Protokoll der Sitzung vom 10.10.2007

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat diskutieren wir seit einiger Zeit über die Reform der Schulverwaltung. Weil wir im Moment die Evaluation der Strukturreform betreiben, ist das eine Aktuelle Debatte wert, Frau Kollegin Rastätter, allerdings eine Aktuelle Debatte ohne große Aufregungen und ohne große, wie ich meine, Differenzen. Punkt 1.

Punkt 2: Auch wir wollen, Frau Rastätter, keine Rolle rückwärts machen. Wir wollen nur, was Herr Zeller zu Recht angesprochen hat: die Effizienz erhöhen. Es bringt wenig, wenn ein Schulamt drei Schulräte hat, aber einen für die Sonderschule, einen für die Grundschule, einen für die Hauptschule und einen für die Realschule braucht. Denn dann fehlt schon einer. Wenn dann noch Fort- und Weiterbildung stattfindet, fehlt der zweite, und wenn noch einer krank ist, fehlt der dritte. Deshalb sind wir uns in der FDP/DVP-Landtagsfraktion längst einig, dass sechs Schulrätinnen bzw. Schulräte pro Schulamt eine sinnvolle Mindestgröße wären.

Es macht in der Tat keinen Sinn, zu sagen, wie man es ursprünglich gemacht hat: Dann teilt man halt, damit jedes Landratsamt seine eigenen Schulräte hat, z. B. ein Amt wie Rottweil mit sechs Schulräten auf, von denen drei nach Tuttlingen kommen und drei in Rottweil bleiben. Denkbar wäre so etwas nur dann, wenn eine Kooperation beschlossen wäre. Wenn aber keine enge Kooperation stattfindet, bringt das nichts, weil Schulentwicklung natürlich in der Tat, Herr Zeller, immer mit Beratung zu tun hat. Dazu hat man die Schulräte – wie auch für die Besetzung der Stellen.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Deshalb werden wir hier auch eine Korrektur vornehmen. Wie diese Korrektur letztendlich im Einzelnen aussieht, wissen wir noch nicht genau, und zwar deshalb nicht, weil wir uns dieses Thema sehr ernst an die Brust geheftet haben.

Ich habe vor über drei Monaten einen Schulrat Konzepte entwickeln lassen, Herr Zeller. Das eine lautete: 16 eigenständige regionale Schuldirektionen, die dem Kultusministerium direkt unterstellt werden; das ist der Vorschlag der CDU. Zweiter Vorschlag: Für zwei Landkreise wird in einem Landratsamt ein Schulamt gebildet usw. Der dritte Vorschlag: In den Landratsämtern werden kleine Verwaltungsschulämter gebildet.

Meine Fraktion ist seit drei Monaten in Kenntnis dieser Vorschläge und berät seit dieser Zeit darüber, weil wir das, Herr Zeller, sehr, sehr ernst nehmen. Mit den Rebellen hat das also gar nichts zu tun, überhaupt gar nichts.

Für uns steht fest, dass eine effizientere Schulverwaltung hermuss. Die CDU und darunter Kollege Schebesta sehen das genauso. Wir meinen, es wäre sinnvoll, Kooperationsmodelle zu verwirklichen. Was passiert aber, wenn die nicht funktionieren? Mein Vorschlag für den Fall, dass sie nicht funktionieren, wäre: Wir legen einen Stichtag fest – ich sage jetzt einfach einmal 30. Juni 2008 –, und das, was bis dahin nicht funktioniert, wird von uns entsprechend entschieden. Das ist sicherlich nicht die liberalste Lösung – –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ja, ja!)

Sie lachen, ja, ja, aber so haben wir das ja beim Kindergartengesetz gemacht. Herr Zeller, Sie werden sich, auch wenn Sie nicht der sozialpolitische Sprecher Ihrer Partei sind, erinnern. Nachdem wir festgestellt haben, dass wir in den Waldorfkindergärten Probleme bekommen, weil sie nicht, wie wir es wünschten, zumindest von einigen Landratsämtern vor Ort gelöst werden konnten, haben wir reagiert. So könnte das dann auch hier der Fall sein.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann müsst ihr halt gescheite Handreichungen machen!)

Das ist noch nicht das letzte Wort, aber Sie sehen: Wir handeln. Wir kennen auch die Meinungen der Landräte, Herr Wolf. Der Landkreistag hat ja gesagt, dass er hier offen sei. Nachdem man sonst gern alles mit übernommen hat, fand ich es eigentlich schade, dass man jetzt einfach gesagt hat: „In dieser Angelegenheit sind wir offen.“ Wenn es geheißen hätte: „Okay, wir sind zu besseren Kooperationen bereit und überlegen uns selbst einmal ein Modell, das wirklich funktioniert“, hätte uns das persönlich mehr überzeugt und hätte uns besser gefallen.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Also, meine Damen und Herren, keine Aufregung in Sachen Weiterführung der Reform der Schulverwaltung. Wir machen sie. Wir machen sie gemeinsam und rechtzeitig. Spätestens im Herbst werden wir eine entsprechende Lösung vorlegen. Dass es so, wie es im Moment ist, nicht bleiben kann, wissen wir. Zwei Modelle bieten wir – –

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Zwei Modelle. Frau Haußmann, ich habe sie doch gerade vorgetragen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber warum habt ihr es dann gemacht?)

