Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Deshalb, meine Damen und Herren, wird die CDU-Fraktion dem Gesetzentwurf, wie er dem Ausschuss für Schule, Jugend und Sport sowie dem Sozialausschuss zur Beratung vorlag, zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bayer für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bisher vorgelegten und jetzt wiederholten Begründungen für diesen Gesetzentwurf sind abenteuerlich. Die Wirklichkeit ist eine völlig andere. Schon die Überschrift täuscht über die tatsächlichen Wirkungen dieses Gesetzes hinweg. Der Inhalt ist enttäuschend, und die parlamentarische Geschichte dieses Entwurfs ist geprägt von Schwerfälligkeit, Desinteresse, Täuschungsmanövern und Ignoranz.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Also! „Desinteresse“! Das ist wirklich das Hin- terletzte!)

Ich komme im Einzelnen noch darauf zu sprechen. – Es gab keinerlei echtes Interesse an einer inhaltlichen Diskussion. Nicht einmal ein völlig minimiertes Kompromissangebot des Landesjugendrings wurde zur Kenntnis genommen, aktuell wieder erneuert durch einen Brief der beiden katholischen Bischöfe

(Abg. Ingo Rust SPD: Sehr richtig!)

an die Fraktionsvorsitzenden – auch an Sie, Herr Dr. Noll – und an den Ministerpräsidenten. Alles in allem ist das ein jugendpolitisches Armutszeugnis!

(Beifall bei der SPD und des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

In letzter Not hat der Landesjugendring noch eine Website kreiert, die in Anlehnung an den Ehrenamtsslogan der Landesregierung heißt: www.echt-schlecht-bw.de. Es gab 40 000 Aufrufe dieser Seite innerhalb von sechs Tagen und Hunderte von Kommentaren. Hier äußern sich die Leute, die wirklich betroffen sind. Sie äußern sich differenziert, engagiert, kritisch, ironisch und auch ein ganzes Stück desillusioniert.

(Abg. Ingo Rust SPD: Die Seite ist sehr gut!)

Das ist tatsächlich die Realität. Dagegen sind die regierungsamtlichen Verlautbarungen reine Ehrenamtslyrik. „Lesen Sie einige dieser Beiträge, und Sie werden wissen, welchen gesellschaftlichen Schaden Sie anrichten, wenn das Gesetz in der geplanten Form beschlossen wird“, so mahnt der Vorsitzende des Landesjugendrings noch in diesen Tagen eindringlich.

Was hier vorliegt, ist ein Ehrenamtsverhinderungsgesetz mit einer tragischen Entstehungsgeschichte,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Also so überziehen sollte man doch nicht, bei aller Kritik!)

die ich in Stichworten noch einmal zitieren möchte.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Wissen Sie, was das für den Sport bedeutet? Das ist sogar hervorra- gend!)

Sie können ja nachher hier die Vorzüge für den Sport darstellen. – Seit den Siebzigerjahren gibt es Bestrebungen zur Novellierung des Gesetzes aus dem Jahr 1953, und es gibt unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern. Ende der Neunzigerjahre kam endlich Bewegung in Baden-Württemberg durch einen Beschluss der Enquetekommission „Jugend – Arbeit – Zukunft“. Zwischen 2001 und 2004 gab es gemeinsame Erklärungen aller jugendpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen und eine Unzahl von Initiativen meiner Fraktion. Ergebnis: Es wurde ein Gesetzentwurf versprochen, aber er wurde nie vorgelegt.

Jetzt endlich, im September 2007, liegt der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Stärkung des Ehrenamtes in der Jugendarbeit vor. Die Reaktionen, und zwar nicht nur von einzelnen Gruppen, sondern vom Landkreistag bis zu den katholischen Bischöfen, vom Landesjugendring bis zum KVJS, vom Caritasverband bis zum Landeskuratorium für außerschulische Jugendbildung, waren verheerend: „Klärungsbedarf“, „Zweifel“, „enttäuschend“, „einseitig“, „Rückschritt“, „Verschlechterung“, „sachlich falsch“, „nicht nachvollziehbar“.

Aber, meine Damen und Herren, so etwas ficht offensichtlich die Regierungsfraktionen nicht an. Entsprechend war auch der Stil in den Ausschussberatungen. Bei der Vorberatung im Schulausschuss gab es dazu keine Stellungnahme des Regierungsvertreters.

(Abg. Ingo Rust SPD: Was?)

Vonseiten der FDP/DVP tönte es sogar mir gegenüber: „Klappe halten!“

(Abg. Ingo Rust SPD: Unglaublich! Das ist ja unpar- lamentarisch!)

Bei der Beratung im federführenden Sozialausschuss gab es keine Stellungnahme vonseiten der CDU-Fraktion. Das nenne ich ein Gemisch aus Desinteresse und Ignoranz.

