Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Das kann sein. Dann müssen Sie mir das hinterher noch einmal genau erklären.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Nur ganz kurz ein Wort zu den nicht stimmberechtigten Volksaktien. Dazu kann ich nur sagen: Telekom lässt grüßen. Ich glaube, dass es sich der Staat nicht noch einmal erlauben kann, so mit dem Geld seiner Bürger umzuspringen, wie es bei der Ausgabe der Volksaktien der Telekom geschehen ist.

Meine Damen und Herren, nun könnte man bei dem Thema Bahnreform natürlich in der Versuchung stehen, sich zum Oberschiedsrichter über die Bundespolitik aufzuspielen: Ätsch, wir aus Baden-Württemberg wissen das alles besser als die in Berlin.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Das will ich nicht tun. Ich möchte versuchen, ein paar Beziehungen herauszuarbeiten, bei denen sich ureigenste Interessen des Landes mit der Absicht der Privatisierung der Bahn treffen und dadurch vieles vielleicht verbessert, vielleicht aber auch erschwert wird.

Meine Damen und Herren, zu der Privatisierung soll eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen werden. In dieser Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wird von dem Umfang eines Streckennetzes der DB gesprochen, das mit dem heute tatsächlich befahrenen Streckennetz nicht übereinstimmt. Frage: Was passiert mit den Strecken, die in dem Entwurf der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung nicht aufgeführt sind? Sind das die Strecken, bei denen wir schon morgen über eine Stilllegung reden? So frage ich. Wenn das so wäre, müssten die Länder ganz arg die Ohren spitzen; denn das sind dann nur Strecken, auf denen SPNV, aber sonst nichts stattfindet.

Eine zweite Bemerkung aus der Sicht des Landes ist: Wenn Aktien ausgegeben werden, dann erwarten die Käufer solcher Aktien, dass sie mehr oder weniger hohe Dividenden bekommen. Bisher ist die Bahn aber nicht einmal in der Lage gewesen, ihre Investitionen zu erwirtschaften. Das heißt, sie ist auf Zuschüsse des Bundes angewiesen und bleibt das auch in Zukunft. Wenn aber der Druck der Wirtschaftlichkeit größer werden sollte, dann stellt sich doch die Frage: Was passiert denn dann? Dann sind wir wieder als Länder und als für den SPNV Zuständige gefordert.

Im SPNV macht die Bahn tatsächlich Gewinn, auch bei uns in Baden-Württemberg – nach Ansicht der Grünen sogar zu

viel Gewinn. Aber sie macht Gewinn, indem sie wirtschaftliche und auch unwirtschaftliche Linien betreibt. Wenn nun der Zwang zur Wirtschaftlichkeit größer wird, dann sind die Fragen nicht weit hergeholt: Wird sie nach wie vor auch unwirtschaftliche Linien betreiben, wie sie das heute unter dem Druck der Politik tun muss, oder siegt in Zukunft die größere Wirtschaftlichkeit? Und was passiert mit unwirtschaftlichen SPNV-Linien?

Eine dritte Bemerkung, meine Damen und Herren: Sie alle wissen, dass wir im SPNV Trassenpreise und Preise für die Benutzung der Bahnhöfe bezahlen. Wer jetzt mit der Bahn fährt – Herr Wölfle, auch wir von der CDU fahren teilweise mit der Bahn –, der erfährt hautnah, was es bedeutet, wenn diese Preise für Trassen und die Benutzung der Bahnhöfe nicht unmittelbar in die Erhaltung dieser beiden Instrumente für den Zugverkehr umgesetzt werden. Wir bekommen immer mehr Langsamfahrstellen, und der Großteil unserer Bahnhöfe sieht wirklich „sehr gastfreundlich“ aus.

Was passiert, wenn der Druck der Wirtschaftlichkeit noch größer wird?

Strich drunter! Ich meine, wir als Land, als Verantwortliche für den SPNV, können einer Bahnreform überhaupt nur dann zustimmen, wenn diese Punkte, die ich angesprochen habe und bei denen die Länder unmittelbar berührt sind, nicht einfach ohne Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung überlassen bleiben, sondern wenn diese Fragen in der Leis tungs- und Finanzierungsvereinbarung und möglichst im Prinzip auch im Gesetz zu unserer Zufriedenheit beantwortet sind. Das, was bisher als Entwurf auf dem Tisch liegt, ist nicht dazu geeignet, uns hoffnungsvoll zu stimmen oder uns schon heute zufriedenzustellen.

