Protokoll der Sitzung vom 25.07.2007

Um dann doch etwas stärker auf das Zeitbudget zu achten, möchte ich nur noch auf einen letzten Punkt eingehen. Wir haben heute Morgen ausführlich über das Thema Studiengebühren gesprochen. Ich bin dazu ganz deutlich der Meinung: Wenn wir in unserem Bundesland einen Zustand haben, bei dem die Studierenden 90 Millionen € mit in die Finanzierung der Hochschulen einbringen, dann müssen sie auch innerhalb der Hochschulen eine stärkere, demokratisch legitimierte Rolle spielen.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, meine Damen und Herren, gerade aufgrund dieser Studiengebühren und ihrer Verteilung an den Hochschulen werden wir eine Diskussion über die Wiedereinführung einer verfassten Studierendenschaft haben müssen. Das wäre ein wirklich demokratischer Beitrag zur demokratischen Kultur an diesen Hochschulen. Denn heute haben wir zwar ein paar Kreise, die zusammensitzen und über die Verteilung der Studiengebühren diskutieren. Demokratisch legitimiert ist das aber nicht. Wenn es am Schluss ein Problem gibt – das haben Sie ja heute Morgen auch ausgeführt –, hat der Rektor die Verantwortung. Das heißt, er kann im Prinzip machen, was er will. Wenn ihm etwas nicht passt, was zuvor entschieden wurde, hat er das letzte Wort. Das ist nicht demokratisch. Es wäre ein guter Stil und eine gute Gepflogenheit, an einer Hochschule eine politisch unabhängige Studierendenvertretung einzuführen, die ein politisches Mandat hat und sich nicht nur mit der Programmgestaltung von Filmabenden und Erstsemes terfesten beschäftigt.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Wir werden im Rahmen der Diskussion im Wissenschaftsausschuss einige Änderungsvorschläge einbringen. Ich hoffe sehr, dass wir dort nicht die üblichen Spielchen machen, dass sozusagen alles, was von der Opposition kommt, auch wenn es gute Vorschläge sind, gleich abgebügelt und bei der Abstimmung ab

gelehnt wird. Wir hoffen auf eine konstruktive Diskussion im Wissenschaftsausschuss und auf gemeinsame Änderungen an dem vorliegenden Gesetzentwurf.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit trotz der späten Stunde.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Bauer für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich wird Neuland betreten. Wir begrüßen, dass die Landesregierung das mutig anpackt. Mit dem, was angedacht ist, werden sich die inneren Strukturen der Hochschulen tief greifend verändern. Das gilt sowohl für die Hochschullehrer mit der Einführung der neuen Personalkategorien als auch für die Studierenden durch die Neuregelung des Hochschulzugangsrechts. Das ist das Erste, was festzuhalten ist: Dieser Gesetzentwurf ist gründlich zu beraten und gründlich zu bedenken. Mit einem Schnellschuss ist niemandem geholfen.

Ich möchte heute an dieser Stelle einfach drei Punkte herausgreifen, um die großen Linien zu ziehen. Den Rest werden wir dann vertieft im Wissenschaftsausschuss beraten können.

Der erste Punkt – Kollege Rivoir hat ihn auch schon angesprochen –: Aufgefallen ist uns natürlich auch, dass im Vergleich zum Referentenentwurf ein Aspekt im Kabinettsentwurf völlig entfallen ist. Bei dem Thema Gruppenuniversität wurde ein Rückzieher gemacht. Ursprünglich hatten Sie vorgesehen, dass man den Hochschulen die Freiheit gibt, neue Formen der Mitsprache und der Entscheidungsfindung zu erproben. Das Thema ist jetzt also ganz von der Tagesordnung genommen worden.

Ich vermute einmal, Auslöser dafür waren die überraschenden Reaktionen aus den Hochschulen und den Universitäten selbst. Erstens haben sie gesagt: „Wir wollen die Gruppenuniversität gar nicht infrage stellen“, und zweitens: „Bei dieser Gelegenheit wollen wir schon einmal anmelden, dass unsere Studierenden eine verlässlichere Mitsprache brauchen, und wir hätten gern die verfasste Studierendenschaft zurück“. Das kam bei den Rückmeldungen von mehreren Universitäten. Das hat mich sehr gefreut. Ich schätze, dass das beim Herrn Minister umgekehrt war: Wenn die Hochschulen solche Vorschläge machen, wird das Thema lieber ganz von der Tagesordnung genommen. Schade, das wäre ein gutes Signal gewesen. Wenn sich die Hochschulen auf den Weg machen, neue Dinge zu erproben, sollten sie auch die Freiheit erhalten, in diesem Bereich Vorschläge zu machen, die Ihnen nicht so in den Kram passen. Schade, dass Sie dieses Thema von der Tagesordnung genommen haben.

