Protokoll der Sitzung vom 28.11.2007

Zumindest das dritte Kapitel im Abschnitt I – Landesschulden – wird im kommenden Jahr ganz neu geschrieben werden müssen. Der Anstieg der Schuldenkurve wird sich nicht fortsetzen. Was für 2011 geplant war – davon haben wir noch im letzten Jahr gesprochen –, wird schon 2008 verwirklicht. Wir dürfen gespannt sein, was wir im nächsten Jahr in dem entsprechenden Kapitel lesen werden.

Sehr geehrter Herr Präsident Frank, für ein riesiges Arbeitspaket, das Sie und Ihre Mannschaft Jahr für Jahr auf den Tisch legen, danke ich Ihnen auch im Namen der CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rust für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Denkschrift des Rechnungshofs ist für uns auch in diesem Jahr ein interessantes und sehr wichtiges Werk, um das Regierungshandeln hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit und damit des sorgsamen Umgangs mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger bewerten zu können.

Auch in diesem Jahr sind in der Denkschrift wieder interessante Punkte nachzulesen. Aufgrund der Fülle möchte ich nur zwei Punkte etwas ausführlicher betrachten.

Zunächst – das wird Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, nicht wundern – werde ich noch einmal auf das Thema „Außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen“ eingehen. Denn was sich die Regierung dahin gehend im Umgang mit dem Parlament geleistet hat, ist eine Ungeheuerlichkeit ersten Ranges. Die Reaktion der Regierungsfraktionen hierauf zeigt eine große Unsouveränität gegenüber der Regierung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Worum geht es eigentlich? Um nach einer Ausschreibung den Vertrag für die Übertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen privaten Auftragnehmer unterzeichnen zu können, fehlten dem Justizministerium und dem Finanzministerium die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen, da dieser Vertrag eine Laufzeit von zehn Jahren hat und dafür Verpflichtungsermächtigungen bis zu einer Summe von 65 Millionen € im Haushalt notwendig sind.

Dass diese Verpflichtungsermächtigungen irgendwann notwendig werden würden, wusste man eigentlich schon seit Beginn des Pilotprojekts im Jahr 2003. Aber spätestens als am 18. Mai 2006 die Ausschreibung begann, war klar, dass man Verpflichtungsermächtigungen braucht und in welcher Größenordnung sich diese bewegen müssen.

Als das Ausschreibungsverfahren dann so gut wie abgeschlossen war, hat man bemerkt, dass man die Verpflichtungsermächtigungen jetzt doch irgendwie vergessen hat. Man hatte also nicht die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen, um den Vertrag unterzeichnen zu können. Da es bequemer schien, sich die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen selbst zu schaffen,

anstatt das Parlament daran zu beteiligen, hat man kurzerhand das Notbewilligungsrecht bemüht.

Was den großen Unterschied zu dem zuvor praktizierten Notbewilligungsrecht ausmacht, Frau Kollegin Lazarus: Als Vorsitzender des Finanzausschusses habe ich sowohl das Justizministerium als auch das Finanzministerium im Vorfeld darüber informiert, dass ich äußerste Bedenken hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Korrektheit dieses Verfahrens habe. Diese Bedenken wurden von beiden Ministerien verworfen und nicht beachtet. Deswegen ist es ein einmaliger Vorgang, dass trotz der Bedenken des Parlaments und meiner Person als Ausschussvorsitzendem das Notbewilligungsrecht in Anspruch genommen wurde.

Der Rechnungshof hat in seiner Denkschrift eindeutig fest gestellt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieses Notbewilligungsrechts nicht vorlagen.

