Protokoll der Sitzung vom 18.12.2007

Diesen Weg wollen wir einschlagen und haben Sie dann hoffentlich auf unserer Seite.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Lehmann das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die beabsichtigte Gesetzesänderung zum Schulgesetz kommt im Grundsatz dem gemeinsamen und unumstrittenen Anliegen aller Fraktionen des Landtags nach, eine verstärkte Verzahnung von Schule und Jugendhilfe im Schulgesetz zu verankern. Daher wird die Fraktion GRÜNE – auch wenn Sie den von uns vorgelegten Änderungsanträgen nicht folgen werden – dem Gesetzentwurf bei der Schlussabstimmung zustimmen.

Trotz der grundsätzlichen Übereinstimmung sind wir mit den kommunalen Landesverbänden der Ansicht, dass die Geset zesänderung nicht nur zu kurz greift, sondern an verschiedenen Stellen auch eine Konkretisierung vermissen lässt. Warum muss – das wurde ja schon angeführt – Jugendhilfe auch in der Schule eine Rolle spielen? Die Diskussion, die wir heute noch über die Rolle der Schulsozialarbeit haben und bei der

noch viele Fragen ungeklärt bleiben – etwa die, wo überall Schulsozialarbeit hingehört und verankert werden müsste und wie dies zu finanzieren ist –, macht deutlich, dass gesellschaftlich zwar wahrgenommen wird, dass in der Schule ein Problem besteht, dass derzeit jedoch noch unklar ist, wie diese Vernetzung mit der Jugendhilfe zu leisten, zu organisieren und zu finanzieren ist.

Entsprechendes gilt für das Thema Schulpsychologie, über die aufgrund von Problemen, die in den Schulen sichtbar werden, gleichfalls vermehrt diskutiert wird.

Die kommunalen Landesverbände haben ihre Kritik zum Ausdruck gebracht. Ich meine, es ist ein bisschen traurig, dass die Ergebnisse der Anhörung, die hier stattgefunden hat, keinen Eingang in das Schulgesetz gefunden haben. Im Prinzip wird ja nur formuliert, dass man in der Schule nicht weiterkommt, da es Eltern gibt, die nicht mitmachen wollen, und man deshalb mit dem Jugendamt droht. Ich meine, dass damit die Nutzung einer Chance verpasst wurde, weil man hier einen Gedanken, der in § 8 a des SGB VIII enthalten ist, nicht voll zur Geltung bringt, nämlich den, dass es wirklich um Zusammenarbeit, um Prävention und um eine gemeinsame Wahrnehmung von Verantwortung geht.

Dazu hätte es nicht viel bedurft. Die SPD hat einen Vorschlag zur Änderung unterbreitet, und auch wir haben einen Änderungsvorschlag vorgelegt, der in diese Richtung geht. Ich finde es traurig, dass man dem Gedanken, dies im Schulgesetz stärker zu verankern, nicht gefolgt ist.

Wir sind der Ansicht, dass das Jugendamt ein Partner der Schule ist und auf Augenhöhe mit ihr agieren sollte.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Diese Auffassung sollte auch im Schulgesetz formuliert sein. Auch der Präventionsgedanke und die Unterstützungsfunktion sollten in einem Schulgesetz zum Ausdruck kommen.

Die kommunalen Landesverbände haben kritisiert, dass auch der erhoffte Durchgriff, den man erzielen könnte, indem man mit dem Jugendamt winkt, letztlich die Eltern nicht dazu verpflichten kann, an einem Gespräch teilzunehmen. Das wissen wir. Wir sollten meines Erachtens in einem Gesetz nichts regeln, was wir letztlich nicht durchsetzen können. Ich glaube, schon bisher war es möglich, wenn das entsprechende Bewusstsein an der Schule vorhanden war, mit dem Jugendamt Kontakt aufzunehmen

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

und auch so zu handeln. Deshalb frage ich Sie: Warum schreibt man das dann in diesem Duktus hinein, der hier in dem Gesetzestext zum Ausdruck kommt? Das halten wir, wie gesagt, im Ansatz für richtig, aber in der Ausführung und in der Formulierung für falsch.

