Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP/DVP hat diese heutige Aktuelle Debatte beantragt. Ich will den Titel noch einmal vorlesen, damit alle wissen, was beantragt war. Er heißt: „Wirtschaftliche Erfolge nutzen – Reformen in und für BadenWürttemberg voranbringen“. Leider haben wir von Ihnen, Herr Kollege Rülke, dazu nichts gehört,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Doch!)

welche Reformen Sie hier in und für Baden-Württemberg voranbringen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Gehört schon, vielleicht nicht verstanden! – Heiterkeit bei der CDU)

Vielleicht meinen Sie so etwas, wie es gestern in der „Bild“Zeitung zu lesen war, so einen innovativen Vorschlag des Wirtschaftsministers. Da steht: „Kipp, kipp, hurra, die Sperrstunde ist bald nicht mehr da!“ Ist das die innovative Wirtschaftspolitik der FDP/DVP in Baden-Württemberg?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Auch! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Mit Rücksicht auf den Herrn Präsidenten habe ich Ihnen keinen Bierkrug mitgebracht, Herr Wirtschaftsminister, weil ich mir eine Rüge ersparen wollte.

Wir haben stattdessen von Ihnen, Herr Kollege Rülke, ein spätes Bekenntnis zur Politik der rot-grünen Bundesregierung gehört, nachdem Sie hier jahrelang ganz andere Töne von sich gegeben haben.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Da haben Sie et- was falsch verstanden!)

Herr Kollege Löffler hat aus der Bergpredigt zitiert. Tatsache ist, dass wir in Bezug auf Reformen in und für Baden-Würt temberg – zumindest vonseiten der FDP/DVP – sehr wenig gehört haben, obwohl wir vor Kurzem in der Zeitung lesen konnten, dass Kollege Noll der Ansicht ist, dass wir aus sozial- und auch aus wirtschaftspolitischen Gründen kein Potenzial brachliegen lassen dürften

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja!)

und es deshalb dringend notwendig wäre, die gemeinsame Grundschulzeit zu verlängern. Herr Kollege Noll, das ist ein sehr ehrenwerter Vorschlag.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Jawohl! Hinter dem ich stehe und über den wir auch weiterhin diskutie- ren!)

Wir halten ihn für richtig. Wenn Sie von der FDP/DVP einmal dazu kommen, nicht nur in Aktuellen Debatten herumzuschwadronieren, sondern auch Anträge vorzulegen, können Sie mit unserer Unterstützung rechnen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Rein- hold Gall SPD: Auch umsetzen!)

Leider stehen Sie, Herr Dr. Noll, in Ihrem Laden allein auf weiter Flur.

(Unruhe – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das wür- de ich noch abwarten!)

Ihre Landeschefin hat es gleich als Ihre rein persönliche Meinung deklariert. Aber wir hoffen, dass Sie da noch Überzeugungsarbeit leisten

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Jawohl! Das wer- de ich tun, Frau Kollegin!)

und als Vorsitzender einer Regierungsfraktion tatsächlich zu einer Umsetzung dieses Vorschlags kommen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Jawohl, werde ich tun!)

Das wäre wirklich eine wichtige und gute Reform, Herr Kollege Rülke, für Baden-Württemberg, die das Land voranbringen könnte.

Seit dem Sommer haben wir viel über Innovationsgutscheine lesen können, die der Herr Wirtschaftsminister ausgeben will.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oh, ganz toll!)

Das sei ein erfolgreiches Programm, schon über hundert Unternehmen hätten sich darum beworben, konnten wir lesen. Leider gibt es ein kleines Problem: Das Programm gibt es noch gar nicht. Bis das Programm beschlossen ist, besteht die Gefahr, dass diese hundert Unternehmen das Geld vielleicht schon nicht mehr brauchen, weil sie die Innovation anderweitig auf die Reihe bekommen haben.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Dann kommen die nächsten hundert!)

Also ist leider eine gute Idee, wie es scheint, verpufft und hat bis jetzt noch nichts gebracht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Da verpufft gar nichts, Frau Kol- legin! – Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist ein Pro- grämmle!)

Demnächst soll ein neues Mittelstandsprogramm kommen. Wir kennen den Inhalt nicht, aber wir möchten doch auf eine Gefahr hinweisen. Wenn Sie sich bei Unternehmen und gerade auch bei kleinen Unternehmen umhören, erfahren Sie, dass es nicht das Problem zu weniger Förderprogramme gibt, sondern vielmehr das Problem, dass es einen „Förderdschungel“ gibt,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da gibt es eine zentra- le Stelle! – Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/ DVP)

sodass all diejenigen, die in ihren Unternehmen keine eigenen Abteilungen haben, die gezielt Förderprogramme des Landes, des Bundes und der Europäischen Union durchfors ten und gucken können, ob da etwas für sie dabei ist, von den Programmen nicht profitieren können. Wenn Sie ein Mittelstandsprogramm für Baden-Württemberg auf den Weg bringen wollen, dann lautet unser dringender Appell: Beachten Sie, damit auch kleine und mittlere Unternehmen davon profitieren können, dass es ein transparentes und übersichtliches Angebot, in dem sich alle zurechtfinden, und keinen Dschungel gibt.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Alfred Winkler SPD: Bei den Handytarifen ist das auch ein Dschungel!)

