Protokoll der Sitzung vom 28.11.2007

Ich werde nie verstehen, wie eine sozialdemokratische Partei ihre Wählerinnen und Wähler so im Stich lassen kann. Daran sehen Sie, von sozialer Gerechtigkeit

(Abg. Reinhold Gall SPD: Haben Sie keine Ahnung!)

verstehen wir mehr als Sie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stober für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie einfach einmal das letzte halbe Jahr, in dem wir das Thema immer wieder einmal diskutiert haben, Revue passieren.

Wir hatten das erste Mal – das war nicht auf Ihren Antrag, Herr Kollege Bachmann, sondern auf Antrag der Fraktion der CDU – kurz vor der Sommerpause zu diesem Thema eine Aktuelle Debatte mit dem Ziel, mehr oder weniger die Segnungen des Studiengebührengesetzes zu feiern, und das, obwohl es selbst nach Auffassung des Ministeriums damals noch

keine belastbaren Zahlen über die Auswirkungen der Studiengebühren auf das Studierverhalten gegeben hat. Das Einzige, was wir damals wussten, war, dass die Zahl der Neueinschreibungen im Sommersemester landesweit um rund 12 % zurückgegangen ist. Das stand in dem Bericht „Erste Erfahrungen mit den Studiengebühren im Sommersemester 2007“ des Wissenschaftsministeriums. Damals hatten Sie, Herr Frankenberg – das hat sicher zum Teil reale Gründe oder erklärt zumindest zum Teil den Rückgang –, damit argumentiert, dass viele Studiengänge jetzt nur noch zum Wintersemester anfangen, sodass man diese 12 % Rückgang nicht als absolut nehmen kann.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Eben!)

Das hatten wir auch so akzeptiert. Wir haben dazu gesagt, dass wir diese Diskussion dann führen wollten, wenn wir Zahlendaten, Zahlengrundlagen vorliegen haben, die wirklich eine Analyse ermöglichen.

Wir hatten dann während der Sommerferien die Situation, dass immer neue „Wasserstandsmeldungen“ über gestiegene Bewerberzahlen durch die Republik gegangen sind, die mehr oder weniger suggerieren wollten, dass das Studierverhalten, dass die Entscheidung für ein Studium in diesem Land gewachsen ist. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie vergessen, dass durch die Unklarheiten, mit denen die Studienbewerber jetzt durch die neuen Auswahlverfahren konfrontiert sind, schlicht die Zahl der Mehrfachbewerbungen angestiegen ist.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Das hat nichts damit zu tun, dass unsere Hochschulen attraktiver oder weniger attraktiv geworden sind. Sie sind im Grundsatz so gut oder so schlecht, wie sie vorher waren.

(Beifall des Abg. Alfred Winkler SPD)

Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem das Wintersemester ein Stück weit angefangen hat, tröpfeln die realen Zahlen Stück für Stück ein. Es kamen sehr unterschiedliche Zahlen, etwa ein Plus der Studierendenzahlen um 670. Bei der Pressemitteilung des Statistischen Landesamts, die ich gelesen hatte, war von minus 1,4 % in der Summe die Rede. Es war davon die Rede, dass an den Universitäten der Anteil der Studienanfänger um 6 % zurückgegangen sei, während er an anderen Hochschularten wie z. B. an den Fachhochschulen gestiegen sei.

Was mich schon ein Stück weit erschüttert hat, war die Entwicklung an meiner eigenen Hochschule, nämlich der Universität Karlsruhe, die vor gut einem Jahr als Elitehochschule in diesem Land ausgezeichnet worden ist. Da lag in den letzten Semestern die Anzahl der Studienanfänger immer in der Größenordnung 4 200, 4 300. Jetzt sind es noch 3 980 an dieser Hochschule, die explizit für ihre gute Arbeit ausgezeichnet worden ist. Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Grund, innezuhalten und uns genau anzuschauen, was an unseren Hochschulen passiert.

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten, weil wir keine voreiligen Schlüsse ziehen wollten, als SPD-Fraktion einen entsprechenden Antrag an die Lan

desregierung gestellt, um wirklich die genauen Zahlen zu haben. Wir waren etwas verwundert, Herr Minister, dass Sie uns, nachdem das Statistische Landesamt am vergangenen Donnerstag entsprechende Zahlen verkündet hat, in Ihrer Stellungnahme zu dem Antrag Drucksache 14/1957 mitgeteilt hatten:

Die Erhebung der Zahlen für das Sommersemester 2007 an den Universitäten sowie für die Wintersemester 2007/08 an den Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen ist noch nicht abgeschlossen.