Jetzt zu dem, was uns auch ein bisschen von der SPD unterscheidet. Herr Bayer hat gesagt, warum wir den einen Punkt, den wir hier mit einbringen, nämlich eine Kinder- und Jugendschutzfachkraft im Kollegium zu benennen, für richtig halten. Wir wissen, dass vieles in der Schule heute auf die Lehrerkollegien abgeladen wird. Wir wissen auch: Allgemein Verantwortung auf alle zu verteilen heißt auch, dass sich unter Umständen keiner direkt kümmert.

Die kommunalen Landesverbände haben die mangelnde Fachlichkeit, was die Jugendhilfe angeht, auch in den Lehrerkollegien angemahnt und haben gesagt: Da ist die Fachlichkeit durchaus nicht immer gegeben, und hier müsste dringend, und zwar sehr schnell, die Fachlichkeit und müssten auch die Kontaktmöglichkeiten hergestellt werden. Daher sind wir der festen Überzeugung, dass es richtig ist, auch in diesem Bereich für Verbindlichkeit zu sorgen. Das ist kein Wegducken aus der Verantwortung der Lehrer, sondern ein stärkeres Hinschauen, wo die Problemfelder vorhanden sind.

Ein letzter Punkt, den ich bei dieser Beratung noch anmerken muss: Ich finde es traurig, dass hier offensichtlich vergessen wurde, die Privatschulen in die gleiche Verantwortung mit hineinzunehmen. Wir haben ein Schulgesetz, das nicht in aller Konsequenz in allen Kapiteln Anwendung auf Privatschulen findet. Deswegen ist es wichtig, hier für eine Konkretisierung zu sorgen, damit das auch in voller Gänze für die Privatschulen gilt. Ich finde, es wäre falsch, diese Gesetzesänderung nicht dafür zu nutzen, auch hier eine klare Regelung zu treffen, sondern das nachher in einem Gesetzeskommentar hinten anzuhängen. Das ist, denke ich, eine vertane Chance.

Ich möchte mich Herrn Bayer anschließen: Die Gesetzesänderung ist ein Anstoß, die Jugendhilfe in der Schule stärker wahrzunehmen. Wir hoffen auch, dass dieses Anliegen in nächster Zeit mit Leben erfüllt wird und es in Zukunft zu einer besseren Gesetzesänderung kommt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die FDP/DVP- Fraktion erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In einer Woche ist Weihnachten.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da gehe ich auch hin, Frau Arnold!)

Da gehen Sie auch hin. – Ich erlaube mir, Ihnen heute Abend ein kleines Geschenk zu machen: Ich schenke Ihnen ein paar Minuten Zeit. Ich habe nämlich vor, mich ganz kurz zu fassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dieter Hil- lebrand CDU: Sehr gut!)

Wir haben uns vonseiten der FDP/DVP bei der ersten Lesung ausführlich zu dem Gesetzentwurf geäußert. Wir haben die Änderungsvorschläge intensiv im Ausschuss beraten. Letztendlich sind wir uns ja alle einig; das wurde ja auch heute Abend wieder deutlich. Der Gegensatz, der auch hier wieder zu konstruieren versucht wird, ist ja gar nicht da.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Untauglicher Versuch!)

Ich darf nur noch auf einen Punkt hinweisen: Die Koopera tion, die hier wieder eingefordert worden ist, ist in dem Gesetz ja vorgesehen. Wir haben in § 85 Abs. 3 die Festlegung, dass zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung Schule und

Jugendamt zusammenarbeiten sollen. Das ist also gesetzlich geregelt. In unseren Augen reicht das völlig aus.

Ich wünsche Ihnen fröhliche, gesegnete Weihnachten und einen guten Rutsch.

Die FDP/DVP-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Prima! – Abg. There- sia Bauer GRÜNE: Morgen ist auch noch ein Tag!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Rau das Wort.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jetzt ist er ganz erschrocken, dass er schon ans Rednerpult muss!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! – Nein, lieber Herr Kollege Bullinger, ich war schon auf dem Sprung.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: A wa!)

Ja, ja. Ich habe gut zugehört, als es hieß, die Vorrednerin werde sich kurz fassen, und habe gleich noch einige Streichungen auf ein paar Seiten vorgenommen, damit auch meine Rede nicht so lang wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Während der Beratungen dieses Gesetzentwurfs haben uns wieder Nachrichten ereilt, die uns sehr getroffen haben: Kleine Kinder sind durch Misshandlungen oder durch Vernachlässigung umgekommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schlimm!)

