In der aktuellen Ausgabe der „Wirtschaftswoche“ lesen wir in deren Leitartikel, in Boom-Boom-Württemberg herrsche über weite Strecken Vollbeschäftigung. Das ist aber für uns kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen, sondern wir müssen uns verdeutlichen, weshalb wir in Baden-Württemberg so gut sind, und wir müssen uns natürlich auch die Frage stellen, wie wir unsere Reformpolitik so fortsetzen, dass wir in BadenWürttemberg auf dem Spitzenplatz bleiben.
Es ist der innovative Mittelstand des Landes, es sind die innovativen kleinen und mittleren Unternehmen, die den Ursprung dieses Wohlstands und des Beschäftigungswunders, wie es die „Wirtschaftswoche“ nennt, in unserem Land darstellen. Wir investieren 3,9 % unseres Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung. Damit liegen wir weit über dem Bundesdurchschnitt, und deshalb liegt auch die Beschäftigungsquote in Baden-Württemberg weit über dem Bundesdurchschnitt.
Das Wirtschaftsministerium hat ein Mittelstandsprogramm zur Förderung der kleinen und mittleren innovativen Unternehmen vorgelegt – mit Innovationsgutscheinen zum Knowhow-Einkauf,
mit Innovationscoaching zur Know-how-Beratung und mit einem Beteiligungsfonds zur Know-how-Finanzierung.
mit einer Förderung der Vernetzung von Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft, spartenbezogen auf regionaler Ebene.
Aber ich sage auch ganz deutlich: Wir brauchen mittel- bis langfristig mehr Geld für die Innovationspolitik; denn diese Innovationspolitik ist es, die die kleinen und mittleren Unternehmen und damit das Wachstum und die Beschäftigung in Baden-Württemberg voranbringt.
Ich sage das in dem vollen Bewusstsein, dass unser zentrales landespolitisches Ziel die Sanierung des Haushalts ist. Aber wenn wir in diesem Bereich sparen, wenn wir nicht mehr Geld für die Innovationspolitik ausgeben, dann werden wir das mit weniger Beschäftigung und weniger Wachstum bezahlen, und das können wir uns langfristig nicht erlauben.
An einem weiteren Punkt müssen wir noch unsere Hausaufgaben machen. Das ist das Thema Fachkräftemangel. Wir brauchen in noch stärkerem Maße die Integration der hoch qualifizierten Älteren in den Arbeitsmarkt.
Hier ist es natürlich der völlig falsche Weg, die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I ausweiten zu wollen.
Wir brauchen eine stärkere Integration hoch qualifizierter Frauen in den Arbeitsmarkt, und wir müssen die Zugangsschranken für hoch qualifizierte ausländische Arbeitskräfte, die nach Baden-Württemberg zuwandern wollen, senken.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann sorgt doch ein- mal für eine ordentliche Kinderbetreuung! Wer ist denn in der Landesregierung?)
Wir brauchen aber auch eine Bundespolitik, die ihre Hausaufgaben erledigt. Was wir da im Moment in Berlin erleben, stimmt uns wenig hoffnungsfroh.
Eine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I – erst heute hat es der Sachverständigenrat denjenigen, die dafür plädieren, ins Stammbuch geschrieben – ist der völlig falsche Weg. Laut Bundesagentur für Arbeit kommt der Zuwachs von fast 600 000 Stellen im Verlauf des zurückliegenden Jahres zu zwei Dritteln den Älteren zugute. Wenn wir nun zur längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I zurückkehren, dann wird das unausweichlich dazu führen, dass die Großindustrie wieder zu ihren Frühverrentungsprogrammen übergeht, und dann werden wir genau das nicht schaffen, was
zwingend notwendig ist: die Älteren länger im Arbeitsmarkt zu halten, auch die qualifizierten Älteren.
