Protokoll der Sitzung vom 19.12.2007

Meine Damen und Herren, die FDP/DVP im Landtag von Baden-Württemberg hat Respekt vor der Geschichte unseres Landes.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Deshalb wundert es mich ja!)

Wir haben aber auch Respekt vor der Leistung des Hauses Baden, das diese Kulturgüter immerhin bis heute für uns erhalten hat.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Karl Zim- mermann CDU)

Das Wort erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Professor Dr. Frankenberg.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt geht es los!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Est igitur res publica res populi.

(Abg. Helen Heberer SPD: Wir sind beeindruckt! Wir sind tief beeindruckt! – Abg. Reinhold Gall SPD: So weit, so gut! – Abg. Christoph Palm CDU: Da trennt sich die Spreu vom Weizen! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Ein völlig richtiger Zwischenruf: „So weit, so gut.“ Denn es geht hier, wenn man es frei übersetzt, um die Kernfrage: Was gehört dem Staat?

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Sehr richtig!)

Sind die öffentlichen Güter Güter des Volkes? Ist der Staat eine Angelegenheit des Volkes oder nicht? Genau das ist die Grundfrage,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Die hat das Grund- gesetz beantwortet!)

um die es nach der Auflösung der Monarchie beim Übergang zur Republik geht, eine Grundfrage, die, was die Eigentumsverhältnisse an den Sammlungsbeständen in unseren Einrichtungen betrifft, seit 1919 von keiner Regierung geklärt worden ist.

Die Gutachter, hochrangige Experten, haben immerhin ein Jahr gebraucht, um diese Verhältnisse zu klären.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sie hätten das Gut- achten ja früher einholen können!)

Es verwundert schon, dass einige glaubten, das sei kurz und schnell zu machen, und manche gemeint haben, sie hätten es schon vorher gewusst. Aber das gibt es eben immer, dass man schon vorher etwas gewusst hat.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Sie haben es doch vorher gewusst! – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sie haben doch be- hauptet, Sie wüssten es! – Abg. Johannes Stober SPD: Sie wollten 30 Millionen € hergeben!)

Wenn wir geglaubt hätten, es zu wissen, dann hätten wir nicht den Weg eines Vergleichs beschritten.

(Zurufe von der SPD)

Der Vergleich steht als Lösung neben der konkreten Versicherung der Tatbestände.

(Zuruf des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Würtenberger/Wax, sage ich nur! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zu- hören, dann könnt ihr viel lernen!)

Das Gutachten geht sehr ausführlich auf die Entwicklung der Eigentumsverhältnisse ein. Es geht auf die Grundfragen ein: Wann entsteht im Laufe einer Monarchie privates Eigentum, getrennt vom Staatseigentum? Wann entsteht ein Zwischeneigentum, nämlich die Ausstattung der Krone mit dem für die Symbolik der Herrschaft Notwendigen? Diese ausführliche Ableitung ist zuvor übrigens in Deutschland für keine Frage des Übergangs von der Monarchie zur Republik und für kein Herrscherhaus so gründlich vorgenommen worden wie jetzt für die Frage der aus der Monarchie überkommenen badischen Kunst- und Kulturgüter.

(Abg. Helen Heberer SPD: Die anderen wurden ja auch nicht verscherbelt!)

Insofern, Herr Walter, geht das Gutachten auch nur auf die Eigentumsfragen ein und nicht auf irgendwelche Regierungs überlegungen. Ich weiß nicht, was Sie auf den 320 Seiten gelesen haben.

(Abg. Johannes Stober SPD: Lesen Sie einmal die Seiten 190 bis 193!)

Wenn wir es nicht genauer hätten wissen wollen, dann hätten wir den Auftrag nicht erteilt, dieses Gutachten zu erstellen.

(Abg. Helen Heberer SPD: Aber nur widerstrebend! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Davor wollten Sie es aber nicht genau wissen! – Abg. Ute Vogt SPD: Wa- rum kann man nicht einfach einmal sagen: „Wir ha- ben einen Fehler gemacht“?)

Damit war es das erste Mal seit 1919, dass eine Regierung von Baden, Württemberg, Hohenzollern sehr genau wissen wollte, wie die Eigentumsverhältnisse an vom Adel überkommenen Kunst- und Kulturgütern zu sehen sind.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Vor dem Deal woll ten Sie das aber nicht wissen! – Abg. Rita Haller-Haid SPD: Widerstrebend!)

