass der Regionalverkehr nicht benachteiligt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.