Ich kann für unsere Fraktion sagen: Wir begrüßen grundsätzlich diese vertragliche Grundlage zwischen dem Land und den Kirchen. Die weiteren Einzelpunkte können wir im Ausschuss beraten. Wir sehen genügend Gründe dafür, dass wir auch in der Zweiten Beratung dem Vertragswerk so zustimmen können.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die christlichen Kirchen leisten für unser Land und in vielen Bereichen unserer Gesellschaft Großartiges. Sie sind Partner, sie sind Berater, sie sind Auftragnehmer des Staates und der Gesellschaft in ganz unterschiedlichen Bereichen. Bei der ersten Lesung dieses Gesetzes zum Kirchenvertrag möchte ich zunächst einige allgemeine Worte zum Verhältnis zwischen Staat und Kirchen hier in Baden-Württemberg sagen. In den Ausschussberatungen im Finanzausschuss und im Schulausschuss sowie in der zweiten Lesung werde ich noch auf einige Einzelpunkte eingehen.
Die christlichen Kirchen sind seit Jahrhunderten an der Gestaltung unserer Gesellschaft beteiligt und haben dabei eine Stetigkeit im Bestehen und in ihrem Auftrag an den Tag gelegt, die der Staat in dieser Geschichte nicht vorzeigen kann. Sie sind fester Bestandteil im Lebenslauf eines Großteils unserer Bevölkerung. 47 % der Baden-Württemberger sind katholisch, 46 % evangelisch. Dies erklärt, warum die christlichen Kirchen in unserem Land nach wie vor eine herausgehobene Rolle spielen. Ich möchte einige Bereiche nennen, in denen dies besonders deutlich wird.
Als einen ganz wichtigen Bereich erwähne ich zunächst den Bereich der sozialen Dienste, der Diakonie und der Caritas. Es gehört zum Auftrag eines jeden Christen, für seinen Nächs ten da zu sein. Das ist das höchste Gebot, das Jesus Christus seinen Jüngern gegeben hat. Die Kirchen in unserem Land führen diesen Auftrag seit Jahrhunderten aus. Sie tun dies heute als Träger ganz verschiedener Einrichtungen, größtenteils auch im Auftrag des Staates, etwa in der Altenpflege, in Gesundheitsbetrieben, in der Arbeitslosenunterstützung oder in der Obdachlosenarbeit.
Aber – es ist mir ganz wichtig, dies in diesem Zusammenhang zu sagen – sie tun dies nicht erst, seitdem der Staat dafür Geld gibt,
sondern sie tun dies in ihrer christlichen Verantwortung, aus Nächstenliebe, und haben dies auch schon getan, z. B. in der Pflege älterer Menschen, als es noch keine Pflegeversicherung gab. Erst als es wirklich Geld dafür gab, sind auch Private eingestiegen. Die Kirchen haben dies schon vorher aus Nächstenliebe gemacht, als es noch keine finanziellen Mittel des Staates dafür gab.
Ein weiterer großer Bereich, in dem sich die Kirchen vor allem finanziell engagieren, ist der Denkmalschutz. Die Kirchen sind der zahlenmäßig größte Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden in Baden-Württemberg. Wenn wir die vielen, vielen historischen, denkmalgeschützten Kirchen und Pfarrhäuser in unserem Land anschauen, bin ich, auch als Finanzpolitiker, froh, dass die Kirchen da sehr viel eigenes Geld hineinstecken, um diese historischen Gebäude zu erhalten. Sie sind für die Kommunen, aber auch für das Land im Ganzen ortsbild- und landschaftsprägend. Ich bin froh, dass sich die Kirchen in diesem Bereich so hervorragend engagieren.
