Protokoll der Sitzung vom 28.11.2007

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Ausländer zah- len doch gar keine Studiengebühren!)

Sie haben sicher in diesen Tagen die Pressemeldungen in der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ gelesen: Die Universität Stuttgart weiß gar nicht, was ihr in diesem Semester geschehen ist. Sie verzeichnet eklatante Einbrüche bei den Studienanfängerzahlen; insbesondere gibt es starke Rückgänge bei den Anteilen von Frauen und von Ausländern, die ein Studium aufnehmen. Da muss doch irgendetwas passiert sein!

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Die müssen doch gar nichts bezahlen, die Ausländer sind doch momentan befreit!)

Ich glaube, es geht um mehr als um Probleme bei den Zulassungsverfahren.

Es gibt ein zweites Anzeichen, Kollege Pfisterer, dafür, dass auch finanzielle Probleme ursächlich sein könnten. Das HIS, das Hochschulinformationssystem, führt jedes Jahr eine Studierendenbefragung bzw. eine Abiturientenbefragung durch und betrachtet dabei die Motivationen, ein Studium aufzunehmen. Hierzu befragt sie auch diejenigen Menschen, die kein Studium aufnehmen, nach ihren Gründen. Im Jahr 2004 haben von denjenigen jungen Menschen, die nicht studieren, 23 % erklärt, sie studierten deshalb nicht, weil ihnen die finanzielle Belastung zu groß sei. Im Jahr danach waren es 25 %. Interessanterweise ist der Anteil der Frauen dabei von 25 % im Jahr 2004 auf dann 31 % im Jahr 2005 gestiegen. Das sind alarmierende Zahlen. Dazu muss gesagt werden, dass diese Befragungen zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurden, als die Studiengebühren noch gar nicht eingeführt waren.

Wir warten jetzt die Zahlen für 2006 ab, die zum Jahresende erwartet werden; diese Zahlen werden nicht besser geworden sein. Ich finde, das sind die wirklichen Probleme, über die wir hier diskutieren müssen. Die Studiengebührendarlehen, die in Baden-Württemberg angeboten werden, bieten hierauf überhaupt keine Antwort. Solange wir jedoch dieses Thema nicht wirklich in Angriff genommen

(Abg. Alfred Winkler SPD: Wir sind das einzige Bun- desland, das rückläufige Studierendenzahlen hat!)

und eine umfassende Reform der Studienfinanzierung auf den Weg gebracht haben, brauchen Sie sich hier nicht auf die Schultern zu klopfen und zu sagen, die Lage sei ein bisschen besser als anderswo. Sie ist es nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deshalb plädieren wir von grüner Seite aus dafür, mit diesem Flickwerk nicht mehr weiterzumachen, sondern vielmehr eine große Reform der Studienfinanzierung anzugehen. Sie muss elternunabhängig sein. Sie muss eine Bildungsgrundsicherung für alle jungen Menschen anbieten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 1 000 € für alle!)

Nein, es geht nicht um „1 000 € für alle“. Lesen Sie unsere Beschlüsse. Dann werden Sie richtig etwas lernen. Es kann ruhig auch mit weniger Geld gehen. Man braucht eine Darlehenskomponente, mit einem zinsvergünstigten oder einem zinslosen Darlehen, so wie es auch beim BAföG enthalten ist. Damit bauen wir finanzielle Hürden beim Studieren ab. Dann gewinnen wir junge Menschen zum Studium, und dann tun wir das, was dieses Land braucht, nämlich alle Studierfähigen und Studierwilligen zu einem Studium zu führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann für die Fraktion der FDP/DVP.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Oje! – Abg. Alfred Winkler SPD: Jetzt kommt Glanz und Gloria!)

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Studiengebühren: Endlich einmal hat die SPD-Fraktion ein neues Thema gefunden. Oder ist das vielleicht das Thema, über das wir schon in der letzten Sitzung und in der vorletzten Sitzung und auch bei der Sitzung davor mit Ihnen diskutiert haben?

(Zurufe der Abg. Ursula Haußmann, Reinhold Gall und Alfred Winkler SPD)

Wenn Sie uns ständig mit solchen sprühenden neuen Ideen kommen, soll auch uns das nicht daran hindern, Ihnen immer wieder zu erklären, dass die Einführung der Studiengebühren richtig war.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Vielleicht verstehen Sie das irgendwann auch, Frau Kollegin Haußmann.

Erstens: An den baden-württembergischen Hochschulen stehen dank der Studiengebühren 90 Millionen € zusätzlich für die Lehre zur Verfügung. Das kommt den Studierenden zugute.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Zweitens: Niemand wird durch die Studiengebühren abgeschreckt, ein Studium zu beginnen. Die Zahl wurde ja schon genannt. Wenn man, wie sich das gehört, alle Hochschulformen einschließlich der Berufsakademien hernimmt,

(Abg. Johannes Stober SPD: Es sind minus 1,4 %!)

haben wir in diesem Wintersemester 670 Studienanfänger mehr.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Das ist doch kein Grund, stolz zu sein!)