Sie wären auch mit den Mitteln der heute erfolgenden Änderung des Schulgesetzes nicht gerettet worden, weil sie noch nicht im schulpflichtigen Alter waren. Aber wir müssen das für den Schulbereich regeln, was einen Beitrag zum Kinderschutz insgesamt leisten kann.

Ich habe die Debatte schon bei der ersten Lesung, in der Anhörung und eigentlich in allen Stufen der Gesetzesberatung als sehr wohltuend empfunden, weil sie vom gemeinsamen Bemühen getragen war, solche Vorfälle in Zukunft nach Möglichkeit zu vermeiden. Bei der ersten Lesung ist der Gesetzentwurf bereits umfassend vorgestellt worden. Deswegen will ich nur noch ein paar Anmerkungen machen.

Das Zwangsgeld zur wirksamen Durchsetzung der Schulpflicht ist nicht umstritten. Es liegt im Konsens aller politischen Kräfte, dass wir es einzelnen Gruppierungen in unserer Gesellschaft nicht erlauben können, ihre Kinder auf überhaupt keine Schule zu schicken und darüber anders zu befinden. Es gibt dazu auch jüngere Rechtsprechungen, die das bestätigen.

Die Schule hat eine große Integrationsaufgabe wahrzunehmen. Sie braucht auch ein wirksames Instrumentarium, um die Schulpflicht durchzusetzen. Wir sind uns auch darüber einig, dass die Schule dem Wächteramt nach Artikel 6 des Grundgesetzes verpflichtet ist. Wenn Kinder misshandelt wer

den oder verwahrlosen, dann darf die Schule nicht wegschauen. Wenn der Landtag eine entsprechende gesetzliche Regelung vornimmt und beschließt, hilft er auch Schulen, Lehrerinnen und Lehrern, die es gerade in solchen Situationen oft nicht leicht haben, sich gegen Eltern durchzusetzen. Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ist hier ein wichtiger Schlüssel.

Ich halte es für wichtig, dass die Polizei nach richterlicher Anordnung eine Wohnung betreten kann, wenn niemand das Kind zu Gesicht bekommen hat und daher das bedrückende Gefühl bleibt, dass neben der Verletzung der Schulpflicht eine viel schlimmere Sorgepflichtverletzung vorliegt.

Wir sind uns, lieber Kollege Lehmann, auch darüber einig, dass die im Gesetzentwurf enthaltenen neuen Regeln auch die privaten Ersatzschulen binden. Sie haben diese Frage gerade noch einmal angesprochen. Wir möchten Ihnen versichern, dass wir das Gesetz in diesem Sinne anwenden werden. Ersatzschulen müssen den öffentlichen Schulen entsprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in dem Gesetzentwurf festgelegt, dass die Eltern bei einem Aussprachebedarf verpflichtet sind, die Einladung der Schule zu einem Gespräch anzunehmen. Sie können sich nicht mit einem „Wir wollen nicht“ zurückziehen, worauf die Schule dann sagt: „Dann eben nicht“ und die Dinge auf sich beruhen lässt. Wir brauchen dazu auch Instrumente der Rechtsdurchsetzung, Zwangsgeld und andere Möglichkeiten mehr, die uns hier behilflich sind.

Wir haben auch das Jugendamt in diesen Prozess eingebunden. Ich glaube, es ist naheliegend, dass wir die Jugendämter auch als Partner sehen. Wir wissen, dass es die Jugendämter nicht sehr schätzen, praktisch als Vollzieher der „letzten Sanktion“ dazustehen. So ist es auch nicht gedacht, denn die Jugendämter haben auch eine staatsanwaltliche Funktion, weil sie es sind, die in den entsprechenden Fällen manchmal das notwendige Verfahren zum Entzug des Personensorgerechts einleiten. Deswegen wird in bestimmten Kreisen der Einfluss des Jugendamts sehr deutlich wahrgenommen. Daher ist die Ankündigung, gegebenenfalls das Jugendamt einzuschalten, auf jeden Fall wirksam und wird die Eltern in dem einen oder anderen Fall doch dazu bringen, der Gesprächseinladung der Schule Folge zu leisten.