Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

(Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Reinhard, jetzt aber! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Eine Steilvorlage jetzt! – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Jetzt kommt ein sehr guter Mann! – Weitere Zurufe)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Schauen wir auf die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes, gehen Adjektive wie innovativ, dynamisch und leistungsstark leicht über die Lippen. Wir verdanken dies hart arbeitenden Menschen und kreativen Unternehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie stellen sich dem Erfolg und dem globalen Wettbewerb. Fundament und Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Wachstums tragen die politische Handschrift der Regierungskoalition aus CDU und FDP/DVP. Das hat dem Land gutgetan. Die Entwicklung unserer Wirtschaftskraft ist eine Erfolgsgeschichte. Mittlerweile schultert Baden-Württemberg nicht nur einen Löwenanteil am Bruttoinlandsprodukt, unsere Wachstumsraten sind auch im europäischen Vergleich weit überdurchschnittlich, und längst sind wir auf Augenhöhe mit den erfolgreichen Volkswirtschaften dieser Welt.

Unser Aufschwung wird nicht nur von der klassischen Export industrie getragen, sondern auch von heimischen Dienstleis tern und vom Handel. Selbst von der früher notleidenden Baubranche kommen heute Wachstumsimpulse. Die positiven Ausstrahlungen auf den Arbeits- und den Ausbildungsmarkt sind deutlich spürbar. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist erneut gestiegen.

Klar ist: Die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte werden von einem starken Außenhandel getragen. Waren im Wert von 74 Milliarden € wurden im ersten Halbjahr 2007 aus BadenWürttemberg exportiert – weit mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs.

Die Ausfuhren in andere europäische Länder glänzen mit zweistelligen Zuwachsraten. Die Exporte nach Asien gewinnen an Fahrt. China ist mittlerweile der wichtigste Absatzmarkt für baden-württembergische Produkte und leistet den größten Wachstumsbeitrag.

Unsere zentrale Lage in Europa wird zu einem immer wichtigeren Standortvorteil. Um diesen Standortvorteil optimal zu nutzen, brauchen wir eine Infrastruktur, die der weltweiten Verflechtung der Märkte Rechnung trägt. Entscheidungsträger müssen innerhalb kürzester Zeit andere Wirtschaftszentren erreichen. Produkte müssen auf schnelle und günstige Weise zu anderen Unternehmen oder dem Verbraucher gelangen.

Seit die Menschen Handel treiben, sind Verkehrwege wichtige und unverzichtbare Standortfaktoren. Nur dort, wo Handelswege bestehen oder entstehen, blüht die Wirtschaft.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig!)

Das ist ein volkswirtschaftliches Naturgesetz, dem die Politik Rechnung tragen muss, will sie für die Bürger Wohlstand und Lebensqualität sichern.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft steht und fällt mit der Qualität der Verkehrsinfrastruktur auf der Straße, der Schiene, dem Wasser und in der Luft.

Wir nehmen diese Herausforderung an. Wir wissen aber auch, dass wir die Zielkonflikte mit dem Umweltschutz, dem Schutz vor Lärm und Immissionen und mit der Lebensqualität der Menschen verantwortungsvoll ausbalancieren müssen.

Ein europäischer Hochleistungsschienenverkehr vom Norden in den Süden und vom Westen in den Osten der Europäischen Union wird durch unsere industriellen Zentren fließen. Das ist ein finanzieller Kraftakt, aber die beste Investition in unsere Zukunft. Dabei wird – allen Unkenrufen zum Trotz – weder am Regionalverkehr noch am ÖPNV die Axt angelegt. Auch dafür tragen wir Verantwortung, wie auch für den Neubau, den Ausbau und den Erhalt unserer Landesstraßen.

Wir stehen gegenüber den vielen mittelständischen Unternehmen und dem ländlichen Raum im Wort. Dafür stehen mehr als 130 Millionen € im Landeshaushalt bereit.

(Abg. Hans-Martin Haller SPD: Viel zu wenig!)

Finanzielle Mittel haben auch wir nicht unbegrenzt. Wir wollen im Land die Nullverschuldung. Die Phönizier haben zwar das Geld erfunden, aber leider viel zu wenig. Das haben wir schmerzlich erfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Aber wir haben die Druckmaschine erfunden!)

Ja, wir die Druckmaschine.