Eine letzte Bemerkung an die SPD: Sie haben auf Ihrem Bundesparteitag beschlossen: Wenn ihr in Berlin noch etwas fertigbringt, dann dürfen aber unsere Bundestagsabgeordneten und die von uns regierten Länder nur zustimmen, wenn wir vorher noch einmal einen Bundesparteitag gemacht haben und dort diese Sache zustimmend zur Kenntnis genommen wird. Über das imperative Mandat ist hier schon ab und zu gesprochen worden. Dieser Beschluss der SPD ist aber imperatives Mandat im Quadrat. So etwas habe ich überhaupt noch nie gehört.

(Abg. Hans-Martin Haller SPD: Tagtägliche Praxis der CDU!)

Zu so etwas können wir von der CDU überhaupt nicht unsere Hand reichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Niemals!)

Das Wort erhält Herr Abg. Bachmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich dem Thema mit einer Frage nähern: Ruht still der Tiefensee? Bei Stuttgart 21 hatten wir lange Zeit den Eindruck, es sei eines

seiner Spezialgebiete, still zu ruhen. Bei der Bahnreform wären wir dankbar, wenn er es tun würde.

Was macht er? Er will die Deutsche Bahn AG gemeinsam mit dem Netz privatisieren. Was bedeutet das? Wir haben Gott sei Dank in Baden-Württemberg Eliteuniversitäten, z. B. in Freiburg. Ich habe versucht, mich im Institut für Verkehrswissenschaft und Regionalpolitik schlauzumachen. Herr Professor Knieps hat in seiner Anfängerübung das mit den Monopolen für den Bahnverkehr folgendermaßen erklärt: Beim Schienennetz gebe es ein natürliches Monopol. Die Chancen, das zu revidieren, seien extrem gering. Bei dem Verkehr auf der Schiene gebe es kein Monopol. Deswegen könne man dort Wettbewerb organisieren.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wo er recht hat, hat er recht!)

Was heißt das also? Verkehrsminister Tiefensee schafft mit dieser Privatisierung – Kollege Wölfle hat darauf hingewiesen – ein Monopol. Was sind die Folgen von Monopolen? Ich darf wieder einen Wirtschaftswissenschaftler zitieren: Der Monopolpreis ist

immer und überall der höchste, den man aus den Käufern herauspressen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Der Preis bei freier Konkurrenz

ist der niedrigste, den der Verkäufer gewöhnlich noch hinnehmen kann, ohne aus dem Markt ausscheiden zu müssen.

Lieber Kollege Haller, das war Adam Smith. Sie sollten mehr Smith und weniger Marx lesen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf von der FDP/DVP: Jawohl! – Oh-Rufe von der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Der wird von Mal zu Mal blöder!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer zahlt diesen Monopolpreis, der aus den Käufern herausgepresst wird? Wer sind denn die Käufer? Die Käufer sind die Verbraucher, die Kunden der Deutschen Bahn AG. Wer profitiert davon? Es profitieren davon diejenigen, die Aktien kaufen.

Lieber Kollege Haller, schön, wenn das ganze Volk Aktien bekommt; dann profitiert halt das Volk. Aber letztlich ist es doch nicht sicherzustellen, dass die Aktien so verteilt bleiben. Das wissen Sie doch.

Dass die SPD Politik gegen die Verbraucher und für das Kapital macht, ist uns völlig neu. Sie sollten mit Ihrem Verkehrsminister einmal ernstlich darüber reden, ob die Grünen nicht recht haben und man das wirklich so machen kann. Unsere Politik ist es jedenfalls nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullin- ger FDP/DVP: Sehr schön!)