Nun mag es sein – ich habe vorhin mit Staatssekretär Dr. Birk gesprochen –, dass möglicherweise zu dem Zeitpunkt, zu dem das geschrieben wurde, die Zahlen noch nicht vorlagen. Aber ich wünsche mir für eine sachlich fundierte Debatte über die Auswirkungen der Studiengebühren, die eingeführt wurden, klare Zahlen. Sie liegen vor. Ich denke und wünsche mir, dass in dieser Drucksache 14/1957, die Sie uns gestern geschickt haben, bis zum nächsten Donnerstag, wenn der Antrag im Wissenschaftsausschuss behandelt werden soll, die Zahlen entsprechend ergänzt werden.

Was ich überhaupt nicht verstehen kann – das muss ich hier auch noch einmal sagen –, ist, dass Sie in Ihrer Stellungnahme schreiben, dass auch die Zahlen für das Sommersemester 2007 noch nicht vorlägen. Am 13. Juli 2007 hatten Sie – wenn ich das hier noch einmal kurz erwähnen darf – schon einen Zwischenbericht mit den Zahlen herausgegeben. Jetzt sagen Sie, die Zahlen lägen nicht vor. Das kann einfach nicht sein.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen hier eine fundierte Diskussion, in der wir uns wirklich die Zahlen zu den einzelnen Hochschulen anschauen, weil die unterschiedlich sind und es möglicherweise auch unterschiedliche Gründe dafür gibt, z. B. was die Auswahlverfahren angeht. Lassen Sie uns das vor diesem Hintergrund weiter intensiv diskutieren, und schauen Sie sich – das würde ich Ihnen raten – wirklich an, welche Auswirkungen Studiengebühren in diesem Land haben und wo möglicherweise Studierendenzahlen zurückgehen und wo sie nicht zurückgehen.

Ich denke, wir sind uns einig: Wir alle wollen das Ausbauprogramm „Hochschule 2012“, auch wenn wir uns über die Finanzierung streiten. Aber dann müssen wir dafür sorgen, dass die Studierenden hier in Baden-Württemberg auch das Angebot an Studienplätzen wahrnehmen. Das muss unser aller gemeinsames Ziel sein.

(Abg. Ingo Rust SPD: Sehr richtig!)

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Professor Dr. Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Her ren! Herr Rivoir, ich danke für das Zitat. Das war nicht mehr in meinem Kopf, aber es stimmt immer noch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit – Abg. Martin Rivoir SPD: Sie haben es wahrschein- lich nicht einmal selbst geschrieben!)

Aber ich habe es selbst gedacht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Herrlich!)

Nun aber zu der zum Teil auch von Ihnen durchaus verdrechselten Information.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zurufe)

Ich habe nicht gesagt „verdrexlerten“, sondern verdrechselten.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Ich habe schon verstan- den!)

Das ist gut.

(Heiterkeit des Abg. Werner Pfisterer CDU – Abg. In- go Rust SPD: Mit C, nicht mit X!)

Nun einmal zu den Anfängerzahlen. Wenn man wirklich erheben will, ob die Studienanfängerzahlen etwas darüber aussagen, ob die Studiengebühren vom Studium abschrecken oder nicht, dann muss man sinnvollerweise die Zahlen der Studienanfänger nehmen, die 500 € pro Semester zahlen. Das sind die Anfängerzahlen der Universitäten, der Pädagogischen Hochschulen, der Fachhochschulen, der Kunst- und Musikhochschulen und der Berufsakademien. Die Anfängerzahlen sind ausgehend vom letzten Wintersemester um 670 in diesem Wintersemester gestiegen.

(Zuruf von der CDU: Aha! – Abg. Johannes Stober SPD: Das Statistische Landesamt sagt etwas ande res!)

Das Statistische Landesamt – das sollten Sie erkennen, wenn Sie die Tabellen richtig gelesen haben – hat das nicht anders gesagt.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Wie sehen die Zahlen aus, wenn Sie die Berufsakademien herausnehmen? – Ge- genruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Warum sollten wir die herausnehmen? – Unruhe bei der CDU – Abg. Alfred Winkler SPD: Das muss ja nicht jeder verstehen! Die Frage muss ja nicht jeder verstehen! – Gegenruf des Abg. Klaus Tappeser CDU: Das war eine Anfängerfrage! – Lebhafte Unruhe)

Ich habe die Zahl aller Anfänger genommen, die 500 € pro Semester zahlen müssen, weil diese Zahl für die Frage relevant ist, ob 500 € Studiengebühren abschrecken oder nicht.

(Zurufe, u. a. Abg. Johannes Stober SPD: Geben Sie uns einfach die Zahlen, dann diskutieren wir sie im Ausschuss! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Minister!

Außerdem wollen wir die Berufsakade

mien keineswegs herausnehmen, wir wollen sie sogar zu Hoch schulen machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf: Sehr gut!)

Bei den Berufsakademien haben wir eine Steigerung der Zahl der Studienanfänger um 15 %.