Ich habe gesagt: entweder das Kooperationsmodell der Kreise vor Ort

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das war doch euer Fehler von Anfang an!)

oder die Lösung, die die CDU vorgeschlagen hat. Im Moment will die FDP/DVP diese noch nicht, weil wir die Eingliederung bei den Landratsämtern belassen wollen. Herr Zeller, wir waren in Finnland. Dort sind die Schulen kommunalisiert. Es waren Ihre Worte, Herr Zeller: „Je weiter so etwas heruntergezont wird, umso besser.“ Warum sollen wir jetzt wieder hochzonen? Sie sollten sich an das erinnern, was Sie früher schon einmal gesagt haben.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Aber wir haben die Leh- rer nicht kommunalisiert!)

Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das Wort erteile ich dem Minister für Kultus, Jugend und Sport Helmut Rau.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als die Verwaltungsreform vor gut zweieinhalb Jahren in Kraft getreten ist, war von vornherein klar, dass es eine Phase der Evaluation der Ergebnisse geben würde. Deswegen lohnt es sich nicht, jetzt eine große Aufregung zu produzieren. Wir wissen, dass wir in der Lage sein müssen, Dinge, die wir für veränderungsbedürftig halten, auch zu ändern. Eine gut funktionierende Schulverwaltung, die bildungspolitische Innovationen begleiten kann und eine alljährlich ausgewogene Unterrichtsversorgung garantiert, ist für uns ein hohes Gut.

Die Evaluation der Verwaltungsreform hat gezeigt, dass die Schulverwaltung in einigen Punkten, die hier auch schon angesprochen wurden, durch die Verwaltungsreform nicht eben begünstigt wurde. Die Fachverwaltungsqualität der unteren Schulaufsichtsebene hat insbesondere durch die Erhöhung der Zahl der Schulaufsichtsbehörden auch Schaden genommen. Wir haben Ämter, die nicht mehr die ganze fachliche Breite, die ein Schulamt heute eigentlich abdecken können muss, abdecken.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

16 von 44 Ämtern haben drei und weniger Schulratsstellen zur Verfügung. Deswegen müssen wir ganz sicher dafür sorgen, dass wir – es wurde vorhin auch von Kollegin Rastätter daran erinnert, was wir vor der Verwaltungsreform im Haus vorbereitet hatten, nämlich eine Konzentration auf weniger Ämter, die in der Lage sind, das gesamte Spektrum der Aufgaben mit Spezialisten abzudecken – eine solche Konzentration erreichen.

Es hat gelegentlich auch Interessenkonflikte zwischen staatlichen und kommunalen Aufgaben gegeben. Genau einen solchen Interessenkonflikt würden wir vertiefen, wenn wir Ihre These umsetzen würden, wonach eine stärkere Ausbildung der Eigenständigkeit der Schulen auch zur Folge haben müsse, dass die Aufsicht über die Schulen und die Begleitung der Schulen in ihrer Entwicklung zwangsläufig auch so weit wie möglich nach unten gehen müsse.

Sie haben hier über Finnland gesprochen. Die Finnen haben das Gegenteil gemacht. Sie haben die Eigenständigkeit der Schulen entwickelt, wie wir auch. Dann haben sie in Helsinki eine Zentralstelle für das Unterrichtswesen gegründet, die imstande ist, genau die entsprechende qualifizierte Begleitung dieser Schulentwicklungsprozesse vorzunehmen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Genau das wollen wir!)

Wir wollen durch eine angemessene Beratung der staatlichen Schulaufsicht und Schulverwaltung dafür sorgen, dass die Schulen in diesen Prozessen gestärkt werden. Das würden wir nicht tun, wenn wir die Schulaufsicht – so, wie es bei Ihnen anklang – etwa kommunalisieren würden.

Gerade weil die Schulen selbstständiger geworden sind und weil sich die Schulträger stärker für ihre Schulen einbringen, brauchen wir eine staatliche Beratung und Begleitung. Das ist eine typische Aufgabe, die nicht auf der kommunalen Ebene wahrgenommen werden kann. Ich glaube, dass dies für die Schulentwicklung ein sehr wesentliches Argument ist.