Sogar der Staatsgerichtshof – das haben Sie sicher den Medien entnommen – hat in einem Urteil, das die SPD-Fraktion im Übrigen nicht nur für sich selbst, sondern für das gesamte Parlament erstritten hat, eindeutig festgestellt, dass der Finanzminister und die Regierung im Ganzen verfassungswidrig gehandelt haben. Ein beschämenderes Urteil über eine Regierung kann man eigentlich gar nicht fällen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Zukunft: Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Wenn Sie ein solches Verhalten der Regierung billigen, machen Sie sich in diesem wichtigsten Recht des Parlaments überflüssig und durchbrechen sogar die festgelegte Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative. Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, nicht einmal bei einem vom Rechnungshof und vom Staatsgerichtshof attestierten Vergehen der Regierung bereit sind, dieses Verhalten zu missbilligen. Wann, liebe Kolleginnen und Kollegen, wären Sie denn bereit, ein Verhalten der Regierung zu missbilligen, wenn Sie es nicht einmal dann tun, wenn sogar von unabhängiger Stelle – vom Rechnungshof und vom Staatsgerichtshof – ein Verfahren missbilligt wurde?

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Nie! – Abg. Reinhold Gall SPD: Gar nie!)

Ich fand es schade, dass die Regierungsfraktionen im Ausschuss nicht bereit waren, den Anträgen von SPD und Grünen zuzustimmen, dieses Vorgehen der Regierung zu missbilligen und sie aufzufordern, sich zukünftig an Recht und Gesetz zu halten.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE – Abg. Ursula Haußmann SPD: Hast du etwas anderes erwartet? – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das war eine Streitfrage! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Das war keine Streitfra- ge!)

Dass dies nicht selbstverständlich ist, Frau Kollegin Berroth, haben wir jetzt erfahren.

Der zweite Punkt, den ich aus der Denkschrift herausgreifen möchte, ist die Förderprogrammlandschaft im Bereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum. Das MLR ist ja immer ein beliebter „Partner“ des Rechnungshofs und damit auch des Finanzausschusses. Auch dieses Mal erweist sich das MLR als Beispiel für die absolute Notwendigkeit, den Rechnungshof als unabhängige Kontrollinstanz zu haben.

Der Rechnungshof hat bereits in seiner Denkschrift 1993 darauf hingewiesen, dass die zahlreichen Förderprogramme im Bereich des MLR gestrafft werden müssten, und kommt in der diesjährigen Denkschrift zu dem Schluss, dass sich in den 14 Jahren seit 1993 keine wesentlichen Verbesserungen ergeben haben. Weiter berichtet er, dass sich die Vertreter des MLR während der Prüfung entschieden gegen eine Erhebung des Verwaltungsaufwands der Förderprogramme ausgesprochen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts dieses Urteils nach 14 Jahren und des Verhaltens der Vertreter des MLR muss man sich schon die Frage stellen, ob das MLR an einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung interessiert ist.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE)

Beim Verwaltungsaufwand von umgerechnet 28 Millionen € hat der Rechnungshof in seiner Denkschrift 1993 ein erhebliches Einsparpotenzial aufgezeigt, und auch heute gibt es nach wie vor gravierende Mängel im Bereich der Förderlandschaft des MLR. Der Rechnungshof spricht davon, dass sich durch die Vielzahl der Förderprogramme im Bereich des MLR – insgesamt sind es 41 verschiedene Programme – erhebliche Probleme im Hinblick auf Transparenz, Kompatibilität und Überprüfbarkeit der Programme ergäben. Weiter sei der Verwaltungsaufwand bei der Abwicklung enorm. Beim MEKAProgramm berichtet der Rechnungshof sogar, dass Verwaltungsaufwand und Nutzen der verschiedenen Programme häufig in keinem angemessenen Verhältnis stünden.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Förderüberschneidungen. Wenn der gleiche Tatbestand von zwei Programmen mit gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen gefördert wird, dann ist die Frage berechtigt, ob nicht ein Durchforsten des Förderwalds – damit kennt sich der Landwirtschaftsminister ja aus – dringend angesagt ist.