Der zweite Punkt ist das Thema „Neue Personalkategorien“. Im Grundsatz bringt unsere Fraktion GRÜNE große Sympathien für den Weg auf, der mit der Differenzierung der Personalkategorien eingeschlagen wurde. Wir haben von unserer Seite – ich möchte das nur noch einmal in Erinnerung rufen – vor einem Jahr mit dem Konzept „Offene Universität Ba

den-Württemberg“ ein Modell vorgelegt, das ähnliche Überlegungen enthält.

Wir sind der Auffassung, dass es sinnvoll ist, im Bereich der Personalkategorien zu differenzieren und in der Tat dem Teil der Lehre einen höheren Stellenwert zu verleihen. Wir befürworten in diesem Bereich mehr Flexibilität, wir befürworten auch die Grundüberlegung, sozusagen einen neuen Karrierepfad anzulegen, der an der Lehre orientiert ist.

Ich möchte da noch einmal herausarbeiten, dass es ein grundsätzlicher Unterschied ist, ob man sagt – wie Sie, Herr Minis ter, das in Ihrer Begründung gesagt haben –: „Wir machen das, weil wir die Lehre aufwerten wollen“, oder ob man wie Kollege Rivoir sagt: „Wir machen das, weil wir eine Notsituation an den Hochschulen haben. Für ein paar Jahre machen wir einmal ein Notprogramm, danach schaffen wir es am besten wieder ab.“ Davon sollte man lieber gleich die Finger lassen, weil das kein Qualitätsprogramm ist, sondern es wäre ein Programm zur Senkung der Standards für ein paar Jahre. So darf man das Pferd überhaupt nicht aufzäumen. Entweder wir machen einen Schritt zu mehr Qualität, zu einer neuen Hochschule, oder wir machen lieber gar nichts.

Die Stellungnahmen aus dem Anhörungsverfahren kennen Sie ausführlicher als wir von der Opposition: Es gibt viele Bedenken vonseiten der Hochschulen zu dem Thema „Neue Personalkategorien“. Ich finde, die Bedenken wurden zum großen Teil auch mit gutem Grund vorgetragen. Es lohnt sich, zu überlegen, wie man diesen Bedenken entgegenkommen und wie man sie entkräften kann.

Es gibt in der Tat Grund zur Sorge, dass mit dem neuen Karrierepfad, der ja die Lehre stärken soll, unter Umständen das Gegenteil bewirkt wird. Es gibt die Sorge, dass damit nicht ein gleichwertiger neuer Pfad oder eine gleichwertige neue Kategorie geschaffen wird, sondern so etwas wie Professuren unterschiedlicher Klassen und Wertigkeiten. Es gibt natürlich gute Gründe, zu sagen: Eine Forschungsprofessur bringt, wenn sie denn gut ist, einer Hochschule hohes Renommee, Drittmittel, Publikationen, zusätzliche Gelder, Reputation ein. Aber was ist eigentlich eine gute Lehrprofessur? Was ist ein guter Hochschuldozent? Woran machen wir das fest? Bringt das für eine Hochschule sozusagen zusätzlichen Profit? All das ist noch nicht gegeben. Deswegen ist die Sorge schon begründet, dass es sein könnte, dass wir sozusagen die billigen Personalkategorien für Lehre einerseits und die teuren Personalkategorien für Forschung andererseits bekommen – einerseits die, die der Hochschule wirklich etwas bringen, und andererseits die, die sich sozusagen ökonomisch weniger rechnen.

Man wird darauf achten müssen, dass es wirklich gelingt, die Durchlässigkeit, die ja im Gesetz steht, Praxis werden zu lassen. Den Erfolg wird man auch daran messen müssen, ob die neuen Personalkategorien mit Lehrschwerpunkt nicht überdurchschnittlich mit Frauen besetzt werden, während die Forschungsstellen überwiegend männlich besetzt bleiben. Das wird ein harter Indikator sein, an dem man am Ende die Gleich wertigkeit der neuen Personalkategorien messen kann.

