Protokoll der Sitzung vom 26.07.2007

Das ist doch letztlich eine Selbstreinigung, wenn die sagen: Jawohl, wir haben Blödsinn gemacht, so geht es nicht.

(Zuruf der Abg. Margot Queitsch SPD)

Was wollen Sie denn mehr? Deswegen müssen wir abwarten.

(Abg. Margot Queitsch SPD: Wir warten, bis sie die restlichen gedopten Fahrer bei der WM aussortiert haben!)

Es kann durchaus sein, dass man die Rad-WM in Stuttgart absagen muss. Dieses Risiko sehe ich durchaus auch.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber ich gehe auch davon aus, dass die Stadt Stuttgart und die Landesregierung sehr vernünftig mit dieser Frage umgehen. Wenn wir jetzt etwas beschlössen, wäre das falsch; denn, Herr Walter, auch der von Ihnen so hochgelobte Herr Holczer stünde damit vor seinem geschäftlichen Ruin. Ich hoffe, das ist Ihnen auch klar.

(Abg. Margot Queitsch SPD: Das ist aber doch kein Argument! – Abg. Reinhold Gall SPD: Jetzt geht es wieder ums Geschäft! – Zuruf des Abg. Jürgen Wal- ter GRÜNE)

Das heißt, wir brauchen ein konsequentes Vorgehen. Wir brauchen die Wahrung des Rechtsstaatsprinzips, und wir müssen die Selbstreinigungskräfte der Sportverbände stützen und dürfen sie nicht konterkarieren. Wir dürfen uns den Sport nicht kaputt machen lassen. In den allermeisten Fällen – dies als Schlusswort –

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

dient Sport nämlich immer noch der Förderung der Gesundheit, dem kameradschaftlichen Zusammensein und dem fairen Leistungswettbewerb.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Richtig!)

Dies dürfen wir uns durch kriminelle Machenschaften – von wem auch immer – nicht kaputt machen lassen.

Mein Dank gilt allen, die sich sachlich für sauberen und ehrlichen Sport engagieren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Sehr gute Rede von Frau Berroth!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rau.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Helmut, mach es doch auf Französisch!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben hier heute Morgen schon einen großen Eiferer erlebt: den Herrn im grünen Hemd. Haben Sie eigentlich schon einmal die Staatsanwaltschaften beschäftigt? Wie viele Anzeigen haben Sie denn erstattet? Sie können das tun. Schreien Sie hier doch nicht so rum! Gehen Sie raus, und erstatten Sie Ihre Anzeigen, dann sind die Staatsanwaltschaften beschäftigt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Jür- gen Walter GRÜNE: Das ist ja billig! Das ist das Blö- deste, was ich seit Langem gehört habe! – Zurufe von der SPD und den Grünen)

Hier im Saal bis zur Kollegenbeleidigung zu gehen, die Staatsanwaltschaften aufzurufen und dazu selbst keinen Beitrag zu leisten, hier aber den großen Besserwisser zu spielen, das ist schon allerhand.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das sagt der Richtige! Wer hat denn die Rechtsaufsicht? Wer scheitert vor dem VGH? Der Erfahrungsjurist Rau, der vor dem VGH eine Schlappe nach der anderen einfährt! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Was derzeit im Profiradsport abläuft, ist allen hinlänglich bekannt. Diejenigen, die davon leben, ruinieren ihren eigenen Sport. Die Skrupellosigkeit und die Dummheit dieser Leute ist nicht zu fassen. Aber Radsport ist auch eine klassische Sportart, die sich als Breitensportart großer Beliebtheit erfreut. Sie ist auch eine Publikumssportart. Wir wollen, dass diese Sportart nicht verschwindet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Mi- chael Theurer FDP/DVP: Richtig!)

Ihre Spitzenfahrer lassen derzeit keine Gelegenheit aus, genau dieses heraufzubeschwören.

