Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 37. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Krank gemeldet ist Herr Abg. Reichardt. Ich spreche sicherlich auch in Ihrer aller Namen, wenn ich Herrn Kollegen Reichardt nach dem von ihm erlittenen Verkehrsunfall auch von dieser Stelle aus eine baldige Genesung wünsche.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt vervielfältigt auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
1. Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in BadenWürttemberg vom 3. Dezember 2007 – Achtundzwanzigster Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in BadenWürttemberg – Drucksache 14/2050
2. Antrag des Finanzministeriums vom 7. Dezember 2007 – Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2006 – Drucksache 14/1216
3. Mitteilung des Finanzministeriums vom 18. Dezember 2007 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, DS 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, DS 6/3910 Ziff. II Nr. 6) ; Haushaltsjahr 2007 (Januar bis September) – Drucksache 14/2150
Aktuelle Debatte – PISA und IGLU: Signifikante Verbesserungen der deutschen Schülerleistungen – keine Grundlage für tendenziöse Bewertungen von OECD-Mitarbeitern – beantragt von der Fraktion der CDU
Es gelten die üblichen Redezeiten für eine Aktuelle Debatte: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns in den vergangenen Jahren immer wieder mit den Ergebnissen internationaler Leis tungsstudien – ob sie nun IGLU oder PISA heißen – beschäftigt. Das haben wir auch deshalb getan, weil wir genauso wie die Öffentlichkeit von den Werten, die Deutschland bei den ersten Veröffentlichungen erreicht hat, überrascht waren. Die Verbesserung dieser Ergebnisse haben wir auch als Aufgabe angenommen.
Die Zahlen des Jahres 2006, die in den letzten Wochen veröffentlicht wurden, geben Anlass zu der Feststellung, dass sich die Schülerleistungen deutlich verbessert haben. Deshalb wollen wir diese Verbesserungen hier gern auch in einer Aktuellen Debatte behandeln – genauso wie wir uns mit den Schülerleistungen auch in den vergangenen Jahren immer wieder befasst haben.
Bei der Leistungsuntersuchung IGLU – dabei werden die Leistungen von Grundschülerinnen und Grundschülern geprüft – hat Deutschland unter 45 Staaten und Regionen Platz 11 erreicht.
Die Bildungsforscher haben dazu gesagt – das ist nicht unsere Bewertung, sondern die Bewertung derer, die die Studie begleiten –: Deutschland ist auf einem Spitzenplatz. Diese Bewertung ergibt sich auch daraus, dass in anderen Ländern, die an der Spitze stehen, bis zu 8 % der Schülerinnen und Schüler von vornherein aus der Untersuchung herausgenommen worden sind.
Deutschland hat als eines von elf Teilnehmergebieten signifikant bessere Ergebnisse als 2001 erreicht. Der Anteil der Risikogruppe in Deutschland ist auf 13,2 % gesunken. Nur in zwei Staaten oder Regionen liegt dieser Anteil signifikant niedriger.
Es bleiben Aufgaben bestehen; das wurde bei IGLU ebenso festgestellt wie bei der PISA-Studie. Wir haben beim Lesen wenige Schülerinnen und Schüler im oberen Kompetenzbereich. Bei uns besteht immer noch ein großer Zusammenhang – auch wenn er inzwischen kleiner geworden ist – zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Wir haben bei den Leseleistungen sehr große Unterschiede zwischen den Kindern mit und denen ohne Migrationshintergrund.
Bei der PISA-Studie aus dem Jahr 2006 hat Deutschland erstmals in einem Kompetenzbereich signifikant über dem OECDDurchschnitt abgeschlossen, nämlich in den Naturwissen
schaften, wo es unter den 30 OECD-Staaten Platz 8 einnimmt. Wir haben uns in allen drei Kompetenzbereichen – Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften – im Mittelwert und in der Platzierung über die Jahre 2000, 2003 und 2006 verbessert, in dem besonders wichtigen Bereich des Lesens von Platz 21 im Jahr 2000 auf Platz 18 im Jahr 2003 und auf Platz 14 im Jahr 2006. Deutschland, so die Bildungsforscher, fällt damit positiv auf.
Meine Damen und Herren, in Deutschland hat sich in der Bildung und in der Bildungspolitik etwas getan. Wir haben im internationalen Vergleich verbesserte Leistungen. Das ist wichtig und gut und spricht für eine gute Bildung der Schülerinnen und Schüler. Wir freuen uns über dieses Ergebnis.
Dadurch zeigt sich auch der Erfolg verschiedener Maßnahmen. Es ist nicht eine politische Maßnahme gewesen, sondern es ist insgesamt zu verzeichnen, dass der gesamtgesellschaftliche Blick auf Lesen und frühe Sprachförderung ein anderer geworden ist. Die Lehrerinnen und Lehrer vor allem in den Grundschulen haben in ihrer Arbeit darauf reagiert. Wir haben im Land Baden-Württemberg in der Sprachförderung durch Maßnahmen wie den Orientierungsplan für die Kindergärten oder durch besondere Sprachförderinstrumente reagiert und werden das auch weiter tun. Wir haben in Baden-Würt temberg für die Schulen mit der Bildungsplanreform und dem Qualitätsentwicklungsprozess, der sich hinter dem Stichwort Evaluation verbirgt, weitere Beiträge geleistet.