(Beifall bei der SPD)

Möglicherweise ist es ein Hinweis, dass die Kritiker des Gesetzentwurfs längst nicht nur auf den Oppositionsbänken sitzen. Vielleicht halten sie nur einfach den Mund. Von denen

könnte doch der eine oder die andere einfach einen unserer Änderungsanträge mittragen.

(Abg. Ingo Rust SPD: Richtig!)

Mit diesen Änderungsanträgen wollen wir dreierlei erreichen: erstens dass Auszubildende nicht nur fünf Tage Freistellung bekommen, zweitens dass die Versagensmöglichkeit aus dem Gesetz verschwindet und drittens dass auch regional anerkannte Träger Berücksichtigung finden. Wer sich solchen Forderungen verschließt, schwächt das Ehrenamt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Die Landesregierung proklamiert ja gern ein Klima für Zivilgesellschaft und für bürgerschaftliches Engagement. Der hier vorgelegte Gesetzentwurf ist aber einseitig davon geprägt, den angeblichen ökonomischen Erfordernissen der Wirtschaft Rechnung tragen zu müssen. Die Belange der Arbeitgeber werden weit mehr in den Mittelpunkt gerückt als die Regelung zur Stärkung des Ehrenamts.

(Abg. Ingo Rust SPD: Typisch!)

Dabei schätzen – das wissen wir alle – schon lange viele Personalverantwortliche in den Betrieben den Zugewinn an Sozialkompetenz, den Zugewinn an Motivation durch die Freistellung für ihre Betriebe wesentlich gewinnbringender ein als die Reduzierung des Freistellungsanspruchs auf fünf Tage.

(Abg. Werner Raab CDU: Dann sind sie doch frei, das zu tun! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Jeder kann diesen Zugewinn nutzen, wenn er davon über- zeugt ist!)

Ich finde es bedauerlich, dass die Ökonomisierung – ich kom me gerade auf Ihre Fraktion, Herr Noll – auf alle Lebensbereiche – auch auf die Jugendarbeit, auch auf das Ehrenamt – durchschlägt und davor nicht haltmacht.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich komme gleich zum Ende.

Ein letzter Gedanke: Ich finde es bezeichnend, dass dem Kollegen Theurer in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs dazu nur eingefallen ist: „It’s the economy, stupid!“ Zu Recht hat die FDP vom Landesjugendring eine – allerdings undotierte – Auszeichnung bekommen: die Saure Zitrone. Wohl be komm’s!

(Beifall bei der SPD – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Ende. – Es ist richtig: Jugendarbeit rechnet sich nicht, aber sie lohnt sich. Sie lohnt sich tausendfach, für die Einzelnen, für die Betriebe,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sie muss sich aber auch für die arbeitslosen Jugendlichen, die außen vor sind, rechnen!)

für die Gesellschaft als Ganzes. Das sollten Sie nicht per Gesetz erschweren. Deswegen sollten Sie unseren Änderungsanträgen zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Lehmann für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute die Zweite Beratung des Gesetzentwurfs. Frau Ministerin Stolz hat im April dieses Jahres anlässlich der Vorlage des Gesetzentwurfs zur Stärkung des Ehrenamtes in der Jugendarbeit zwei zutreffende und wichtige Aussagen gemacht.

Erste Aussage: Ehrenamtliches Engagement braucht Rahmenbedingungen, in denen es sich entfalten kann. Sehr richtig! Ich stelle aber die Frage: Wenn diese Rahmenbedingungen so wichtig sind, warum schränkt man diesen Rahmen ein? Wie soll die Entfaltung von Ehrenamtlichkeit geschehen, wenn hier – wie es in diesem Gesetz im Vordergrund steht – eine Einschränkung vorgenommen wird?

Zweite Aussage: Wer in jungen Jahren an freiwilliges Engagement herangeführt wird, bleibt dieser übernommenen Verantwortung meist auch im weiteren Lebensverlauf treu. Auch das ist eine sehr wichtige und richtige Aussage; denn hier wird der Grundstein dafür gelegt, dass lebenslanges Engagement auch für die anderen mitgefördert wird.

Es geht also nicht um die kurzsichtige Argumentation: „Der Auszubildende fehlt jetzt ein paar Tage im Betrieb; er bekommt ja auch keine Vergütung in dieser Zeit“, sondern es geht wirklich um die Frage: Welche Verantwortung tragen wir als Landesparlament für das ehrenamtliche Engagement? Wie schaffen wir es, dass der Bereich des ehrenamtlichen Engagements, mit dem, wie wir wissen, junge Leute heute oft Probleme haben, gefördert wird?

Die Novellierung des Gesetzes müsste doch genau das zum Ziel haben, Frau Ministerin. Genau das müsste das Ziel sein, eben keine Rolle rückwärts zu machen,