Aktuelle Debatte – Konsequenzen aus dem Waldzustandsbericht für das Land Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die einleitenden Erklärungen fünf Minuten und für die Redner in der zweiten Runde ebenfalls fünf Minuten.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme an, auch der Forstminister wird in Bälde unter uns sein.
Wo ist er denn? Denn ich möchte ihm gern einige Dinge mit auf den Weg geben und mit ihm dieses Thema ansprechen.
So sieht er aus. – Die Presse nimmt höchstens am Rande davon Notiz; denn es ist ja nichts Spektakuläres. Es ist nicht neu, dass der Wald leidet. Ich habe den Eindruck, wenn man nur lange genug schlechte Nachrichten verbreitet und sich immer wieder wiederholt, sinkt die Sensibilität und stumpft man ab. Die FDP/DVP-Fraktion ist der Auffassung, dass man dieses wichtige Thema nicht einfach ablegen kann, sondern dass man es aktuell aufarbeiten und gründlich hinterfragen muss.
Meine Damen und Herren, für mich heißt dies zunächst: Wie hat sich der Waldzustand verändert? Wie haben sich die Waldschäden entwickelt? Wo liegen die Ursachen, und was tun wir dagegen? Was können wir zur Therapie und was zur Rehabilitation des Waldes beitragen? Herr Minister Hauk, insbesondere stellt sich die Frage, welche Konsequenzen wir in der Landespolitik aus den aktuellen Ergebnissen des Waldzustandsberichts 2007 ziehen.
Der Wald nimmt multifunktionale Aufgaben wahr. Er ist essenziell für unser Leben, denn der Wald ist unser wichtigster Sauerstofflieferant. Er liefert nicht nur nachwachsende, kohlendioxidneutrale Rohstoffe. Nein, er stellt auch Arbeitsplätze für viele Menschen zur Verfügung. Er prägt unsere Kultur
landschaft. Und – das will ich in Richtung Tourismus sagen, Herr Staatssekretär – er ist einer derjenigen, die unser attraktives Tourismusland letztendlich stabilisieren.
Der Wald hat aber nicht nur Schutzfunktionen, sondern auch eine Vielzahl weiterer Funktionen: Er ist Wasserspeicher, bio logischer Filter, er schützt unsere Böden, er sorgt für die Wasserhaltefähigkeit. Das heißt, er verhindert den Bodenabtrag, die Erosion. Er hat natürlich auch lokale klimaregulatorische Aufgaben, und er sorgt ständig für einen Luftaustausch. Er ist biologischer Staubfilter und befreit unsere Atemluft von Ruß und gasförmigen Verunreinigungen.
Oder umgekehrt: Was wären wir ohne den Wald? Wir hätten keinen Wasserspeicher, keinen Luftreiniger, keinen Erholungsraum, und wir wären ohne unser gewohntes Landschaftsbild.
Werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, Fakt ist, dass sich der Wald auch vier Jahre nach dem extremen Trockenjahr 2003 trotz segensreicher Niederschläge in den letzten zwei Jahren nicht wesentlich erholt hat. 40,2 % der gesamten Waldfläche in Baden-Württemberg weisen das höchste Schadensniveau seit Beginn der Beobachtungsperiode im Jahr 1983 auf. Der Wald leidet also weiterhin, und er ist geschwächt – Stichworte Borkenkäfer, Buchdrucker, Eichenspinner.
Weiter müssen wir befürchten, dass vor allem die Stickstoff einträge aus der Luft die Toleranzschwellen der Waldböden weiter überschreiten. Bei der Entschwefelung von Schweröl und Diesel haben wir wirklich hervorragende Fortschritte erzielt. Das reicht aber nicht aus, meine Damen und Herren. Denn andere Säurebildner werden von uns allen – vor allem durch den Autoverkehr, durch die Mobilität – eingetragen. Und nebenbei bemerkt: Auch mit einer zweiten Start- und Landebahn am Stuttgarter Flughafen mit einer Verdopplung der Touristenzahl von drei auf sechs Millionen, die hier mit Billigfliegern wegfliegen, wäre sicherlich kein Beitrag für den Wald geleistet.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt ist der zunehmende Autoverkehr. Um das einmal klarzustellen: Ich fahre unheimlich gern Auto – immer dann, wenn es nicht anders geht. Wir brauchen Mobilität auch im ländlichen Raum. Deshalb möchte ich zu diesem Bereich auch einmal klar Stellung nehmen.
Im Autobauerland Baden-Württemberg wird man ab heute umdenken müssen. Denn die EU wird sich nicht mehr mit leeren Versprechungen abspeisen lassen, sondern wird die Grenze von 130 g CO2-Ausstoß pro Kilometer heute festschreiben. Leider – das muss ich dazusagen – hat die Autoindustrie zu lange gewartet und hat ihre Glaubwürdigkeit verloren, weil sie ihre eigenen Versprechungen nicht eingehalten hat. Denn sie baute, bewarb und verkaufte sogenannte SSD-Fahrzeuge: schneller, schwerer, durstiger. Meine Damen und Herren, wir brauchen Mobilität, aber das geht auch unter 200 kW Leis
40 % der Landesfläche sind Wald. Das Argument, dass der Holzvorrat von 464 Millionen m3 im Jahr 1987 auf 485 Millionen m3 im Jahr 2002 enorm angewachsen ist, darf uns über den Gesundheitszustand des Waldes – das ist etwas ganz anderes – nicht täuschen. Der Klimawandel ist offensichtlich. Das extreme Trockenjahr hat ja gezeigt, welche Spuren ein solches Ereignis hinterlässt.
