Protokoll der Sitzung vom 25.06.2008

Weil es bei den Grünen anscheinend Zweifel und Unklarheiten darüber gibt, welche exzellenten Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg geschaffen wurden, um Existenzen zu gründen, Innovationen zu fördern, Nachfolgeregelungen zu ermöglichen und vor allem Finanzierungshilfen zu gewährleisten, bin ich auch gern bereit, in Ergänzung der Beantwortung durch das Wirtschaftsministerium ein klein wenig Nachhilfe zu geben.

Dabei komme ich gleich auf eine weitere Ungereimtheit im Antrag der Grünen zu sprechen. Die unterdurchschnittliche Gründerquote im Ländervergleich und ein hinterer Tabellenplatz im Ranking der Selbstständigenquote waren wohl die Motivation, um den Antrag zu stellen. Hierzu möchte ich generell anmerken, dass es ausschließlich auf die Nachhaltigkeit und die Werthaltigkeit ankommt und nicht auf irgendwelche Steigerungsquoten.

(Beifall des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Sehr gut!)

Wem nutzen Gründungen, die wenige Monate später wieder am Markt scheitern? Wenn 85 % der Gründungen von Einzelpersonen erfolgen, die sich selbstständig machen, dann erscheint ein Ranking gleichermaßen ohne inhaltliche Aussagekraft.

Um unsere Gründerlandschaft etwas zu konkretisieren, gestatten Sie mir einige Beispiele aus der Technologieregion Karlsruhe, wo ich herkomme, die in allen anderen Regionen Baden-Württembergs ähnlicher Art sind; das möchte ich ganz besonders betonen.

Seit 25 Jahren begleitet die Technologiefabrik Karlsruhe als Tochterunternehmen der Industrie- und Handelskammer Unternehmensgründungen durch Beratung und Betreuung in Sachen Finanzierung, Businessplan oder Technologietransfer. In 25 Jahren konnten 5 132 Arbeitsplätze geschaffen und 263 Unternehmen gegründet werden, von denen – hören Sie gut zu – noch immer über 97 % am Markt erfolgreich sind. Alljährlich kommen bis zu 20 neue Gründungen hinzu. Die Steigerungsquote indes, liebe Grünen-Fraktion, sinkt von Jahr zu Jahr.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Basiseffekt!)

Das ist halt mathematisch so.

Was aus einem sogenannten Start-up-Unternehmen der Technologiefabrik werden kann, zeigt sich an der Firma INIT, einem weltweit führenden Anbieter von Telematik und elektronischen Zahlungssystemen für Busse und Bahnen. 230 Mitarbeiter machten im Jahr 2007 fast 50 Millionen € Umsatz.

Zwei weitere Unternehmen, die CAS und die PTV, möchte ich nennen, weil sie ebenfalls von Hochschulabsolventen gegründet wurden und über 540 Arbeitsplätze geschaffen haben. Ein Kollege der SPD – ich sehe ihn zwar gerade nicht – ist dort beschäftigt und kann diesen anhaltenden Markterfolg bestätigen.

In Karlsruhe ist auch der Technologiepark weiter erfolgreich.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum denn gerade in Karlsruhe?)

Die Stadt stellt viele Hektar Grundbesitz zur Verfügung, die L-Bank baut die Gebäude und vermietet sie für Unternehmensgründungen oder -ansiedlungen. Dort gibt es übrigens auch einen privaten Kindergarten und eine private Grundschule jeweils mit Englischunterricht als besondere Rahmenbedingung.

Eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art ist das Cyberforum – wenn ich das noch anführen darf –,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Allerdings!)

ein 640 Mitglieder umfassendes Hightech-Unternehmernetzwerk. Zurzeit läuft der bundesweite Spitzenclusterwettbewerb. Das Cyberforum nimmt mit seinem Konzept „Creating the Net Economy – iRegion Karlsruhe“ daran teil. Es wirken 20 Institutionen zusammen, um in den nächsten Jahren bis 2015 rund 15 000 neue Arbeitsplätze in der IT- und Internetbranche zu schaffen. Frau Sitzmann, ich wiederhole: 15 000 neue Arbeitsplätze!

Das Cyberforum und das KEIMforum haben zusammen seit Juli 1997 bereits 3 200 Arbeitsplätze geschaffen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Es geht weiter mit der Wirtschaftsstiftung Südwest und ihrer Gesellschaft. Für Beratung und Beteiligung gibt es Kooperationen zwischen der Stadt und der Sparkasse und der Volksbank. Sie sehen auch da immer wieder die weitergehenden Verbindungen auf der Ortsebene.

Außer Beratung und Betreuung kann echtes Risikokapital in Form einer stillen Beteiligung zur Verfügung gestellt werden. Im Übrigen betreibt die Stadt vier städtische Gründerzentren und einen Handwerkerhof.