Damit will ich es beim Thema Personalkategorien vorläufig belassen. Ich glaube, man kann daraus etwas Gutes machen. Es kann aber auch gut gemeint sein und am Ende das Gegenteil bewirken.

Zweites Thema: Auswahlverfahren, die Einführung von Aufnahmeprüfungen flächendeckend und verpflichtend und in diesem Zusammenhang als kleiner Beipunkt der neue Staatsvertrag, der die ZVS von einer sozusagen staatlichen Verteileinrichtung zu einer Serviceeinrichtung umbaut. Wir haben genau dies seit Jahren gefordert. Wir finden, die ZVS hat eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, indem sie berät und Informationen zusammenführt und nicht indem sie Studierende quasi zwangsmäßig verteilt. Das ist eine gute Entwicklung, und wir begrüßen das.

Wir würden uns auch gern über Auswahlverfahren an den Hochschulen freuen. Das können wir aber nicht. Im Gegenteil, wir halten dies für eine geradezu gefährliche Entwicklung, die im Moment in die Wege geleitet wird, und zwar nicht weil Auswahlverfahren grundsätzlich falsch wären. Wenn die Voraussetzungen gegeben wären, wären sie ein Instrument für mehr Wettbewerb und für mehr Qualität. Aber ich bin mir sicher, die Voraussetzungen sind nicht gegeben, und zwar wegen der Probleme, die wir auch heute Morgen diskutiert haben. Wir haben ein solches Ungleichgewicht zwischen der Nachfrage von Studierenden, also denen, die in die Hochschulen hineinwollen, und den angebotenen Studienplätzen, dass hier keine Wettbewerbssituation gegeben ist. De facto können sich die Studierenden ihre Hochschulen nicht aussuchen, sondern müssen das Glück haben, irgendwo einen der knappen Plätze zu ergattern. De facto können sich ganz einseitig nur die Hochschulen aussuchen, wen sie aufnehmen. Die Hochschulen übernehmen aber nicht die Gesamtverantwortung, wer und wie viele Studierwillige außen vor bleiben.

Deshalb ist es ein hochsensibles Grundrecht, das da berührt ist, nämlich das Grundrecht auf Bildung und auf freie Berufswahl, das wir mit den Aufnahmeprüfungen sozusagen an die Hochschulen delegieren. Ich finde, das ist nur dann legitim, wenn man all denen, die die allgemeine Studienzugangsberechtigung haben, eine ernsthafte Aussicht gibt, auch einen konkreten Studienplatz erhalten zu können. Aber da diese Voraussetzung nicht gegeben ist, ist dieses Instrument der Aufnahmeprüfung außerordentlich fragwürdig und brisant.

Ich bin auch durch den Brief der Landesrektorenkonferenz, der heute bei uns angekommen ist, alarmiert worden. Darin sagen die Hochschulrektoren noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir wollen nicht nur die Aufnahmeprüfungen – am bes ten möglichst billig und mit möglichst wenig Auflagen, möglichst wenig Vorgaben – machen, sondern wir wollen auch noch das Recht haben, nicht mehr alle Studienplätze besetzen zu müssen. Auch das verschärft noch einmal meine Argumentation. Ich mache mir Sorgen um diejenigen studienzugangsberechtigten Studierwilligen, die nicht mehr in die Hochschulen hineinkommen.

Zweitens sagen die Hochschulen in aller Deutlichkeit: Wenn ihr uns so viele Vorgaben und Auflagen bei der Auswahl macht, dann werden wir die Gebühren für diese Aufnahmeprüfungen deutlich in die Höhe setzen, wir werden die Prüfungen kostendeckend anbieten, und dann werdet ihr einmal sehen, was das die Studierenden kostet, die sich an mehreren Hochschulen bewerben. Ich finde, mit dieser offenen Drohung ist auch deutlich geworden, dass es hier um Zugangsgerechtigkeit geht. Wir haben damit nicht zu spielen.