Abschließend zu diesem Punkt: Es geht bei den Förderprogrammen des MLR um immerhin 400 Millionen €. Dass bei diesem Betrag Evaluation und ein systematisches Controlling notwendig sind, versteht sich eigentlich von selbst. Wir erwarten vom MLR, dass dies auch nachdrücklich umgesetzt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich als Prüfer der Rechnung des Rechnungshofs – sozusagen als Prüfer der Prüfer – noch eine Bemerkung zum Tagesordnungspunkt 10 b machen: Ich habe die Rechnung des Rechnungshofs geprüft und habe mich hierzu vor Ort in Karlsruhe vergewissert, dass der Rechnungshof auch in diesem Jahr sehr sparsam und wirtschaftlich mit seinen Mitteln umgegangen ist. Er wird in der Rechnung des Haushaltsjahres 2005 einen Betrag von fast 600 000 € an den allgemeinen Haushalt des Landes zurückgeben. Das ist lobenswert, wenngleich ich betonen möchte,

dass die Arbeit des Rechnungshofs uns ja im Idealfall Einsparpotenziale eröffnet und dieses Geld beim Rechnungshof sehr gut und produktiv angelegt ist. Ich kann Ihnen also guten Gewissens die Entlastung des Präsidenten des Rechnungshofs empfehlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, namens der SPD-Fraktion dem Rechnungshof und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die vielfältige Arbeit sehr herzlich zu danken. Wir zählen auch weiterhin auf Sie als kompetente, unabhängige und manchmal auch unerschrockene Berater unserer parlamentarischen Arbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst dem Dank an den Rechnungshof und an all seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anschließen und Ihnen, Herr Frank, und Ihrer gesamten Mitarbeiterschaft herzlich für die hervorragende Arbeit danken, die Sie für Parlament, Land und Verwaltung leis ten. Ihre Arbeit wird gerade angesichts der Tatsache, dass die Regierungsfraktionen in diesem Hause zu einer Kontrolle der Regierung eigentlich gar nicht mehr gewillt sind, immer wichtiger.

(Widerspruch des Abg. Jörg Döpper CDU – Gegen- ruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Das stimmt aber! Hundert Prozent! – Beifall bei der SPD)

Nach 50 Jahren an der Regierung schläft die rechte Seite dieses Parlaments schon ziemlich ein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Dass ihr nun schon 50 Jahre regiert, dafür könnt ihr nichts; schließlich seid ihr ja da hineingewählt worden – so sehr wir dies auch bedauern.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Bei der schwachen Oppo- sition müssen wir viel besser aufpassen!)

Aber das sollte kein Grund sein, seinen verfassungsmäßigen Auftrag nicht mehr wahrzunehmen, Herr Kollege Döpper.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Ein Beispiel dafür hat mein Vorredner, der Vorsitzende des Finanzausschusses, schon ausführlich dargestellt.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Ganz ruhig! – Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

Nachdem Sie 58 Millionen € für Golls Privatisierung der Bewährungshilfe außerhalb des Haushalts bewilligt haben, war die SPD mit einer Klage vor dem Staatsgerichtshof erfolgreich. Ihnen wurde verfassungswidriges Verhalten nachgewiesen. Aber Sie waren zu einer Missbilligung des Vorgehens der

Regierung nicht in der Lage – ja, Sie waren noch nicht einmal bereit, die Regierung aufzufordern, in Zukunft verfassungskonform zu handeln.

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Im Gegenteil: Ihr Sprecher im Ausschuss, der Kollege Herrmann, verstieg sich zu der Aussage, das habe man ja auch in anderen Fällen und immer schon gemacht

(Lachen der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Ute Vogt SPD: Das sind immer die tollsten Argumente!)

und daher gebe es gar keinen Grund, das Verhalten der Regierung zu missbilligen. Sie haben also sozusagen das Gewohnheitsrecht angeführt – nach der Maßgabe, Herr Innenminister: Es gibt auch Gleichheit im Unrecht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Ministers Heribert Rech)

Das also ist die neue Leitkultur der CDU!