Aus Zeitgründen – ich wurde gerade darauf hingewiesen, dass meine Redezeit demnächst abläuft – kann ich leider nicht mehr auf die Clusterbildungen in Baden-Württemberg eingehen. Ich möchte aber deren zunehmende Bedeutung, besonders im internationalen Markt, nicht unerwähnt lassen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Über die L-Bank stellt das Land zahlreiche qualitativ hochwertige Förderprogramme zur Verfügung. Im Jahr 2007 sind 2,1 Milliarden € an zinsverbilligten Darlehen für Existenzgründungen bewilligt worden. Dadurch wurden Investitionen von über 3,3 Milliarden € angeregt.

Insgesamt bietet das Land eine vielseitige und sehr gute Förderpolitik, die ständig erweitert und marktgerecht angepasst wird. Auch da kommen wir Ihren Forderungen, liebe Grüne, selbstverständlich von Jahr zu Jahr nach.

Ich möchte nochmals betonen, dass die von mir genannten Einrichtungen in jeder Region Baden-Württembergs, also nicht nur in Karlsruhe, in unterschiedlichen Ausprägungen zu finden sind. Deswegen haben z. B. die Region Stuttgart und die Region Karlsruhe …

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

… mehrfach den „Award of Excellence for Innovative Regions“ der EU erhalten und belegen laut „European Innovation Scoreboard“ der EU den fünften Platz unter den Top Ten der innovativsten europäischen Regionen. So ist auch ifex, die Initiative des Wirtschaftsministeriums für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge, Gewinner des „European Enterprise Award 2006“. Ifex ist übrigens ein Kernstück unserer gestaltenden Mittelstands politik.

Sie sehen also: Wir sind gut aufgestellt und werden diese Positionen weiter festigen, und zwar auf hohem europäischen Niveau. Deshalb, liebe Grünen-Fraktion: Helfen Sie mit bei den Rahmenbedingungen wie beispielsweise der Verkehrsinfrastruktur, den Regionalplanungen und den Grundstücksbereitstellungen, und lehnen Sie bitte nicht von vornherein jedwede Unternehmensansiedlung oder -gründung ab, wie z. B. derzeit in Rheinstetten bei Karlsruhe, …

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, ich muss Sie bitten, zum Ende zu kommen. Sie haben Ihre Redezeit schon um dreieinhalb Minuten überschritten.

(Oh-Rufe von der SPD)

… oder jedwede Infrastruktur wie den Bau der zweiten Rheinbrücke oder Stuttgart 21.

Herr Präsident, darf ich noch einen Satz sagen?

Ja, natürlich.

Danke. – Meine Damen und Herren, eine große Sorge besteht natürlich nach wie vor in der Bürokratiebelastung. Das ist eine Gründerbremse sondergleichen, wie Sie der neuesten Ausgabe der „Wirtschaftswoche“, die Sie, Frau Sitzmann, ja auch bereits zitiert haben, entnehmen können. Da müssen wir dringend besser werden. Dieser Bürokratieabbau könnte schon mit dem heutigen Antrag der Grünen beginnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Sehr gut! – Gegenruf des Abg. Peter Hofelich SPD: Keine Ahnung!)

Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abg. Dr. Prewo das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die amtliche Statistik informiert seit 1996 sehr genau über Existenzgründungen. Dabei wird nach strengeren Kriterien herausgehoben, was Existenzgründungen mit Substanz sind.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das sind etwa ein Fünftel aller Existenzgründungen, und um diese geht es eigentlich. Baden-Württemberg schneidet dabei außerordentlich schlecht ab.

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD zu Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Jetzt horch einmal zu!)

Der letzte Ländervergleich des Statistischen Landesamts hat gezeigt, dass wir mit nur 1,9 Existenzgründungen mit Substanz je 1 000 Einwohner lediglich den vorletzten Platz unter allen Bundesländern belegen und gerade noch vor SchleswigHolstein rangieren.

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich!)

Seither hat das Statistische Landesamt keinen Ländervergleich mehr veröffentlicht. Die Zahl der Existenzgründungen in Baden-Württemberg ist aber weiter gesunken. 2007 waren es nur noch 1,6 auf 1 000 Einwohner. Das ist der niedrigste Wert seit der Einführung der Statistik überhaupt.

(Zurufe – Unruhe)

Zwar ist 2007 auch die Zahl der Betriebsschließungen um 1 % gesunken. Die Zahl der Gründungen ist aber um 10 % gesunken. Erkennen Sie, dass hier ein Problem besteht?

Der Antrag der Grünen trägt den Titel: „Baden-Württemberg zum Gründerland machen“. Ja, „machen“; wir sind es nämlich wirklich nicht.

(Abg. Manfred Groh CDU: Schon längst! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Noch genauer wäre die Formulierung: „Baden-Württemberg w i e d e r zum Gründerland machen“, denn in den ersten 30 Jahren nach dem Kriegsende waren wir das Gründerland par excellence.

(Abg. Manfred Groh CDU: Jeder Hansel weiß das doch! Das sind wir immer noch!)