Ein Steuerungsmittel dafür ist die Resonanz des Publikums und das Geld der Medien. Ich habe es deshalb für richtig gehalten, dass ARD und ZDF aus der Liveberichterstattung über die Tour de France ausgestiegen sind. Ich bin sehr zufrieden darüber, dass die jüngsten Meldungen zum wirtschaftlichen Erfolg von SAT.1 mit der Tour de France ziemlich verheerend sind. Es haben sich mehrere Auftraggeber für Werbesendun gen bei SAT.1 verabschiedet.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Sehr gut!)

Damit ist für mich klar, dass dieser Ansatz funktionieren kann. Der wirtschaftliche Hebel ist ein Ansatz, mit dem man weiterkommt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Das Land hat seine Unterstützung für die Rad-WM zugesagt, weil diese WM eigentlich eine der bedeutendsten sportlichen Großveranstaltungen ist.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Eigentlich!)

Eigentlich.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ja, eben!)

Das Land hat seine Unterstützung auch im Zusammenwirken mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und natürlich mit der Stadt, die den wesentlichsten Part in diesem Punkt spielt, zugesagt. Alle drei Seiten – Stadt, Bund und Land – haben sich darauf verständigt, dass ganz klare Kriterien eingehalten werden müssen,

(Zuruf von der SPD: An die hält sich jeder!)

damit diese WM stattfinden kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dafür sind in erster Linie die UCI und der Bund Deutscher Radfahrer zuständig. Sie müssen dazu eine Vereinbarung unterschreiben, die wir gemeinsam entwickelt haben. Der Bund Deutscher Radfahrer hat sie bereits unterschrieben. Wir gehen davon aus, dass die Unterschrift der UCI ziemlich zeitnah erfolgen wird.

Klar ist, dass in dieser Vereinbarung ein engmaschiges Netz von Dopingkontrollen während des Trainings, vor dem Wettkampf, während des Wettkampfs und nach dem Wettkampf garantiert wird. Wir wollen auch, dass die Kontrollen nicht vom Radsport selbst vorgenommen werden, sondern dass es eine Steuerungsgruppe geben wird, an der NADA, WADA und vor allem auch das Organisationskomitee beteiligt sind. Wir finden, dass das ein richtiger Ansatz ist. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass wir jetzt hier mit einseitigen Maßnahmen eine solche Zielsetzung aushebeln würden. Ich glaube, dass das kein verantwortungsvoller Schritt wäre.

Wenn die UCI nicht unterschreibt, ist das Ganze obsolet. Sie weiß ganz genau, dass das die Bedingungen sind und dass es andere Bedingungen nicht geben wird. Wir werden aber sehen.

Die Tatsache, dass bei der Tour de France derzeit viele auffliegen, spricht dafür, dass das engmaschigere Netz von Dopingkontrollen wirkt. Das Tolle daran ist ja, dass es jetzt Möglichkeiten gibt, Dinge aufzudecken, die vorher nicht aufzudecken waren. Dann müssen Konsequenzen gezogen werden, so wie es bei der Tour auch der Fall ist. Schauen Sie genau hin: Die Kluft geht durch das Fahrerfeld. Wenn Rabobank selbst Rasmussen als Träger des Gelben Trikots von der Tour ausschließt – wenn das Gelbe Trikot weg ist, bedeutet das den Verlust von viel Geld –, weil er verschwiegen hat, wo er sich aufhält, während er kontrolliert werden sollte, dann ist das ein richtiger Schritt und zeigt, dass auch diejenigen, die den Sport betreiben, erkennen, dass sie durch Doping ihre sportliche Existenz aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Zu befürchten war, dass bei der Tour de France neue Doping sachverhalte auftreten. Die NADA hat ein intelligentes Kontrollverfahren entwickelt. Das hat im Fall Sinkewitz zu dessen Überführung beigetragen. Deshalb setze ich auf eine enge Zusammenarbeit mit der neu strukturierten und personell neu aufgestellten NADA.