Deswegen bitte ich darum, diese Fragen wirklich in aller Ruhe und Ausführlichkeit zu diskutieren. Ich beantrage, dass der Wissenschaftsausschuss dazu eine öffentliche Anhörung macht, in der diese Aspekte vertieft werden. Es geht um das Grundrecht auf Bildung, und es geht um juristisches und politisches Neuland, das wir auch bundesweit beschreiten. Da muss die Devise gelten: Nicht hudeln, sondern gründlich bedenken, was man da auf den Weg bringt.

Die wesentlichen Grundzüge des Gesetzes müssen durch den Landtag beschlossen werden. Der Entwurf sieht aber eine Reihe von Rechtsverordnungen vor, die die Landesregierung ermächtigen, die Details sowie die Kriterien, die angelegt werden, auszuformulieren. Ich meine, bei einer solch brisanten Grundrechtsfrage geht das nicht. Das Mindeste muss sein, dass solche Rechtsverordnungen durch den Landtag verabschiedet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Eine zweite notwendige Nachbesserung: Für einen solchen Paradigmenwechsel brauchen wir, wie Sie selbst auch gesagt haben, ein ausgearbeitetes Monitoring-System, mit dem wir die Entwicklung im Hochschulzugangsbereich beobachten und messen können, welche womöglich sozialen Verwerfungen, geschlechtsspezifischen Verwerfungen oder Verwerfungen in Bezug auf die internationale Zusammensetzung ein solches Zugangsverfahren hat. Ohne ein solches MonitoringSystem werde ich zusammen mit meiner Fraktion einem solchen Gesetz nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Bachmann das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben sich sicher auch schon gefragt, warum der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf den griffigen Titel „Erstes Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich“ trägt.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Nein, das haben wir uns noch nicht gefragt!)

Die Antwort erschließt sich nicht auf den ersten, wohl aber auf den zweiten Blick. Sie liegt nämlich in der sorgfältig gewählten Abkürzung EHFRUG. – Sie verstehen das immer noch nicht? Es liegt doch auf der Hand: Das Ministerium will uns mit diesem Titel deutlich machen, dass ein Ruck durch unsere Hochschulen gehen muss, und zwar nicht irgend- ein Ruck, nicht ein A-Ruck oder ein B-Ruck, sondern ein EHFRUG, ein Föderalismus-Ruck.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Ein Hauruck! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, Ruhe zu bewahren.

Baden-Württemberg ist, wie wir schon gehört haben, nicht nur das erste Land, das die Föderalismusreform im Hochschulbereich umsetzt; son

dern auch das erste Land, das seine Hochschulen dank der neuen Spielräume in die Lage versetzt, noch besser zu werden. Unsere Hochschulen haben bei der Exzellenzinitiative hervorragend abgeschnitten – und das, obwohl sie unter dem Joch des Bundesbildungsbürokratismus diese Topform ent wickeln mussten. Es begab sich einmal zu Zeiten des BastaKanzlers, dass eine Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn den Bundesbildungszentralismus sogar noch ausbauen wollte,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Und wenn sie nicht gestorben ist!)

obwohl internationale Vergleiche längst zeigen, dass es die Freiheit ist, die es den Universitäten ermöglicht, an die Welt spitze zu gelangen. Glauben Sie wirklich, dass sich Harvard, Yale, Stanford, Oxford, Cambridge oder die Nehru-Universität in Neu-Delhi unter der Regie von Einzelweisungen aus dem Hause Bulmahn hätten entwickeln können?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nein!)

Glauben Sie wirklich, dass Spitzenforscher den Masochismus aufgebracht hätten, Genossin Edelgard ihre Projekte zu erläutern? Glauben Sie immer noch an den Segen des Bundesbildungsbürokratismus?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nein!)

Wir können der Landesregierung – korrekter gesagt: allen Landesregierungen und ihren Wissenschaftsministern – dankbar sein,

(Abg. Alfred Winkler SPD: Was wollen denn Sie ei- gentlich? – Zuruf von der SPD: Zum Thema!)

dass sie dem Bund ein großes Stück Freiheit abgerungen haben,

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Glauben Sie immer noch an die Politik?)

eine neue Freiheit für Forschung und Lehre.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Besonders dankbar sind wir in diesem Zusammenhang Ihnen, lieber Herr Minister Professor Frankenberg. Sie haben daran ganz maßgeblichen Anteil. Herzlichen Dank!