Die Kirchen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch im Bildungsbereich und im Betreuungsbereich ein wichtiger Partner der Politik. 45 % der baden-württembergischen Kindergärten und Kindertageseinrichtungen sind kirchliche Einrichtungen. Daran wird deutlich, welche Bedeutung die Kirchen als Partner für uns im Bereich der Kinderbetreuung und der Bildung haben. Die Kirchen betreiben Schulen in allen Schulformen, und sie halten in unserem Auftrag Religionsunterricht an den staatlichen Schulen und sind damit auch unser Partner in der Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen.
Ein weiterer Bereich, den ich noch erwähnen möchte, ist das Ehrenamt. Die Kirchen in unserem Land gehören zu den größten Organisationen des Ehrenamts in Baden-Württemberg. Ich möchte einen Bereich ganz besonders hervorheben, nämlich die kirchliche Jugendarbeit.
Dort werden Woche für Woche Hunderttausende von Jugendlichen und Kindern in Jugendkreisen, Jungscharen, auf Freizeiten oder in Kindergottesdiensten betreut, und dies in einem hohen Maß eben wieder von Jugendlichen, die sich dort ehrenamtlich engagieren. Dies ist eine großartige Arbeit, die die Kirchen und ihre Jugendorganisationen in diesem Bereich leis ten.
Ich möchte noch einen weiteren Bereich ansprechen, der für uns als Politiker bzw. als Landtag wichtig ist. Die Kirchen sind uns auch Berater. In vielen Bereichen, wo es um Ethik und Grundsatzfragen des menschlichen Lebens geht, sind die Kirchen für uns Berater. Wir hören auf das, was sie sagen. Sie sind auch Mahner, wenn der Staat einmal zu weit geht. Ich möchte betonen, dass es für uns sehr wichtig ist und auch in Zukunft wichtig sein muss, dass sich Kirchen in das politische Geschehen einmischen, wenn es um Grundsatzfragen des menschlichen Lebens geht.
All diese Berührungspunkte, liebe Kolleginnen und Kollegen, und noch viele mehr haben wir zu den christlichen Kirchen. Bisher beruhen diese Beziehungen, zumindest im württembergischen Teil des Landes, auf Einzelverträgen und einzelnen Gesetzen.
Es ist wichtig und richtig, dass wir die vielen einzelnen Regelungen nun in ein Gesamtwerk gießen. Herr Minister, Sie haben von Vertrauen gesprochen. Vertrauen ist gut, Vertrag ist besser. Die SPD-Fraktion unterstützt das Vorhaben eines Vertrags zwischen dem Staat und den Kirchen.
Ausdrücklich möchte ich noch einmal sagen: Wir danken den Kirchen für ihr vielfältiges und wertvolles Engagement in den unterschiedlichen Bereichen. Ich möchte Sie, lieber Herr Bischof July, bitten, diesen Dank in Ihre Gremien mitzunehmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Trennung von Staat und Kirche gehört zu den fundamentalen und epochalen Ereignissen unserer westlichen Zivilisation. Bis es zu dem Zustand kam, den wir heute haben, hat es fast tausend Jahre gedauert, nämlich seit dem Investiturstreit von König Heinrich IV mit Papst Gregor VII. Es waren viele Kämpfe und auch sehr blutige Auseinandersetzungen zu bestehen, bis es gelang, das Verhältnis zwischen Staat und Kirche auf eine friedliche Grundlage zu stellen.
Dort, wo die Trennung zwischen Staat und Kirche nicht besteht, können wir sehen, dass daraus oft schweres Unheil entsteht, so, wie wir das heute in vielen Staaten mit muslimischer Tradition feststellen können.
Die Trennung von Staat und Kirche hat nun in Deutschland die Form der kooperativen Trennung. Das heißt, die Kirchen sind die bedeutende Kraft der Zivilgesellschaft. Diese kooperative Trennung von Staat und Kirche, die gleichzeitig dazu führt, dass wir kein laizistischer, sondern ein säkularer Staat sind, halte ich für ein erfolgreiches Modell, und ich meine nicht, dass wir andere Modelle übernehmen müssten.