Baden-Württemberg ist das erste Land, das die NADA direkt mitfinanziert. Mein Haus ist bereits in der Umsetzung der Zusammenarbeit. Wir werden finanzielle Unterstützung zur Verbesserung der Dopingkontrollsysteme und der präventiven Maßnahmen gewähren. Ich erwarte oder erhoffe mir, dass die NADA die Mittel, die sie dieses Jahr von Baden-Württemberg erhält – 50 000 € –, auch bei der Rad-WM in Stuttgart einsetzen wird, wenn sie doch noch stattfindet. Ich halte die RadWM nicht für gesichert, aber ich halte sie für möglich.

Das Kultusministerium und die Stiftung Olympia-Nachwuchs werden nach den Sommerferien gemeinsam mit der NADA und in Zusammenarbeit mit den Dopingbeauftragten des Landessportverbands und des Deutschen Olympischen Sportbundes Informationsveranstaltungen für Lehrer, Eltern, Trainer, Betreuer und Athleten organisieren. Wir haben vereinbart,

an den Eliteschulen des Sports, in den Schulen, die mit den Olympiastützpunkten zusammenarbeiten, die die Leistungssportler in ihrer schulischen Laufbahn begleiten, die Zusammenarbeit mit den Dopingbeauftragten ganz gezielt zu intensivieren.

Die Tugenden des Sports – Leistungsbereitschaft, Fairness, Kampf, aber auch verlieren können – sind gerade für den Erziehungsprozess außerordentlich wichtig. Spitzensportler können in diesem Sinne zu Idolen und zu Vorbildern werden. Ich sage wieder: Betrüger sind keine Vorbilder. Deswegen müssen Betrüger überführt werden. Generalverdachte führen uns aber nicht weiter.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Mittlerweile hat ein weiteres Bundesland nachgezogen und ebenfalls Mittel für die NADA bereitgestellt. Der DOSB-Generaldirektor Vesper und Präsident Bach sind uns sehr dankbar für diese Initiative – das haben sie auch öffentlich erklärt. Ich rufe die anderen Länder auf, Gleiches zu tun.

Der internationale Dachverband UCI mit seinen Mitgliedsverbänden wie etwa dem BDR muss klare Grundlagen schaffen, damit weitere internationale Meisterschaften und Wettbewerbe materiell und ideell akzeptiert werden können. Der UCI und dem BDR muss klar sein, dass sie mit ihrer Sportart am Scheideweg stehen. Die Autonomie des organisierten Sports wird mit hineingezogen, weil Sport und Autonomie des organisierten Sports natürlich nicht die Lizenz zum Betrug und zur allgemeinen Akzeptanz der Selbstzerstörung beinhalten. Das ist denen, die im organisierten Sport Verantwortung tragen, sehr wohl bewusst.

Machen wir uns aber nichts vor: Im Ausland wird das bei Sportfunktionären, Medienvertretern und auch Zuschauern vielleicht anders gesehen und zum Teil in ironischer Art und Weise kommentiert. Das haben wir jetzt am Rande der Tour de France gesehen. Umso wichtiger ist es, dass wir die Maßnahmen, die wir gemeinsam vorantreiben, ernst nehmen und nicht versuchen, uns auch noch gegenseitig vorzuführen. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind, auf einem Weg, der weit vor dem anderer Sportnationen liegt. Es ist richtig und entspricht unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die sich auf den Weg des Leistungssports machen, das so tun, dass sie ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer, indem sie nachgeahmt werden könnten, nicht gefährden.

Wir sind allen sauberen Athleten, aber vor allem auch den Jugendlichen im Nachwuchssport schuldig, dass sie wissen, unter welchen Spielregeln bei uns Sport stattfindet. Dafür sorgen wir gemeinsam, indem wir an den Schulen beginnen, indem wir im Sport klare Absprachen und Informationen haben. Sie müssen wissen, dass Training und Begabung zum Erfolg führen sollen und nicht der Betrug.