Hinzu kommt, dass die Anforderungen an die Personalverwaltung auch nicht dezentralisiert werden können. Wir haben einen großen Personalkörper von 110 000 Lehrerinnen und Lehrern. Wir müssen vielerlei Ausgleich über Kreisgrenzen hinweg vornehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass eine gleichmäßige Lehrerversorgung gewährleistet ist. Es gibt viele Vorgänge in der Personalverwaltung, für die Sie Spezialisten brauchen, die wir in dieser Zahl gar nicht vorhalten, um sie allen Schulämtern zur Verfügung stellen zu können. Das ist auch ein Grund – –

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das war doch aber alles längst bekannt!)

Lieber Herr Zeller, wollen Sie, dass wir deutlich machen, wo wir einen Verbesserungsbedarf sehen, oder wollen Sie jetzt hier alte Kamellen auffrischen?

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das Problem ist, dass Sie zuerst den Irrweg gegangen sind!)

Das ist kein Problem, sondern wir befinden uns mitten in der Evaluation eines Reformwerks. Wir wollen die Dinge, die wir als veränderungsbedürftig erkannt haben, jetzt auch verändern.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln!)

Sie argumentieren gern rückwärtsgewandt; deswegen verstehe ich, dass Sie über eine Zeit von vor Jahren reden wollen.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, es hat auch Synergieeffekte gegeben, die ich durchaus wertschätze. Die Tatsache, dass in der Kreisverwaltung beispielsweise die Jugendhilfe und die Schulverwaltung enger zusammengerückt sind, war für beide Seiten von positiver Wirkung. Wenn wir die Landschaft der Schul ämter verändern, dann werde ich ganz sicher dafür Sorge tragen, dass diese engere Kooperation mit der Jugendhilfe aufrechterhalten bleibt, weil es Bereiche gibt, in denen weder die Schule noch die Jugendhilfe allein die angemessene Unterstützung für die Jugendlichen gewährleisten kann. Ich halte es für richtig, dass wir solche positiven Erfahrungen in eine neue Struktur mitnehmen, wie immer sie auch aussieht.

Was unterscheidet die Schulverwaltung von anderen Berei chen der allgemeinen Verwaltung? In unseren Schulbehörden steht weniger der Vollzug von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Weisungen im Vordergrund als vielmehr die Personalverwaltung, die Umsetzung von bildungspolitischen Vorgaben und der konkrete Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule, aus deren Realisierung sich ein Auftrag für die Schulverwaltung ableiten lässt.

Bei einer weiteren Dezentralisierung der Schulverwaltung würden wir auch Schularten, die derzeit noch auf der mittleren Ebene betreut und unterstützt werden, einbeziehen – die Gymnasien und die beruflichen Schulen.

Wenn Sie sich einmal genau ansehen, welchen Umfang das Personal für diese Bereiche hat, dann wissen Sie, dass bei einer Verteilung auf die Kreise ein so kleiner Personalanteil herauskäme, dass Spezialistenwissen, das man gerade für diese Schularten braucht, nicht mehr in allen Einheiten einer so

strukturierten Schulverwaltung ankäme. Wir könnten damit eine schulartgerechte Unterstützung aus der Schulverwaltung heraus nicht mehr gewährleisten.

Wir werden also nicht ohne die mittlere Verwaltungsebene auskommen, auch wenn man eine Aufgabenkritik im Zusammenhang mit der Evaluation der Verwaltungsreform vornehmen und sich genau anschauen wird, welche Aufgaben auf eine kleinere Zahl größerer Ämter verteilt werden können. Wir werden es uns ganz genau ansehen. Es gibt Beispiele, die man umsetzen kann, aber es gibt auch Beispiele dafür, wo wir die Dinge weiter auf der mittleren Ebene in der Verwaltung unterstützen, betreuen und entwickeln müssen.

Ich bin der Auffassung, dass Bildungspolitik auch künftig im Landtag und nicht in den Kreistagen und Gemeinderäten stattfinden sollte. Das Land darf sich nicht zum Zahlmeister degradieren, das nur noch über die Ressourcen wacht und im Übrigen seine Zuständigkeiten für die Bildungspolitik abgegeben hat. Wenn wir das tun, sind wir ganz schnell in einer Debatte, in der uns vorgeworfen wird, dass wir die Aspekte der Mobilität, der Transparenz und der Gerechtigkeit vernachlässigen würden. Wir haben einen landespolitischen Auftrag, die Bildungspolitik nicht nur finanziell zu ermöglichen, sondern sie inhaltlich zu gestalten und in der Entwicklung der Schulen eine eigenständige Rolle zu spielen. Dafür brauchen wir eine starke Schulverwaltung. Ich glaube, dass uns die Evaluation der Verwaltungsreform hilft, die erkannten Defizite sachgemäß auszugleichen.

Vielen Dank.