Die FDP/DVP ist natürlich für eine Privatisierung der Bahn, aber ohne Schienennetz. Deswegen stehen wir diesem Gesetzentwurf außerordentlich kritisch gegenüber. Das ganze Ge

setz ist eine folgenschwere Fehlkonstruktion und kostet den Steuerzahler für den späteren Wertausgleich mindestens 8 Milliarden €. Das ist ein ordnungspolitischer Amok, weil sich der Bund als Transport- und Logistikunternehmer aufspielt und letztlich versucht, damit auch noch die Konkurrenz kaputt zu machen. Das ist das Gegenteil von Wettbewerb, und das ist das Gegenteil dessen, wofür wir eintreten.

Eine Privatisierung, die diesen Namen verdient, muss dafür sorgen, dass auf einem Markt, der entstehen muss, auch ein Wettbewerb stattfinden kann. Wie schon Smith und alle Wirtschaftswissenschaftler nach ihm klargemacht haben: Nur der Wettbewerb sorgt dafür, dass die Kunden, dass die Verbraucher für das Produkt – in diesem Fall die Bahnfahrt – einen anständigen und fairen Preis zahlen. Alles andere spült das Geld nur in die Kassen des Monopolisten.

Gestatten Sie mir einen kurzen Ausflug zum Thema Strom. Da höre ich immer wieder die Frage, ob die Energiekonzerne – das Kartellamt prüft gerade; Sie haben das angesprochen, Herr Haller – mithilfe der Netze Wettbewerb verhindern. Bitte schön! Warum lernen Sie denn aus solchen Dingen nicht?

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullin- ger FDP/DVP: So ist es!)

Warum treten Sie schon wieder für diesen Unsinn ein? Das darf doch nicht wahr sein!

(Abg. Hans-Martin Haller SPD: Das nützt nichts!)

Kollege Scheuermann hat zu den Dingen im Land eigentlich alles gesagt, was gesagt werden musste. Ich will das nicht wiederholen. Die Frage ist, lieber Kollege Wölfle: Wie gehen wir mit dem Beschlussteil Ihres Antrags um? Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Bei dieser Lage – eine Große Koalition im Bund mit einer großen Mehrheit – muss die Landesregierung vernünftigerweise retten, was bei einer solch katastrophalen Bundesverkehrspolitik noch zu retten ist. Da hilft es uns nichts, wenn wir irgendwelche Alleingänge im Bundesrat machen würden.

Der Staatssekretär im Verkehrsministerium und der Verkehrsminister müssen schauen, wie wir die Interessen der Bahnkunden in Baden-Württemberg am besten sichern. Das tun sie. Mit den Beschlüssen der Verkehrsministerkonferenz ist zumindest das Schlimmste verhindert. Mehr können wir nicht erreichen. Wir können nur hoffen, dass auch der Bundesverkehrsminister endlich zur Vernunft kommt und dieses Gesetz wieder einsammelt.

Ich sage für die Liberalen nur: Große Koalition, großer Murks.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Jawohl! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wunderbare Rede!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wölfle.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nicht schon wie- der!)

Herr Scheuermann, Sie haben gesagt, die Regierungsfraktionen müssten finanzielle Verantwortung übernehmen. Wir können das auch. Deswegen haben wir kritisiert, dass man zuerst abbestellt und dann zu höheren Kosten wieder neu bestellen muss. Das war unsere Kritik an diesem Vorgehen bezüglich der Zugstreichungen.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, wir sollten als Land darauf achten, dass unsere Interessen einigermaßen gewahrt bleiben. Sie haben auf die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Infrastruktur hingewiesen. Da steht in der Stellungnahme der Landesregierung zu Abschnitt I Ziffer 2 unseres Antrags, die Landesregierung erwarte die Vorlage eines unterschriftsreifen Entwurfs einer solchen Vereinbarung, bevor man dann zustimmt. So soll es auch sein, dass der Entwurf unterschriftsreif vorgelegt werden sollte.

Wir wissen aber schon jetzt – der Bund ist Alleineigentümer –, wie schlecht die Infrastruktur zum Großteil ist: Hinter jeder zweiten Kurve ist eine Langsamfahrstelle, die Zustände unserer Bahnhöfe sind schlecht usw. Das haben Sie zum Teil richtig beschrieben. Obwohl der Bund Alleineigentümer ist, ist uns nur schlecht eine Kontrolle möglich. Der Glaube, dass wir mit dieser Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Infrastruktur ein wirksames Instrument erhalten würden, ist für mich das Gleiche wie der Glaube an den Weihnachtsmann.