Protokoll der Sitzung vom 25.07.2007

(Zurufe von den Grünen, u. a. der Abg. Dr. Gisela Splett und Bärbl Mielich)

Über die Kostenstruktur, meine Damen und Herren, sollten wir uns gerade in diesem Punkt auch einmal unterhalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE – Weitere Zurufe und Unruhe)

Wenn wir Baden-Württemberg 21 jemals realisiert haben wollen, dann war es richtig, jetzt zuzugreifen und die historische Chance zu nutzen. Ich sage es nochmals: Es ging um die Frage „Jetzt oder nie?“ Wenn wir unser Land als einen europäischen Spitzenstandort stärken wollen und wenn uns an einer nachhaltigen Entwicklung des Landes durch Investitionen in die Zukunft gelegen ist, dann ist unsere Politik für BadenWürttemberg 21 ohne Alternative. Deshalb, glaube ich, war der letzte Donnerstag ein großer Tag für Baden-Württemberg,

und deshalb ist auch der heutige Tag mit der hier gezeigten großen Einigkeit im Landtag von Baden-Württemberg auch für dieses Parlament ein guter Tag.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge- ordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Stuttgart 21 kommt das Land teuer zu stehen. Der 19. Juli 2007 war der teuerste Tag in der Geschichte Baden-Württembergs.

(Beifall bei den Grünen)

Knapp 1 Milliarde € sind fast die Hälfte der Kosten für die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm. Dabei handelt es sich ja nicht um einen Zuschuss, sondern um die tatsächliche Übernahme dieses Anteils. Gegenüber dem, was Ihr Amtsvorgänger angekündigt hat, nämlich lediglich eine Vorfinanzierung in Höhe von 500 Millionen €, bedeutet das, was Sie jetzt vorhaben, eine Verdoppelung der Beträge und die Umwandlung in einen Baukostenzuschuss.

Es geht um mindestens 1,2 Milliarden € Investitionsmittel und die Abdeckung von Kostenrisiken für Stuttgart 21, wobei die se Kostenrisiken natürlich keine Risiken sind. Bei den Erfahrungen, die wir mit solchen Projekten haben, weiß jeder, dass es zu diesen Kosten kommen wird. Das ist ja auch klar, wenn man das schon so konkret aufteilt: Zuerst bis 1 Milliarde €, danach macht man eine Aufteilung für den Fall, dass das nicht reicht, und sagt für den dritten Fall: Dann müssen wir noch einmal verhandeln. Da wird jedem klar: Das werden tatsächliche Kosten, und das sind keine Risiken.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Theresia Bauer GRÜ- NE: Das ist doch klar!)

Warum war es der teuerste Tag für Baden-Württemberg? Weil Sie, Herr Ministerpräsident Oettinger, den Kaufvertrag schon unterschrieben hatten, bevor der Betrag eingesetzt war.

(Beifall bei den Grünen)

Es war der teuerste Tag, weil Mehdorn und Tiefensee wussten: Sie brauchen dieses Projekt auf Teufel komm raus, und Sie werden jeden Preis zahlen, den sie verlangen. So konnten sie Sie am langen Seil herunterlassen – das haben sie auch gemacht –, und so kommt es zu diesen gigantischen Ausgaben, die wir jetzt vor uns haben.

(Beifall bei den Grünen)

Diese Ausgaben wären noch vor zwei Jahren völlig undenkbar gewesen. Das hätten Sie niemals machen können. Nur der Steuersegen, der jetzt über uns kommt, macht es überhaupt möglich, dass Sie mit solchen Beträgen vor die Leute treten können.

Jetzt haben Sie, Herr Mappus, noch einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem es etwas salomonisch heißt – wenn ich ihn finde –:

(Abg. Stefan Mappus CDU: Ich kann Ihnen helfen! Welche Passage suchen Sie denn?)

3. Der Landtag fordert den Bund und die Deutsche Bahn

AG auf, das bis an die Grenze der Belastbarkeit gehende finanzielle Engagement des Landes zu würdigen und im Zuge der Umsetzung keine weiteren Nachforderungen mehr zu stellen.

Was soll denn das heißen?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Genau das!)

Was ist da in der Luft?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nichts! – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Damit gar nicht erst jemand auf dumme Gedanken kommt!)

Sind da noch irgendwelche Nachforderungen in der Luft? Wenn das nicht der Fall ist und man sich auf dieses komische Eckpunktepapier oder Memorandum verlassen will, was soll dann diese Aussage? Was soll das dann?

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir wollen vorbauen! – Zuruf der Abg. There- sia Bauer GRÜNE)

Da ist doch Aufklärung nötig, was das heißen soll, wenn in diesem Entschließungsantrag steht, dass da nicht draufgesattelt werden soll. Denn schon der komische anglizistische Titel sagt ja: Man weiß gar nicht, was das ist. Ist das ein Vorvertrag? Ist das ein Vertrag? Wird da noch verhandelt? Was bedeutet das, was hier steht? Also liegen offensichtlich noch Nachforderungen in der Luft.