Die rot-grüne Bundesregierung hat jahrelang mit einer „Eichhörnchenpolitik“ den Ausbau der Bundesfernstraßen und Autobahnen stiefmütterlich vernachlässigt, leider mit negativen Auswirkungen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: So ein Blödsinn! – Abg. Hans-Martin Haller SPD: Keine Ahnung von Zahlen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Schauen Sie sich doch einmal die Wissmann-Zahlen an! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Dabei scheint ja Ihr Adrenalinspiegel richtig zu steigen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nehmen Sie Ihre Äu- ßerung zurück!)

Ich nehme es nicht zurück.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wenn Sie die Aussa- ge mit Bedauern zurücknehmen, dann ist sie ent- schuldigt!)

Auch wenn der Bund seine Hausaufgaben jetzt besser macht und mehr Mittel fließen, haben wir noch Jahre damit zu tun, den Nachholbedarf aufzuarbeiten.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Der in Wissmanns Zeiten entstanden ist!)

Um Zeit aufzuholen und die notwendigen Geldmittel bereitzustellen, müssen wir ergebnisoffen über alternative Möglichkeiten der Finanzierung der Verkehrswege diskutieren. Public Private Partnership kann eine Möglichkeit sein,

(Abg. Norbert Zeller SPD: Kostet einen Haufen Geld!)

auch wenn ich persönlich der allgemeinen PPP-Euphorie eher skeptisch gegenüberstehe.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zuruf von der SPD: Da haben Sie recht!)

Weit sinnvoller erscheint mir eine Systemumstellung von der Haushaltsfinanzierung zu einer Nutzerfinanzierung. Ob in eine Infrastruktur investiert wird, darf nicht länger von der Kassenlage öffentlicher Haushalte abhängig sein. Wir brauchen als Wirtschaftsstandort dringend mehr Verlässlichkeit.

Die Lenkung von Verkehrswegen ist ein wichtiges Zukunftsthema. Mit moderner Verkehrstelematik kann der vorhandene Verkehr koordiniert und die Effizienz der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur gesteigert werden. Werden die Daten der Logistikzentren, der Verkehrsleitsysteme und die Satellitensysteme mit Grid-Computing verknüpft, lässt sich die Qualität der Nutzung aller Verkehrswege auf eine völlig neue Ebene heben. Weniger Staus, weniger Unfälle, optimale Verbindung und eine Verringerung schädlicher Immissionen sind die Folge.

Erkenntnisse für die Schaffung neuer Verkehrsinfrastrukturen werden gewonnen. Am wissenschaftlichen Konzept wird in unserer Nachbarschaft an der Universität Hohenheim geforscht. In der Praxis erprobt die Region Stuttgart mit dem KTMC den Einsatz der Telematik. Noch steckt alles in den Kinderschuhen.

Lassen Sie uns über ein landesweites Kompetenzzentrum für Verkehrstelematik nachdenken und die Entwicklung vorantreiben. Das kostet weniger als der Bau eines Kilometers Au

tobahn. Sein Nutzen ist zweifelsohne höher. Dem Hochtechnologiestandort Baden-Württemberg erwachsen daraus nur Vorteile.

Für jede Erfolgsgeschichte gilt: Erfolg muss man sich jeden Tag neu verdienen. Wenn wir es nicht tun, tun es andere. CDU und FDP/DVP haben die Ärmel hochgekrempelt.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wir arbeiten an der Zukunft unseres Landes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der SPD: Viel zu langsam! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wo ist der Ärmel hochge- krempelt? – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Haller.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte gern den Wirtschaftsminister bei diesem von ihm mit initiierten Thema begrüßt.

(Zuruf von der FDP/DVP: Hier ist er doch! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Da hinten sitzt er! Er hat sich bei diesem Thema versteckt! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Er sitzt seit halb neun da!)

Er sitzt neuerdings wohl auf den Abgeordnetenbänken.

An die Adresse meiner Vorredner sei gesagt: Meine Damen und Herren, wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Vollzugsdefizit. Das ist der Kern.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Mit Plattitüden über den Stellenwert des Verkehrs versuchen Sie, ein Thema aufzugreifen, was richtig ist, wollen aber wieder einmal die Verantwortung an andere delegieren.

Ich möchte zitieren:

Der Bundesverkehrswegeplan bestätigt den Nachholbedarf des Landes im Schienenfernverkehr. (...) Auch der im Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans vorgesehene Ausbau des Bundesfernstraßennetzes in BadenWürttemberg genügt den Erfordernissen nicht... Mit ursächlich ist der zu geringe Finanzrahmen für das Land.