Meine Damen und Herren, die Ursachen sind bekannt. Wir alle sind uns bewusst, dass wir eine andere Energiepolitik betreiben müssen. Wir müssen mehr regenerative Energien einsetzen. Wir müssen vor allem Energie sparen. Das ist, glaube ich, das Wichtigste, wenn wir dem Wald etwas Gutes tun wollen.
lassen Sie mich den Satz bitte noch ausführen –, wenn 4,6 % der Weltbevölkerung 21,8 % der Energie verbrauchen. Meine Damen und Herren, das ist verantwortungslos von den USBürgern. Eine Regierung von Amerika, die das leugnet, versündigt sich an Kreatur, Natur und an unseren Kindern und Enkeln.
Herr Kollege Bullinger, bevor Sie sich weiter mit der Waldschadenssituation überall auf dieser Welt auseinandersetzen, möchte ich Sie fragen: Wie erklären Sie, dass sich die Landesregierung von Baden-Würt temberg weitestgehend aus der Aktion Waldkalkung zurückgezogen hat, aus einer Maßnahme, die zwingend notwendig war, um den Wald in dem alten Bestand zu erhalten und die Kulturlandschaft zu pflegen?
Lieber Herr Kollege, ich habe Ihre Kleine Anfrage von vor vier Jahren auch gelesen. Ich bereite mich ja vor. Ich weiß, Sie kommen aus dem Schwarzwald.
Ich darf Ihnen eines sagen: Ein Fußballspiel ist nicht nach 90 Minuten zu Ende, sondern dann, wenn man es abpfeift. Wenn Sie warten, bis ich mit meinen Ausführungen fertig bin, dann haben Sie die Antwort auf die Frage, die Sie gerade gestellt haben.
Meine Damen und Herren, zurück nach Baden-Württemberg. Ich frage die Landesregierung: Was können wir hier in Baden-Württemberg, wo der Waldanteil 40 % beträgt, vor Ort tun, um zu einer Gesundung des Waldes beizutragen? Was
können wir an Therapie anbieten? Die positiven Wirkungen der Bodenschutzkalkungen – das ist nachgewiesen – haben einiges erreicht. Die Frage ist nur, Herr Minister: Tun wir hier genügend?
Die Bodenschutzkalkung zur Regenerierung, zur Stabilisierung und zur besseren Pump- und Filterfunktion ist erforderlich. Es reicht nicht aus, meine Damen und Herren, nur die Therapie anzubieten. Vielmehr müssen natürlich auch die Ursachen bekämpft werden. Meines Erachtens, Herr Kollege, reichen auch Kalkungen längerfristig nicht aus; denn der Boden braucht – je nach Bodengenetik, nach Bodenzusammensetzung, nach Alter und nach Säurezustand – nach 15 bis 20 Jahren eine Nachkalkung. Das wissen auch Sie genau, und darüber müssen wir uns unterhalten, meine Damen und Herren. Ich bin der Überzeugung, dass das Thema Wiederholungskalkung für das Forstministerium, für die Landesregierung und auch für uns ein Thema bleiben muss.
Wir dürfen bei der Forschung nicht nachlassen, und wir dürfen auch nicht nachlassen, wenn es um die Umsetzung neuer forstwissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis geht. Auch halte ich die Beibehaltung des Einheitsforstamts – das sage ich hier auch –, das qualifizierte Beratung für Staats-, Kommunal- und Privatwald vor Ort leistet, für wichtig. Hiermit tun wir dem Wald wirklich etwas Gutes, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich zum Schluss noch daran erinnern, dass es ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 1987 gibt, in dem eindeutig festgestellt wurde, dass der Tatbestand der „neuartigen Waldschäden“ – so nannte man das Phänomen damals – entschädigungswürdig und entschädigungsbedürftig ist. Das war vor 20 Jahren. Wir wissen allerdings, dass die se Zuordnung natürlich sehr schwierig und eigentlich nicht machbar ist. Deshalb sind wir alle in der Verantwortung, dem Wald zu helfen; denn das ist ein Teil der Daseinsvorsorge, und es liegt im öffentlichen Interesse. Wenn wir hierfür Geld ausgeben, ist das, glaube ich, auch zu rechtfertigen. Das wertvolle Gemeingut Wald hat es verdient, dass wir ernsthafter mit dem Thema Waldschäden umgehen.
Meine Damen und Herren, an die Landesregierung habe ich, Herr Minister, abschließend die Frage: Wie wollen wir aus den Ergebnissen Konsequenzen ziehen, und was können wir bei all dem, was wir bereits tun, noch besser machen? Was können wir gegen die Waldschäden tun, und welche Therapien und Realmaßnahmen wie z. B. die Waldkalkung müssen zur Anwendung kommen?