Das Wort erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein Mensch wäre so töricht, ein Haus zu bauen und deshalb auf den Bau des Daches zu verzichten, weil gerade schönes Wetter ist. Für die Wirtschaftspolitik des Landes bedeutet dies, dass gerade in Schönwetterzeiten, gerade in konjunkturell guten Zeiten Vorsorge dafür getroffen werden muss, damit das Land Baden-Würt temberg wirtschaftspolitisch nicht nur heute eine Spitzenposition hat, sondern damit dies auch noch in zehn Jahren der Fall ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Norbert Zeller SPD: Dafür braucht man ein Fundament!)

Insofern ist diese Debatte absolut berechtigt, denn es geht in der Tat um die Vorschläge – darauf will ich eingehen –, was wir von Baden-Württemberg aus, aber auch vom Bund aus tun können, um dieses Ziel zu erreichen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Dachdecker! – Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE, eine „Bild“-Zeitung hochhaltend: Saufen statt schaffen! – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wer feste schafft, darf auch feste saufen!)

Es ist richtig, dass wir im Augenblick eine gute wirtschaftliche Lage, eine gute konjunkturelle Lage haben. Es gibt ein Problem: Diese gute wirtschaftliche Lage ist im Augenblick fast ausschließlich auf dem Export gegründet. Leider ist es noch nicht gelungen, die Binnennachfrage zu stärken. Wir werden aber – so sagen es die „fünf Weisen“ in ihrem heute veröffentlichten Gutachten – die große Chance haben, im kommenden Jahr 2008 eine verzögerte kräftige Nachfrage im Binnenbereich zu erhalten und damit eine zweite Stütze dafür zu haben, damit diese konjunkturell gute Situation nicht nur in den Jahren 2007/2008 gegeben ist, sondern auch noch darüber hinaus.

Allerdings tun wir auch gut daran – auch das will ich sagen –, die Binnennachfrage, auf die ich als zweites Bein zum Exportbereich sehr stark setze, entsprechend zu unterstützen. Wir hätten eine einmalige Chance, die Binnennachfrage dadurch zu erhöhen, dass z. B. die Überschüsse, die wir im Augenblick bei der Arbeitslosenversicherung haben, an diejenigen zurückgegeben werden, die sie tatsächlich bezahlt haben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Jawohl! Die haben es bezahlt, denen ge- hört es! – Abg. Ute Vogt SPD: Was hat das mit dem Dach zu tun?)

Wir hätten auf diese Art und Weise nicht nur die einmalige Chance, einen Beitrag zu leisten, um die leidigen Lohnnebenkosten in unserer Wirtschaft nach unten zu fahren, sondern auch die Chance, die Kaufkraft des einzelnen Bürgers, der ja mit 50 % an diesen Zahlungen beteiligt ist, entsprechend zu stärken und auf diese Art und Weise diese gute zukünftige Binnenkonjunkturentwicklung auch entsprechend abzustützen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE: Mehr Nachfrage nach Bier durch Aufhebung der Sperrstunde!)

Deshalb, meine Damen und Herren, geht es in der ganzen Debatte um ein einziges Ziel und um die Frage, wie wir es erreichen können: Priorität von Beschäftigung und Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Kurz formuliert könnte ich sagen: Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, dann sollten wir alles dafür tun, dass die von der SPD in Hamburg gefassten Beschlüsse nicht umgesetzt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Beschlüsse, die die SPD in Hamburg gefasst hat – das kann man in einem Satz sagen –, zielen darauf ab, dass in der Zukunft auch Arbeitslosigkeit finanziert werden soll.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das ist doch Quatsch!)

Wir wollen, dass nicht Arbeitslosigkeit, sondern Beschäftigung in diesem Land finanziert wird.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Norbert Zeller SPD: Sie haben die Beschlüsse gar nicht gelesen!)

Wenn Sie dann noch ein Zusätzliches tun wollen, um die Binnennachfrage zu stärken, dann gibt es da einige Dinge, die einfach nicht in Ordnung sind. Dass die Binnennachfrage jetzt so hinterherhinkt, hängt natürlich auch mit dem Thema Mehrwertsteuer zusammen.