Denn, Herr Ministerpräsident, was die Frage angeht, ob der Flughafenausbau wirtschaftlich notwendig ist, sind Sie mit fast all Ihren Argumenten – fast bis in die Diktion hinein – völlig dem gefolgt, was wir seit Monaten auch in diesem Haus vorgetragen haben.
Man muss sich doch fragen: Warum haben Sie so lange auf ein Gutachten gesetzt, und warum bringen Sie die Argumente, die wir Ihnen vorgetragen haben, erst jetzt vor? Sie hätten von Ihrer Vernunft doch auch schon früher selbstständig Gebrauch machen können.
Woran liegt es, dass ihr spät kommt? Das liegt daran, dass sich die Landesregierung von den Geschäftsführern des Flughafens vorführen ließ. Diese bestimmten die Richtung und den Takt.
(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das merkt man bei der heutigen Entscheidung! – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)
Die Landesregierung ist ihnen monatelang hilflos hinterhergelaufen und hat uns alle mit ihrem Gutachten monatelang hingehalten. Das ist die Ursache dafür, dass Sie, Herr Minis terpräsident, in dieser ganzen Frage überhaupt keine gute Figur gemacht haben.
Die Union hat nun eine neue Programmatik aufgestellt. Dabei hat sie sich erstmals richtig mit der Umwelt befasst und hat Umweltziele in ihre Programmatik aufgenommen.
Allerdings brauchen wir Grünen uns nach der Rede, die hier gehalten wurde, keine Sorgen zu machen, die Union würde uns das Thema Ökologie wegnehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Meinen Sie die Re- de von Herrn Scheuermann?)
In Ihrer ganzen Rede ist der Klimaschutz als eines der tragenden Argumente gegen eine Erweiterung von Flughäfen – die nur der Billigfliegerei zugute käme – mit keinem einzigen Satz vorgekommen.
Daran sieht man: In Ihrer Politik fehlt die langfristige Linie, die langfristige Orientierung. Wenn man sie aber hat, kann man einen Aufwuchs des Flugverkehrs weder auf dem Stuttgarter Flughafen noch auf dem Flughafen in Söllingen zum Ziel haben. Beides wäre klimapolitisch in gleicher Weise kontraproduktiv.
Dazu muss ich noch sagen: Wenn man endlich einmal eine gute Idee hat, nämlich Flugticketabgaben einzuführen, dann ist es mit ihr ökologisch nicht weit her, wenn man gleichzeitig die Parkgebühren senken möchte.
Wenn diejenigen, die 15 € mehr für das Ticket zahlen müssen, 15 € weniger an Parkgebühren aufzubringen haben, dürfte die ökologische Lenkungswirkung der Flugticketabgabe höchst gering sein.
(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Man kann sicherlich nicht überall mit der Bahn hinkommen! Das wissen Sie auch! Und Ba- den-Württemberg ist nun einmal ein wichtiger Wirt- schaftsstandort!)
Darum habe ich ja gesagt: Das Ganze ist kein völliges Nullsummenspiel, sondern kann höchstens diejenigen ermutigen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen.
Aber bekanntlich sind die Möglichkeiten eines Anschlusses mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Söllingen überhaupt noch nicht richtig gegeben. Ich meine also: So kann es nicht gehen.
Ein Weiteres: Das Nachtflugverbot, das Sie jetzt wieder ein Stück weit „annagen“, gerät natürlich unter Druck, wenn man in die Westerweiterung hineingeht. Denn die Westerweiterung des Flughafens hat den Sinn, dass dort mehr Flugzeuge parken können, um schneller zum Abflug zu kommen. Wer diese Westerweiterung will – zu diesen Stunden; da geht es nur um die Touristikflüge –, erhöht den Druck auf eine Aufweichung der Nachtflugbeschränkung, die ohnehin schon nur eingeschränkt gilt. Propellerflugzeuge, Militärflugzeuge und Post flugzeuge dürfen ohnehin schon fliegen. Wir werden uns mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, dagegen wehren, dass Sie weiter Tatsachen schaffen, die Druck zugunsten einer Aufhebung der Nachtflugbeschränkung ausüben. Die Menschen auf den Fildern erfahren schon jetzt Einschränkungen ihrer Lebensbedingungen und müssen mit einer Nachtruhe von nur sieben Stunden auskommen. Wir werden nicht zulassen, dass Sie das weiter einschränken. Das kann nicht sein.