Es ist schon eine bemerkenswerte Logik, wenn man dies so betrachtet. Die Agenda 2010 war ein zartes Pflänzchen, ganz sicher, aber sie war richtig. Auch als FDP-Politiker stehe ich nicht an, zu sagen: Es war vielleicht ein zartes Pflänzchen, aber es war ein richtiges Pflänzchen. Und nun stellen wir fest: Genau in dem Augenblick, da dieses zarte Pflänzchen beginnt, Früchte zu tragen, wird es ausgerissen. Meine Damen und Herren, das ist die Logik eines „trockenen Alkoholikers“,
der in dem Moment, in dem das Zittern aufhört, sagt: „Jetzt können wir wieder anfangen zu saufen.“ So kann man in diesem Land aber keine Politik machen.
In dem bereits erwähnten Leitartikel der „Wirtschaftswoche“ war von „Jammer-Beck“ die Rede. Wenn ich mir den Hamburger SPD-Parteitag vor Augen führe, habe ich ein etwas anderes Bild. Ich denke bei dem, was da zu erleben war, eher an „Kurt im Wunderland“. Da hat man den peinlichen Verwandten Gerhard Schröder nun ins Museum verfrachtet und gesagt: Gott sei Dank sind wir diesen peinlichen Verwandten los, jetzt können wir wieder zur guten alten Zeit des wohlfahrtsstaatlichen Volksheims zurückkehren.
Aber, meine Damen und Herren, dieses wohlfahrtsstaatliche Volksheim war auch in der Vergangenheit schon teuer. Wer in dieses wohlfahrtsstaatliche Volksheim nun wieder einzieht, wird feststellen, dass es auch diesmal wieder teuer wird. Und damit schließt sich der Kreis der Logik dieses Parteitags. Das Motto dieses Parteitags war ja, näher bei den Menschen zu sein. Ja, meine Damen und Herren, es ist uns schon klar, warum: Sie wollen näher bei den Menschen sein, um ihnen leichter in die Taschen greifen zu können.
Meine Damen und Herren, wir sollten noch über einige weitere Reformprojekte diskutieren. Ich denke, dazu wird in der zweiten Runde Gelegenheit sein.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Lektüre der Konjunkturberichte der IHK und der Erhebungen des Statistischen Landesamts bereitet Freude. Unser Land ist gut
aufgestellt: Es gibt den dritten Exportrekord in Folge, die Auslandsumsätze wachsen in zweistelligen Raten, die Talfahrt im Inlandsgeschäft haben wir längst hinter uns gelassen, und zur Vollbeschäftigung fehlt nur noch ein Wimpernschlag. Unsere Unternehmen steigern Umsätze und Ertrag von Jahr zu Jahr; auf den Spitzenplätzen bei den Wirtschaftsrankings sind wir heimisch. Der Wirtschaftsboom wird aber von Menschen getragen, von Menschen, die nicht jammern, sondern anpacken, die nicht klagen, sondern handeln, die mit Fleiß und Zielstrebigkeit ihre Zukunft und die Zukunft des Landes schmieden. Ihnen gelten unser Respekt und unser Dank.
Wir kennen aber auch die Zerbrechlichkeit des Erfolgs. Stetigkeit und Dauerhaftigkeit wirtschaftlichen Wachstums sind kein Gottesgeschenk. Sie müssen immer wieder aufs Neue erarbeitet werden. Erfolgreich ist nur der Wachsame. Schon jetzt läuft die Konjunkturlokomotive Gefahr, gebremst zu werden. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten, der Höhenflug des Euro sowie die steigenden Energie- und Rohstoffpreise dämpfen die Euphorie der Unternehmen. Ihr Vertrauen in die eigene Leistungskraft lässt sie zwar auch weiterhin zuversichtlich nach vorn blicken. Aber der Fachkräftemangel, insbesondere in den Naturwissenschaften, im Maschinenbau und in der Chemie, kann zu einem Wachstumshemmnis werden.
Entspannung ist nicht in Sicht; Investitionen in Bildung sind unverzichtbar. Wir unterstützen die betriebliche und außerbetriebliche Weiterbildung, die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und eine ideologiefreie Politik, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördert.
