Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Doch!)

um in die Zukunft zu blicken und uns dem Thema doch noch einmal ernsthaft zu widmen, ohne dass wir polemisieren.

Meine Damen und Herren, warum werden professionelle Sportveranstaltungen durch Steuergelder gefördert? Sagen wir doch zunächst einmal ganz deutlich, worum es dabei nicht geht. Es geht nicht um ein öffentliches Spektakel um jeden Preis. Es geht auch nicht darum, Teams, Vereine oder einzelne Sportler an den Start zu bringen, die trotz Dopingvorwürfen durch unsportliche Methoden andere weiterhin schädigen.

Förderungswürdig sind Sportveranstaltungen deshalb, weil im Sport ein gesellschaftliches Interesse begründet liegt. Wir wollen die Menschen für Sport begeistern und motivieren, weil Sport gesund und gemeinschaftsbildend ist – jedenfalls so, wie es bislang immer diskutiert wurde.

Es mehren sich leider doch die Anzeichen dafür, dass Sport, vor allem Leistungssport, einfach zum skrupellos kommerziellen Business degeneriert wird. Immer öfter gewinnen diejenigen, die betrügen. Die Stuttgarter Rad-WM sollte einen klaren Einschnitt markieren. Hier hätte die Landesregierung durchaus noch einen Handlungsspielraum haben können.

Herr Minister Rau, Sie haben mir vorhin gesagt, dass es sich hierbei um einen sogenannten begünstigenden Verwaltungs

akt handelt. Das heißt, die Stadt Stuttgart hat beim Land einen Antrag auf Zuschuss zur Rad-WM gestellt, den das Land bewilligt hat. Das ist also ein Verwaltungsakt, bei dem wir sagen: Juristisch können wir hier nichts mehr machen. Das Land ist also verpflichtet – um das Ganze auf die Sachebene zurückzubringen –, diesen Beitrag auszuzahlen.

Das hat nichts damit zu tun, dass wir jetzt sagen: Wir wollen gucken, wie das Bundesministerium des Innern noch reagiert oder was die Stadt Stuttgart damit macht. Das Land muss zahlen.

Der Vorwurf an die Landesregierung geht dahin, dass wir sagen können: Zu dem Zeitpunkt, als die Stadt Stuttgart den Antrag gestellt hat, war in der Öffentlichkeit das Thema Doping hochbrisant. Die Landesregierung hätte zumindest zu diesem Zeitpunkt sagen können: Wir stellen diesen Verwaltungsakt unter eine Bedingung: Wir zahlen den Zuschuss nur aus, wenn von den Verbänden und Veranstaltern die Voraussetzungen dafür erfüllt werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie haben hier in Anbetracht der Tatsache, dass die Fakten klar waren, schlichtweg zumindest grob fahrlässig gehandelt.

Herr Minister Rau, auch Sie haben die Radsportveranstaltungen im Rahmen der WM konsequenterweise nicht besucht. Sie haben sich vom Ministerpräsidenten vertreten lassen.

(Heiterkeit bei den Grünen und der SPD – Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Ute Vogt SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wer ist Koch, und wer ist König?)

Der Ministerpräsident hat hier leider noch einen kleinen Fehler gemacht, indem er jetzt ausgerechnet noch Rudi Altig, der aufgrund von Dopingvorwürfen schon als unerwünschte Person bezeichnet wurde, zu seinem sportlichen Vorbild erklärt hat.

Eines ist nicht zu unterschätzen: Es gibt viele Teile der Weltmeisterschaft, von denen sich die Öffentlichkeit abgewandt hat. Auch die Fernsehberichterstattung, die nun einmal wesentlich dazu beiträgt, dass derlei Veranstaltungen kostendeckend oder gar profitabel durchgeführt werden können, hat sich weitgehend auf die Hintergrundberichterstattung zum Thema Doping zurückgezogen. Was uns bleibt, sind eine verkorkste Radweltmeisterschaft, ein verpasster Neubeginn und ein immenses Defizit in den Kassen der Veranstalter.

Unsere Aufgabe als Abgeordnete, meine Damen und Herren – und damit rede ich jetzt ganz klar zu den wenigen, die noch da sind –, ist: Es geht um die Zukunft. Es geht darum, dass wir hier über den sinnvollen Einsatz von Steuergeldern entscheiden. Es ist nicht unsere Aufgabe, jetzt einen Landeszuschuss auszuzahlen, der diesen Fehlschlag eigentlich nur mil dert. Aber leider bleibt uns im Moment nichts anderes übrig.