Man muss auch fragen: Warum ist es in Baden so lange ungeklärt geblieben? Die Antwort lautet: Weil beim Übergang von der Monarchie zur Republik die Dinge aus badischer Anhänglichkeit an die Monarchie zwischen 1919 und heute im Grunde genommen nicht aufgeklärt worden sind.

Da Sie immer wieder auf das Gutachten verweisen, darf auch ich einmal daraus zitieren. Im Gutachten heißt es – und das sind ja aus den Zwanzigerjahren überkommene Grundhaltungen der Regierungen –, dass dies mit einer

Anhänglichkeit an die gerade erst verabschiedete Regentenfamilie

begründet werden konnte. Weiter wird ausgeführt, dass

der Abschied von der Monarchie den politischen Kräften der Republik schwerfiel, auch den Sozialdemokraten.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aha!)

Es entsteht – ich zitiere weiter –

der Eindruck, dass seinerzeit die ideale Regierungsform für alle Beteiligten die demokratische Staatsverfassung mit dem Großherzog als Staatsoberhaupt gewesen wäre.

Das war die Grundhaltung der Regierungen seit 1919 in Baden und der Grund dafür, warum sie die Eigentumsverhältnisse zwischen der monarchischen Familie und dem Staat bzw. der neuen Republik eigentlich nie richtig aufgeklärt haben. Das war die Basis, die unsere Regierung vorfand.

Wegen dieser Ungeklärtheit lag der Begriff eines Vergleichs nicht so fern. Die Alternative zum Vergleich war die Aufklärung der Sachverhalte.

(Abg. Johannes Stober SPD: Es war besser!)

Das war eine Aufklärung, an der zuvor übrigens acht Rechtsgutachten gescheitert bzw. teilweise gescheitert waren oder jedenfalls nie zu einer vollen Aufklärung gekommen sind. Jetzt liegen zum ersten Mal – nach einjähriger Arbeit der hochrangigen und in der Sache wirklich auch fundiert kenntnisreichen Experten – die kompliziert zu lesenden und auch kompliziert abzuleitenden Fakten auf dem Tisch. Ich glaube, jeder, der dieses Gutachten liest, merkt auch, wie schwierig die Aufklärung der Eigentumsverhältnisse gewesen ist. Jeder, der heute hier sagt, das hätte man alles schon vorher wissen können, hat das Gutachten entweder nicht gelesen oder nicht verstanden – oder beides.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und Abgeordne- ten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Rainer Stickel- berger SPD)

Dazu gehören auch Dinge wie das Vorkaufsrecht. Das war seit 1919 eigentlich keiner Regierung bekannt. Das ist dort auch nicht so leicht zu finden. Insofern muss man davon ausgehen, dass, wenn sechs Experten herangezogen werden – wozu bezahlen wir denn im Land Tausende von Professoren, wenn sie nicht auch auf Ideen kämen, die vorher noch niemand hatte, und Erkenntnisse gewännen, die vorher auch noch niemand hatte? –, eine neue Erkenntnis zutage tritt. Das ist übrigens eine für das Land keinesfalls schlechte Erkenntnis. Denn dies

bedeutet, dass das Ensemble Salem nicht einfach an irgendeinen ausländischen oder auch inländischen Investor verkauft werden kann, ohne dass das Land eingeschaltet werden soll te.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Na also!)

Die Gefahr, des Kulturguts des alten Zisterzienserklosters verlustig zu gehen, besteht daher eben nicht.

Ein weiterer Aspekt ist die Zähringer-Stiftung. Herr Walter, Sie haben sich ja sehr intensiv mit der Zähringer-Stiftung befasst. Das war sozusagen Ihr Fokus auf den gesamten Komplex. Sie sind aber auch nicht zu der Erkenntnis gekommen, dass das eine leere Hülle ist.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Sie sind nicht zu der Erkenntnis gekommen, dass es keine Eigentumsübertragung von Kunst- und Kulturgegenständen an diese Stiftung gegeben hat.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Natürlich! Ich habe die Frage aufgeworfen!)

Insofern sehen Sie selbst, dass man sich in den Rechtsfragen durchaus irren konnte.