Drittens: Die Studiengebühren sind sozial verträglich ausgestaltet. Studierende, die behindert sind, die Kinder erziehen oder aus kinderreichen Familien stammen, können befreit werden.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Viertens: Die Darlehen, über die wir heute diskutieren, ermöglichen es allen, unabhängig von den Eltern, zu studieren.

(Abg. Martin Rivoir SPD: 8 % Zinsen!)

Denn diese Darlehen müssen erst nach dem Ende des Studiums zurückgezahlt werden, und das auch erst ab einer gewissen Einkommensgrenze.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Martin Rivoir SPD: 8 %!)

Außerdem sind die Studiengebühren offenbar moderat, wenn – wie sich aus der Stellungnahme der Landesregierung zu dem Antrag deutlich ergibt – nur 2,5 % der Studierenden den Kredit in Anspruch nehmen müssen.

(Abg. Johannes Stober SPD: Zum Teil studieren sie vielleicht gar nicht!)

Alle anderen sind offenbar in der Lage, sich das Geld anderweitig zu beschaffen.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Das ist doch zynisch! – Gegenruf des Abg. Werner Pfisterer CDU: 97,5 % sind zufrieden!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, heute will ich ausnahmsweise einräumen, dass Sie mit der Höhe des Zinssatzes einmal einen Punkt gefunden haben, an dem die Kritik vielleicht doch berechtigt ist.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Oh! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aha! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Sehr gnädig! Vielen Dank, Herr Kollege! – Abg. Mar- tin Rivoir SPD: Sie sollten einmal bei der L-Bank an- rufen! Wer sitzt denn da im Aufsichtsrat?)

Das ist aber keine Kritik an der Landesregierung oder der Koalition, sondern eine Kritik an der L-Bank. Die L-Bank ist eine selbstständige Einrichtung, auf die auch der Anteilseigner Land nur einen begrenzten Einfluss nehmen kann.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Al- fred Winkler SPD: So ein Pech!)

Ausnahmsweise gebe ich Ihnen jetzt einmal recht, dass über 8 % Zinsen – Kollege Rivoir hat das genannt – zu viel sind. Das Zinscap liegt ja sogar noch höher. Ein Zinscap ist im Bankerdeutsch offenbar die Obergrenze für einen Zinssatz und nicht so ein Kap, wie wir das verstehen, z. B. ein Kap der Guten Hoffnung. Gute Hoffnung kann man bei der Abwicklung durch die L-Bank ja auch wenig haben: Nimmt sie diesen hohen Zinssatz doch für ein Darlehen ohne jedes Risiko. Even

tuelle Ausfälle von Darlehen trägt ein Fonds, in den die Hochschulen einzahlen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Eben! Eben!)

Muss der Zinssatz also so hoch sein? Ist der Bearbeitungsaufwand dafür verantwortlich? In diesem Fall sollte die L-Bank das unbürokratischer handhaben. Vielleicht müssen Landesregierung und Landtag auch noch Regelungen anpassen. Oder sind es die Overheadkosten? Vielleicht ist die L-Bank in allen Dingen, von Immobilien bis zu den Vorstandsgehältern, einfach etwas zu üppig ausgestattet?

Bei Studienkrediten gibt es ja nur eine einzige relevante Frage, nämlich die, ob und in welchem Semester jemand studiert. Auch Kinder der dritten Grundschulklasse sollten in der Lage sein, das zu erkennen; denn eine Studienbescheinigung kann man auch in diesem Ausbildungsstadium – in der dritten Grundschulklasse – von einer Eintrittskarte in den Zoo unterscheiden. Dafür braucht man keine hoch bezahlten Banker.

Sollte die L-Bank also auf den hohen Zinsen beharren, sollte man nach unserer Auffassung das ganze Projekt Studiendarlehen ausschreiben. Ausschreibungen sind heutzutage bei jedem Buswartehäuschen üblich. Warum dann nicht auch bei einem Projekt dieser Größenordnung?

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz unabhängig von dieser Frage des Zinssatzes sind Studiengebühren aus Sicht der Koalitionsfraktionen sozial gerecht. Ich habe es hier schon einmal erklärt. Warum soll eine Kassiererin im Supermarkt mit ihren Steuergeldern Menschen finanzieren, die ihr später als Topmanager das Gehalt kürzen?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht!)

Ich werde nie verstehen, wie eine sozialdemokratische Partei ihre Wählerinnen und Wähler so im Stich lassen kann. Daran sehen Sie, von sozialer Gerechtigkeit