Diese gewaltigen Summen, die Sie hier jetzt einfach für ein Projekt ausgeben, das wir eigentlich gar nicht bezahlen müss ten, dessen Finanzierung Aufgabe der Bahn AG ist, können Sie im Prinzip gar nicht verantworten. Da muss ich jetzt den Finanzminister mit einer Aussage vom 17. Juli zitieren:

Wir wollen verhindern, dass unkontrolliert von allen Seiten neue Wünsche kommen. Denn die schlechten Haushaltssituationen werden immer in Zeiten der guten Haushalte verursacht. Und wir haben eine ganze Reihe von Haushaltsrisiken in den nächsten Jahren.

Was Sie jetzt machen, ist genau das, wovor Ihr eigener Finanzminister Sie warnt. Sie geben jetzt solche gigantischen Summen aus und tätigen praktisch Verpflichtungsermächtigungen für Jahre nach Ihnen. Die sieben Jahre, um die mit dem Bau der Neubaustrecke früher begonnen wird, als es die Bundesverkehrswegeplanung vorsieht, kosten fast 1 Milliarde €. Das wird dann noch begründet mit der Schnellfahrstrecke Frankfurt–Nürnberg–Ingolstadt–München. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Auch mit Stuttgart 21 und der Neubaustrecke ist diese Strecke schneller. Da haben Sie einfach danebengegriffen.

Bei Stuttgart 21 sollen 685 Millionen € Regionalisierungsmittel und GVFG-Mittel eingesetzt werden.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: 635!)

Dann kommen die Kostenrisiken, die keine Kostenrisiken sind. Ich frage mich überhaupt: Wieso muss das Land, das gar

nicht baut, Kostenrisiken übernehmen? Wie kommt es überhaupt dazu, dass wir Kostenrisiken übernehmen für ein Bauprojekt, bei dem wir gar nicht der Bauherr sind, sondern das ein anderer realisiert? Ich sage Ihnen, was der Grund ist: Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen wurden niemals vorgelegt, und das Projekt wird erst mit diesen Kostenübernahmen, die Sie in dieser Höhe machen, wirtschaftlich realisiert. Das ist der wahre Grund für die Übernahme dieser Kostenrisiken.

(Beifall bei den Grünen)

Dann muss man sich überlegen, dass die Bahn mit 300 Millionen € aus Bestandsmitteln und aus dem Verkauf von Grundstücken ihren Anteil an der Finanzierung dieses Bahnhofs im Prinzip bezahlen kann, also selbst gar kein frisches Geld reinstecken muss. Da kann man nur fassungslos sein, welche Summen aus dem Landeshaushalt in Dinge fließen, für die wir eigentlich überhaupt nicht zuständig sind.

Die SPD gibt dazu noch ihren Segen; das ist mit diesem Entschließungsantrag offenkundig. Sie, Frau Vogt, haben sich ja zur Petersilie erklärt, wenn es um Verhandlungen geht. Ich meine, Herr Tiefensee ist immerhin Ihr Parteifreund, Sie sind immerhin noch stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD. Da muss man schon fragen, warum Sie sich da selbst zur Petersilie machen,

(Beifall bei den Grünen)

warum es für Sie nicht möglich war – wenn Sie das jetzt beklagen, Herr Kollege Drexler –, da einmal an irgendeinem Punkt die Bremse reinzuhauen und zu sagen: Das geht ganz brutal auf Kosten von Baden-Württemberg, und das machen wir nicht mit. Stattdessen unterschreiben Sie diesen lauwarmen Entschließungsantrag,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Lauwarm ist der nicht!)

der außer Weihrauch nichts enthält. Weil Sie das selbst gemerkt haben, schieben Sie jetzt einen Änderungsantrag zu den Regionalisierungsmitteln hinterher. Das wäre das Einzige, was Hand und Fuß hätte. Das haben Sie aber bei den Schwarzen nicht durchgedrückt.

(Beifall bei den Grünen – Unruhe bei der SPD)

Da machen Sie bei Stuttgart 21 die Schmierseife für die Schwarzen. Und jetzt kommt noch Herr Drexler mit dem Schnittlauch obendrauf. Herzlichen Glückwunsch!

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Erklär doch mal, wie du nach Wendlingen kommst!)

Irgendetwas Substanzielles haben Sie in diesen ganzen grandiosen Entschließungsantrag überhaupt nicht reinbekommen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Bist du jetzt gegen die Neubaustrecke? Ihr wart doch dafür!)

Aber nicht mit einer Kofinanzierung,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Bei welchem Betrag dann?)

die die Hälfte der Kosten der Neubaustrecke ausmacht, nur damit das Projekt sieben Jahre früher gebaut wird.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das war doch schon bei Rot-Grün so! Da waren Sie an der Regierung! – Zu- ruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)