(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)
Diese kooperative Form der Trennung von Staat und Kirche findet nun in diesem Vertragswerk ihren Ausdruck. Denn das ist ein Vertrag zwischen Vertragspartnern auf Augenhöhe.
und zeigt in positiver Weise die Entfaltung des Grundsatzes der kooperativen Trennung von Staat und Kirche, die natürlich in praktischer Hinsicht in vielerlei Arten der Zusammenarbeit mündet. Der Kollege Rust hat bereits sehr ausführlich dargelegt, welch eine tragende Rolle die Kirchen in unserer Gesellschaft spielen.
Die wesentlichen Vertragsinhalte wie Glaubensfreiheit, Selbstbestimmungsrecht, Ausstattung der theologischen Lehrstühle, Theologenausbildung, christliche Gemeinschaftsschulen, Religionsunterricht, staatliche Leistungen etc. werden insgesamt
Neben dieser Bündelung entsprechend der Rechts- und Sachlage enthält das Vertragswerk auch einige Neuregelungen, beispielsweise die Festschreibung der Staatsleistung entsprechend der Vereinbarung des Ministerpräsidenten mit allen vier Bischöfen vom 10. Oktober 2006, wobei für die Zahlungen ab 2010 im Wege eines Kompromisses die Kürzungen des Jahres 2003 zur Hälfte zurückgenommen werden; die Dynamisierung erfolgt entsprechend der Entwicklung der Beamtenbesoldung. Wir halten das für eine gute Vereinbarung, die einerseits die Haushaltssituation berücksichtigt, andererseits aber auch in der Zukunft den Kirchen Planbarkeit gewährleis tet. Ich glaube, das ist in einem solchen Verhältnis wichtig.
Es wird noch einmal klargestellt, dass in kirchensteuerrechtlicher Hinsicht ein Übertritt keinen vorherigen Austritt erfordert. Es gibt eine Status-quo-Garantie der kirchlichen Feiertage – wobei ich mich etwas gewundert habe, dass die evangelische Kirche den Buß- und Bettag nicht in das Vertragswerk eingebracht hat. Denn wir können feststellen: Die Länder, die die meisten Feiertage haben, sind wirtschaftlich am erfolgreichsten.
Aber das sehen vielleicht nicht alle so. Ich finde es auch gut, dass das in diesem Vertrag jetzt klar geregelt ist.
Der Vertrag übernimmt aus Artikel 12 der Landesverfassung den Auftrag, unsere Kinder im Geiste der christlichen Nächs tenliebe zu erziehen. Dagegen ist natürlich insofern erst einmal nichts einzuwenden, als hier eine Verfassungsvorschrift übernommen wird. Aber ich möchte schon kritisch fragen, ob das in einer pluralistischen Gesellschaft, in der viele Menschen gar nicht an Gott glauben oder nicht einer christlichen Konfession angehören, eigentlich eine richtige Verfassungsbestimmung ist
und ob solche Fragen in einer Verfassung nicht säkularisiert werden müssen. Ich erinnere noch einmal an Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Da heißt es:
Dieses „unantastbar“ ist ein profaner Ausdruck für heilig. Ich glaube, dieser Begriff wurde nicht umsonst verwendet, weil sich nämlich sonst diejenigen, die weder christlich sind noch es werden wollen, von solchen Verfassungsgrundsätzen überwältigt fühlen könnten. Aber die Verfassung muss wenigstens theoretisch jeder unterschreiben können, denn sie ist ja ein Dokument des Gesellschaftsvertrags. Ich glaube, dass wir für die Zukunft überlegen müssen, ob wir dafür säkulare Formulierungen finden müssten.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Skandalös! – Glocke des Präsi- denten)
Ich würde an Ihrer Stelle eher Gegenargumente anführen, anstatt einfach „Skandalös!“ dazwischenzukrähen. Ich weiß nicht, was das soll.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Also was wahr ist, muss man auch sagen dürfen! – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)