Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Die Folgen sind klar: Für die Betroffenen hat das wirtschaftliche Folgen, gesundheitliche Folgen und gesellschaftliche Folgen – man denke nur an die Beschaffungskriminalität in diesem Bereich.

Ziel des Glücksspielstaatsvertrags ist deswegen eindeutig die Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspielsucht, die Kanalisierung und Begrenzung des Glücksspielmarkts sowie der Jugend- und Spielerschutz. Dies sind die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags, und das sind auch unsere Ziele.

In dem Bereich, in dem der Glücksspielstaatsvertrag Regelungen vorsieht, macht er das sehr gut: bei den Lotterien und Sportwetten. Wir stehen zu diesen Regelungen und sind gegen eine Liberalisierung der Sportwetten. Auch im Bereich des Internets sind wir mit dem, was der Glücksspielstaatsvertrag regelt, sehr einverstanden. Wir sind auch zufrieden mit der Ausgestaltung des Bereichs, den wir als Land regeln, nämlich beispielsweise Spielbanken, also die Kasinospiele. Auch dort haben wir hohe Ansprüche an den Spielerschutz, den Jugendschutz und die Suchtprävention. In dieser Hinsicht sind wir sehr gut aufgestellt.

Wo wir noch nicht gut aufgestellt sind – und damit komme ich auf das zurück, was Herr Staatssekretär Fleischer gesagt hat –: Die EU sagt, wir brauchen ein konsequentes System im Glücksspielbereich. Da sind wir in manchen Bereichen eben noch nicht konsequent, nämlich dort, wo auch Glücksspiel stattfindet: bei den Spielhallen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Allerdings! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Deswegen brauchen wir auch für die Spielhallen eine Regelung, die Suchtprävention, Jugendschutz und Spielerschutz gewährleistet. Der Spieler unterscheidet nicht, ob er an einem Automaten in einem Kasino oder in einer Spielhalle spielt – das ist alles Glücksspiel. Deswegen müssen wir auch diesen Bereich durch ein Landesgesetz regeln.

(Beifall bei der SPD, der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch und Karl Zimmermann CDU sowie Brigitte Lösch GRÜNE)

Wir müssen einen weiteren Bereich regeln. Die Definition von Glücksspiel nach dem Glücksspielstaatsvertrag lautet:

Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.

Diese Definition, meine Damen und Herren, trifft auch auf die vielen, vielen Fernsehglücksspiele zu, die immer wieder ab 22 oder 23 Uhr auf diversen Kanälen zu sehen sind, wo leicht bekleidete Damen irgendwelche Suggestivfragen stellen und ein Zufallsgenerator auswählt, wer in der Telefonleitung durchkommt. Der Einsatz wird über die Telefonrechnung beglichen – mit Gebühren von 50 Cent pro Anruf –, und mehrere hundert Anrufe pro Abend sind da keine Ausnahme.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das muss doch kei- ner machen!)

Das heißt, auch dort handelt es sich um Glücksspiel. Ich fordere die Landesregierung auf, auch diesen Bereich anzugehen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Ende.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Schnell!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie nachdrücklich bitten, sich nicht von dieser liberalen Lobbyarbeit der Glücksspielunternehmen beeindrucken zu lassen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Pseudoliberal!)

Bleiben Sie beim Glücksspielsstaatsvertrag standhaft. Wir haben Verantwortung für die Menschen in diesem Land, und die werden wir wahrnehmen. Wir stimmen dem Glücksspielstaatsvertrag zu.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Neuenhaus das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es scheint ein guter Zeitpunkt zu sein, um über den Staatsvertrag zum Glücks

spielwesen und damit auch den Bereich der Sportwetten zu debattieren. Als wäre es so bestellt worden, sind die Medien derzeit intensiv mit diesem Thema befasst. Die Gründe dafür sind, wie Sie wissen, Insiderbehauptungen aus der Welt des Profitennis, wonach es seit Jahren einen florierenden Wettbetrug im Zusammenhang mit hochkarätigen Tennismatches gibt. Es scheint dabei um alles andere als einen Einzelfall mit dem russischen Spieler Dawidenko als Hauptfigur zu gehen. 140 verdächtige Matches zwischen Juli 2002 und September 2007 wurden der ATP vorgelegt. Eine WDR-Reportage spricht von einem Millionengeschäft, bei dem einige Spieler weit mehr Geld einstrichen, als ihnen der Gewinn des Turniers eingebracht hätte.

Ein weiterer Skandal scheint somit die Sportwelt zu erschüttern – nachdem wir noch nicht einmal den Dopingskandal im Radsport restlos aufgeklärt, geschweige denn bewältigt haben. Doch die Liebe zum fairen und integeren Sport ist nur ein Aspekt, der uns hier in die Verantwortung ruft.

Meine Damen und Herren, wir Grünen stehen sicher nicht in dem Ruf, unnötiger oder gar freiheitseinschränkender staatlicher Kontrolle das Wort zu reden.