Mit unseren exzellenten Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben wir zudem die Chance, hoch qualifizierte Menschen aus aller Welt mit ihrem innovativen Potenzial anzuziehen und bei uns zu halten. Dabei spielen unsere hohe Lebensqualität, unsere Kultur der Offenheit und eine kulturelle Vielfalt in einem toleranten Klima eine Schlüsselrolle.
Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik arbeitet beständig an harten und weichen Standortfaktoren. Steigende Energiepreise, fehlende Infrastrukturen und mangelhafte Verkehrswege wirken kostentreibend. Der Vorschlag des Präsidenten der EUKommission Barroso, bei der Energiewirtschaft Netze und Produktion zu trennen, ist zielführend. Die Forderung nach einem bedingungslosen Ausstieg aus der Atomenergie ist aber vorläufig noch eine Farce.
Wir setzen auf den europäischen Hochleistungsschienenverkehr. Wir setzen auf Stuttgart 21, weil wir damit den Wohlstand der nächsten Generation sichern. Es ist jetzt die Zeit, die Saat auszubringen, damit unsere Kinder ernten können.
Allen Finanzneurotikern sei gesagt: Die Nullverschuldung kommt. Die Kosten von Großprojekten haben wir im Griff. Mit der neuen Landesmesse öffnen wir unserer heimischen Wirtschaft die Tür für neue Absatzmärkte und ermöglichen ihr strategische Kooperationen in ausländischen Märkten. Alle Kritiker und alle, die nichts beitragen, nehmen wir mit, damit sich das Bibelwort aus der Bergpredigt erfüllt: „Sie säen nicht, sie ernten nicht..., und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“
Auch wenn der Tisch reich gedeckt ist, darf die florierende Konjunktur die Politik nicht dazu verführen, auf Reformen zu verzichten. Die Globalisierung wird den Anpassungsdruck erhöhen. Protektionistische Vorschläge bringen uns nicht weiter.
Kein Land wäre durch Protektionismus so sehr betroffen wie unseres. Wir brauchen im Land ein unternehmerfreundliches Klima, das verlässliche Planungsgrundlagen und Investitionsanreize schafft. Das Wachstum darf nicht dazu führen, weitere Steuern, Abgaben und Kosten auf die Wirtschaft und den Bürger abzuwälzen. Alle Lohnnebenkosten müssen auf den Prüfstand.
Ohne ein einfaches, an der Leistungsfähigkeit orientiertes Steuerrecht bleiben wir nicht wettbewerbsfähig und attraktiv für ausländische Investoren. Es ist richtig, bei den Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen die Belastung durch eine Thesaurierungsbegünstigung zu senken, auch wenn die Bemessungsgrundlage breiter wird. Die Unternehmensteuerreform darf aber nicht zu einem Nullsummenspiel werden. Das geschieht, wenn Unternehmen auf real entstandene Kos ten wie gezahlte Mieten dem Gewinn 18,75 % hinzurechnen müssen und dafür Gewerbesteuer zu zahlen haben. Klingt da etwa die alte sozialdemokratische Neidideologie durch?
Substanzbesteuerung ist Gift für unsere Wirtschaft. Dabei gilt es ohnehin, die Gewerbesteuer ins Fadenkreuz zu nehmen. Wir müssen da reformbereit und reformfähig bleiben.
Mit der Reform der Erbschaftsteuer bei Betriebsfortführung von Familienunternehmen hat die Regierungskoalition im Bund eine tragbare Lösung gefunden, auch wenn ich für unseren Mittelstand eine Abschmelzung auf null Prozent vorgezogen hätte. Die 15-%-Regelung wird zu einer Bewertungsbürokratie führen. Über mangelnde Bürokratie kann sich unser Mittelstand aber schon jetzt nicht beklagen, zumal mit dem europäischen Bilanzrecht IFRS eine neue Komplexität am Horizont auftaucht.
Reformen in Baden-Württemberg voranzubringen heißt auch, Wissenstransfer zu stärken, das Niveau der Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu halten, Unternehmen auf den Campus zu bringen und die Kooperation unserer Hochschulen mit asiatischen Universitäten zu stärken.