Der Wille der Bürger ist, dass der Sport zu fairen Regeln zurückkehrt und nicht zum Wettstreit gewissenloser Dopingärzte verkommt.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns hüten – auch für die Zukunft –, Steuergelder für die Unterstützung einer Ver

anstaltung auszugeben, bei der uns die Verbände, aber auch einzelne Sportler ganz klar signalisiert haben, dass sie diesen Wunsch nach sauberem Sport immer noch nicht unterstützen. Wir haben mit dafür zu sorgen, dass sie das künftig tun.

Bei der Entscheidung im Vorfeld, ob die Radweltmeisterschaft überhaupt stattfinden soll, haben sich die Gemüter gespalten. Meine Damen und Herren, ich sage hierzu auch Folgendes: Wir schließen auch keine Kaufhäuser nur deshalb, weil es Ladendiebstähle gibt. Nein, das tun wir nicht. Aber wir möchten, dass das Tun derjenigen, die den gesamten Sport in Verruf bringen, in Zukunft zumindest auch als das bewertet wird, als was wir Ladendiebstahl betrachten, nämlich als Straftatbestand.

Das heißt, wir müssen in dieser Debatte weitergehen. Wir brauchen die richtigen rechtlichen Grundlagen, um derer habhaft zu werden, die den Sport in Verruf bringen. Dann können wir weiterhin sagen: Wir haben hier sicherlich über förderungswürdige Projekte zu entscheiden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord- neten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Nur aus Höflichkeit! Nicht wegen des Inhalts!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rau.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Respekt, Frau Kollegin Neuenhaus, für diese Rede, weil Sie, glaube ich, einiges formuliert haben, was hier im Haus übereinstimmend bejaht werden kann.

Es muss darum gehen, dass wir mit der Förderung des Sports auch dafür sorgen, dass sportliche Spitzenereignisse sich so präsentieren, dass der Sport weiterhin seine gesellschaftspolitische Vorbildrolle spielen kann. Das ist ein Grund dafür, dass wir den Sport fördern.

Baden-Württemberg ist ein sehr sportfreundliches Land. Wir haben deshalb ein außerordentlich großes Interesse daran, dass hier im Land auch herausragende Sportereignisse stattfinden und dass dabei für fairen Wettbewerb gesorgt wird. Fairer Wettbewerb ist aber nicht gegeben, wenn man sich Vorteile auf eine Art und Weise verschafft, die aus guten Gründen verboten ist und deren Anwendung den Sport im öffentlichen Ruf ins Abseits bringt.

Stuttgart und andere Städte im Land haben hervorragende Sportwettbewerbe durchgeführt. Deswegen war es auch konsequent, dass sich die Stadt Stuttgart um die Austragung dieser Weltmeisterschaft beworben hat, als die Möglichkeit bestand, sie hierher zu bekommen. Immerhin hat drei Wochen zuvor eine viel bejubelte Turnweltmeisterschaft hier stattgefunden,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

mit einem Publikum, bei dem sich der internationale Turnerbund überschwänglich dafür bedankt hat, wie man hier aufgenommen wurde und welche Resonanz man mit diesem

Sportwettbewerb in Stuttgart und in Baden-Württemberg erfahren hat.

Im Vorfeld der Rad-WM hatten wir dann Anlass, zu versuchen – leider ist der Versuch am Ende gescheitert; ich beschreibe gleich, warum –, gemeinsam – der Veranstalter, die Stadt Stuttgart, der Bund, das Land und die beiden Radsportverbände, der nationale und der internationale – eine Plattform dafür zu schaffen, dass wir davon ausgehen konnten: Hier ist ein Neuanfang von allen Beteiligten gewollt.

Ich will deutlich feststellen, dass alle, die ich gerade genannt habe, ein gemeinsames Papier unterschrieben haben und dass kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft der Präsident des internationalen Radsportverbands McQuaid erklärt hat, dieses Papier sei Makulatur und interessiere ihn nicht mehr, obwohl er es selbst mit unterschrieben hat. Das ist eine unmögliche Vorgehensweise vonseiten dieses Chefs eines internationalen Verbands. Das war auch der Grund dafür, dass ich gesagt habe: Wer sein durch Unterschrift gegebenes Wort mir gegen über in dieser Art und Weise entwertet, kann nicht damit rechnen, dass ich ihn auf seiner WM besuche. Das ist die eine Seite der Medaille.