(Beifall bei den Grünen – Oh-Rufe von der FDP/ DVP)

Es muss schon sehr gute Gründe geben, wenn unsere Fraktion für staatliche Kontrolle oder gar für eine Beschränkung bestimmter Berufswahl- oder Berufsausübungsrechte eintritt. Dass es solche Gründe bezüglich der Sportwetten gibt, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch sehr deutlich bestätigt. Der freie Zugang für die Sportwettenanbieter zum Markt wird in der diesbezüglichen Entscheidung zurückgestellt, um nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut abzuwehren – so steht es fast im Wortlaut im Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Schützenswerter als der freie Wettbewerb am Sportwettenmarkt erscheint dem Gericht der Schutz der Bürger und Bürgerinnen – und vielleicht sogar der Schutz der Sportfans vor getürkten Wettkämpfen, wie man sie mittlerweile schon beobachten kann.

Um nachzuvollziehen, dass bei der Gefahreneinschätzung von Hysterie nicht die Rede sein kann, muss man sich vor Augen halten, dass allein in Baden-Württemberg nach vorsichtigen Schätzungen 21 000 Personen als pathologische Spieler und Spielerinnen eingestuft werden können.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Beim Lotto, oder wo?)

Wer sich mit dem Phänomen der Wett- und Spielsucht beschäftigt hat, weiß, dass zu jeder dieser betroffenen Personen ein Umfeld aus Familie, Freunden, Arbeitgebern usw. gehört, die in erheblichem Maße mitbelastet werden – so wie es auch vorhin von dem Sprecher der SPD ausgedrückt worden ist – und die auch als Opfer bezeichnet werden können.

(Abg. Ingo Rust SPD: Ja!)

Bemerkenswert ist, dass parallel zum Ausbau der Glücksspiel angebote in den vergangenen Jahren auch die Zahl der pathologischen Spieler und Spielerinnen gestiegen ist.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sehr richtig!)

Wenn es um Suchtverhalten geht, kommen wir bei allem Respekt vor der freien Entscheidung nicht um staatliche Kontrolle und Einschränkungen des Wettbewerbs herum. Das lehren uns auch die Erfahrungen mit Alkohol und Zigaretten. Auch hier haben wir – zuletzt mit dem Rauchverbot in Gaststätten – den freien Zugang zum Markt für die Anbieter reglementiert.

(Abg. Ingo Rust SPD: Richtig!)

Sicher, Wettleidenschaft und Spielsucht führen nicht zu einem langsamen und qualvollen Tod. Aber sie können Familien zerrütten und Existenzen ruinieren, und das tun sie in der Realität tagtäglich.

(Abg. Ingo Rust SPD: Richtig!)

Einen geschützten Raum für die Freunde des Glücksspiels zu schaffen, in dem nach besten Kräften ein Missbrauch oder auch das Ausufern verhindert werden kann, muss daher unser Ziel sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Kindergärten für Spielende!)

Ob der neue Staatsvertrag diesem Anspruch und insbesondere den europarechtlichen Einwendungen genügen wird – diese Frage wurde auch schon von meinem Vorredner gestellt –, müssen wir abwarten und im Auge behalten. Aber im Staatsvertrag ist auch vorgesehen, dass eine Evaluation während der Geltung des Gesetzes stattzufinden hat. Hier sind wir in der Verantwortung, die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten.

Insbesondere wird unser Augenmerk darauf liegen müssen, dass das staatliche Monopol einhergeht mit der Übernahme von Verantwortung, Verantwortung für die Prävention von Spiel- und Wettsucht, und einer diesbezüglichen stringenten Ausrichtung werblicher Aktivitäten.

Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass allein fiskalische Interessen des Staates nicht ausreichen, das Wettmonopol zu rechtfertigen. Wir erwarten daher auch von der Landesregierung ein ganz klares Konzept für eine begleitende Kampagne zur Prävention von pathologischem Wett- und Spieleifer, ganz besonders im Hinblick auf unsere Jugendlichen,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die spielen eh nicht Lotto, sondern etwas anderes!)

die speziell im Bereich von Sportwetten eine dankbare, aber auch eine sehr gefährdete Zielgruppe sind.

Die Kontrolle eines freien, aber lizenzierten Wettmarkts würde bei einer zu erwartenden Vervielfachung der Angebote einen immensen und doch letztlich vergeblichen Aufwand produzieren. Ziel sollte es vielmehr sein, das gesamte Glücksspiel und die Wetten so überschaubar wie möglich zu halten, um das Suchtrisiko – wie auch vom Bundesverfassungsgericht eingefordert – spürbar zu minimieren. Diesem übergeordneten Ziel wird sich auch das Bundeskartellamt irgendwann zu fügen haben.

Zum Staatsmonopol gibt es meiner Einschätzung nach im Lichte des Verfassungsgerichtsurteils keine Alternative. Dem Glücksspiel und den Sportwetten einfach freien Lauf zu lassen mit dem – in diesem Fall fadenscheinigen – Hinweis auf den freien Wettbewerb, halten wir, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, für verantwortungslos.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist bekannt und wurde von Vorrednern auch schon angesprochen, dass die FDP/DVP aus verschiedenen Gründen diesem Gesetz sehr reserviert gegen übersteht.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)