Wir haben aber das alles in Deutschland insgesamt nur deshalb erreichen können, weil wir vor sechs Jahren eine Debatte über die Qualität und nicht vorrangig über die Schulstruktur geführt haben.
Deshalb halte ich es für unverantwortlich, wenn von der vermeintlich hohen Warte der OECD trotz der positiven Entwicklung nach zwei bzw. drei Studienabschnitten Deutschland in eine Strukturdebatte gedrängt wird. Ich halte dies für unverantwortlich, weil es den Erfolgen nicht Rechnung trägt, die sich nicht aus einer Strukturdiskussion, sondern aus der Qualitätsentwicklung ergeben haben.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Richtig! So ist es!)
Es ist schon fragwürdig, wenn die Verbesserungen im eigenen Programm infrage gestellt werden. Aber wenn ein Feldzug gegen das gegliederte System durch den deutschen PISAKoordinator bei der OECD, Schleicher,
oder den Leiter des OECD-Büros in Berlin, von Meyer, geführt wird, dann halte ich das für eine Bewertung, die sich – wenn man es gut mit ihnen meint, kann man dies noch zugestehen – vielleicht auf bestimmte Belege stützen kann, auch wenn diese umstritten sind. Aber ich schließe mich den Wissenschaftlern an, die die Studien durchgeführt haben und die
Diese Wissenschaftler sagen etwas anderes. Wir haben Verbesserungen unabhängig von der Systemdiskussion erreicht, auch wenn das Herrn Schleicher nicht passt und er deshalb die Verbesserungen infrage stellt. Die OECD wird damit ihrer Aufgabe nicht gerecht. Sie schmälert ihre Leistungen, die sie mit diesen internationalen Studien zweifellos erbracht hat. Wir unterstützen deshalb den Minister mit seiner Kritik an dieser Position. Wir werden auf dem eingeschlagenen Weg mit den Verbesserungen – Sprachförderung, Qualitätsentwicklung – weitermachen. Wir werden auch die Situation der Migrantenkinder weiterhin im Auge behalten. Das ist keine Aufgabe, die sich allein der Schule stellt.
Wir hoffen, dass Sie ebenso wie wir – und hoffentlich auch Herr Schleicher – genau auf die Daten und Zahlen schauen. Wir hoffen, dass wir wieder über Qualität diskutieren und nicht nur oder doch zumindest nicht vornehmlich über die Struktur.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor wenigen Wochen sind uns neue Ergebnisse aus der IGLU- und der PISA-Studie dargestellt worden. Es ist erfreulich, dass wir zu einem Thema, das eines der zentralen Themen der Landespolitik ist, eine Aktuelle Debatte erleben.
Was könnte man denn heute für eine Debatte führen? Da gäbe es erst einmal die Möglichkeit, meine Damen und Herren, eine Debatte zu führen, in der wir uns auf fachlicher Ebene auseinandersetzen. Es würde auch einer Regierungspartei gut anstehen,
Der Titel könnte z. B. heißen, Herr Schebesta: „PISA und IGLU: Signifikante Verbesserungen der deutschen Schülerleis tungen? – Was wir dazu beigetragen haben, und was wir dazu beitragen können.“ Dann könnten Sie uns z. B. einmal erklären, warum wir im Bereich der Grundschule so gut abschneiden, aber die Erfahrungen im Bereich der Grundschule nicht nutzen, um dann anschließend im weiterführenden Schulsystem eine ähnliche Verbesserung durchzuführen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist genau der Punkt!)
Sie könnten uns erklären, was das Ganze mit dem Orientierungsplan zu tun hat, der doch erst zum Jahr 2009 flächendeckend eingeführt wird und den im Moment allenfalls ein
zelne Modellstandorte im Land überhaupt umsetzen können. Sie könnten uns erklären, was das mit der Bildungsplanreform zu tun haben könnte, nachdem diese wegen der schlechten Lehrerversorgung und anderer Probleme vor Ort, die Sie auch nicht leugnen können, immer nur sporadisch umgesetzt werden kann. Und Sie könnten uns erklären, ob das nicht vielleicht doch auch etwas mit dem gewachsenen Bildungsverständnis der Eltern und den eminent gestiegenen Nachhilfekosten, die von privater Seite immer noch finanziert werden, zu tun hat. Es bleibt nämlich die Frage, ob die Verbesserungen wirklich etwas mit der Entwicklung in der Schullandschaft zu tun haben – zumal wenn wir dabei berücksichtigen, dass der Bildungshaushalt dieses Landes nicht gestiegen ist, sondern allenfalls die anderen Kostensteigerungen aufgefangen hat.