Auf der anderen Seite hat sich die Stadt Stuttgart intensiv darum bemüht, das, was wir gemeinsam ausgearbeitet und unterschrieben haben, auch sicherzustellen. Vonseiten des Veranstalters wurde alles unternommen. Sie alle haben ja die Konflikte noch in lebhafter Erinnerung, die schließlich dazu geführt haben, dass zu dieser Rad-WM eine sehr schrille Begleitmusik durch die Medien gegangen ist und sich auch einige Medien von der Berichterstattung verabschiedet haben. Es haben sich Sponsoren verabschiedet.

Dabei ist sicher eine Szenerie entstanden, die a) für die Stadt Stuttgart schmerzhaft ist, weil das Ganze mehr Geld kostet, als ursprünglich gedacht, die aber auch b) den Radsportverantwortlichen sehr zu denken geben muss. Denn wenn sie Sponsoren verlieren, werden sie keine großen internationalen Wettbewerbe mehr durchführen können. Das ist das Risiko, das sie bei dieser Gelegenheit kennengelernt haben.

Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart hat zu Recht festgestellt, dass in Stuttgart alles getan wurde, um den beabsichtigten Neuanfang im Radsport – dopingfreier Sport – zu gewährleis ten. Durch die skandalöse Haltung vor allem der UCI, aber auch des Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer ist es dazu gekommen, dass dies nicht mehr möglich geworden ist.

Wir haben schon deutlich vor der Rad-WM und nicht aus Anlass der Rad-WM mit dem Deutschen Olympischen Sportbund vereinbart, dass wir uns als Land an der Finanzierung der NADA, der Nationalen Anti-Doping-Agentur, beteiligen. Wir waren das erste Land, das einen solchen Beschluss im Kabinett gefasst hat. Andere Länder folgen jetzt allmählich nach.

Wir haben festgelegt, dass wir vor allem in unseren Eliteschulen des Sports dafür sorgen, dass die Antidopingbeauftragten des DOSB hier die Möglichkeit erhalten, mit den Schülerinnen und Schülern, denen, die Leistungssport betreiben, und denen, die ihre Partnerinnen und Partner in der Schule sind,

das Thema sehr frühzeitig und von der pädagogischen Seite her zu bearbeiten.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Das Land Baden-Württemberg hat also einiges unternommen, um – unabhängig von dieser Rad-WM – eine aktive Antidopingpolitik zu betreiben.

Jetzt aber stehen wir vor der Tatsache, dass der Stadt Stuttgart mit Schreiben vom 1. Dezember 2006 ein Zuschuss in Höhe von 80 000 € in Aussicht gestellt wurde. Das bewegt sich im Rahmen dessen, was wir bei anderen internationalen Meisterschaften von großen Verbänden an Landeszuschuss geben. Das ist keine irgendwie privilegierte Behandlung gerade dieser damals geplanten Weltmeisterschaft.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Hat auch niemand be- hauptet!)

Grundlage dieser Förderentscheidung war auch die Zusage des Bundes, sich an der Finanzierung der Rad-WM zu beteiligen. Das Bundesinnenministerium hatte bereits Anfang 2005, also deutlich vor uns, gegenüber dem Bund Deutscher Radfahrer einen Finanzierungsbetrag zugesagt, der sich letztlich auf 150 000 € beläuft.

Der Unterschied ist, dass wir der Stadt Stuttgart einen Zuwendungsbescheid gegeben haben und wir heute ganz sicher nicht feststellen können, dass die Stadt Stuttgart irgendetwas getan hätte, was uns berechtigen würde, diesen Zuwendungsbescheid zu widerrufen.

(Beifall des Abg. Klaus Tappeser CDU)

Das Bundesinnenministerium hat seinen Zuwendungsbescheid dem Bund Deutscher Radfahrer gegeben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Denen würde ich auch nichts geben!)

Dort wird natürlich zu Recht geprüft, ob die gegebene Unterschrift nachher noch etwas wert war und ob dort nicht anders verfahren werden müsse.

Wir streben allerdings an, gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium auch die Nachbereitung dieser Rad-WM durchzuführen, um deutlich zu machen, wo wir in Zukunft dafür sorgen können – auch bei der Bezuschussung von großen Sportereignissen –, dass wir eine solche Situation nicht noch einmal bekommen.

Eine Auszahlung der Mittel ist bisher nicht erfolgt. Aber wenn man hier einen Antrag einbringt, wie Sie von der SPD-Fraktion es getan haben, sollte man doch wenigstens die Rechtsgrundlagen prüfen.