Zusammenfassend ist zu sagen: Wir haben hier einen ganz wichtigen Teilerfolg errungen, vor allem für die lärmgeplagte Filderbevölkerung.
Wir haben aber leider noch keinen Sieg dahin gehend errungen, den Flugverkehr richtig in eine Zukunft einzuordnen, in der Klimaschutz an erster Stelle steht. Abgesehen von Ihrem umweltpolitischen Sprecher war von der Führung der Union dazu überhaupt nichts zu hören. Das muss uns zu denken geben.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Sie sind ein ver- kehrspolitischer Neandertaler! – Abg. Karl Zimmer- mann CDU: Jetzt klatscht die SPD, wo doch Kolle- ge Kretschmann sagt, er wolle Söllingen auch nicht! Ich verstehe es nicht!)
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie zu erwarten, hat der Sieg immer viele Mütter und Väter. Ich bin froh, und ich bin allen dankbar, die dazu beigetragen haben, dass wir zu dem Ergebnis gekommen sind, das der Ministerpräsident heute klar und mit Fakten unterlegt verkündet hat.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Sonst hätten Sie ja zurück- treten müssen! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)
Die Bevölkerung auf den Fildern hat von uns erwartet, dass wir uns nach Abwägung der Gegebenheiten nicht weiter in irgendwelchen Diskussionen über Gutachten verlieren, sondern dass wir eine klare Marschrichtung für die weitere Entwicklung vorgeben. Unser Votum lautet: Wir stehen zu dem einmal gegebenen Wort, dass irgendwann einmal die Grenze der Belastbarkeit der Menschen auf den Fildern erreicht ist.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie wollten doch ein Gut- achten haben! – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)
Das haben wir damals anlässlich des Messebaus versprochen. Die handelnden Akteure sitzen heute noch hier. Deswegen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, war es ein Akt der politischen Glaubwürdigkeit,
ein Sieg der politischen Glaubwürdigkeit, wenn wir heute der Bevölkerung auf den Fildern klar sagen: Wir halten unser gegebenes Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Sie selbst wollten doch auch das zweite Gutachten!)
In der Debatte wurde jetzt mehrfach versucht, einen Widerspruch in der Abwägung zwischen Ökonomie und Ökologie zu konstruieren.
Ich behaupte: Gerade die Liberalen – die gesamte Fraktion, gemeinsam mit mir – sind deswegen nach Vorlage der ersten
Machbarkeitsstudie zu dem Ergebnis gekommen, dass man auch ohne sehr viele weitere gutachterliche Überlegungen schon abschätzen kann, dass eine solche Investition des Staates – es ist nämlich ein reiner Staatsbetrieb – bei dem zu erwartenden Nutzen und den zu erwartenden Belastungen sowohl ökologischer als auch ökonomischer Art keineswegs sinnvoll ist.
Ich weise hier also die Behauptung zurück, dass dies auch nur ökonomisch sinnvoll gewesen wäre. Ich darf die Leute aus der Wirtschaft einmal bitten, zu überlegen, ob sie bei diesen Daten und angesichts dieser Möglichkeiten eine Investition in einem solchen Umfang – Minimum 600 Millionen € – tätigen würden, wenn allein schon der Zinsdienst deutlich höher wäre als der derzeitige Gewinn des Flughafens. Bisher ist auch keinerlei Darlegung der Gewinnerwartung erfolgt, sondern nur der erwarteten Umsatzsteigerung. Ich lehne es ab, hier einen Widerspruch von Ökologie und Ökonomie zu sehen,
Wenn es eines Zitates bedarf: Ein renommierter Flughafenplaner, dessen Name nicht genannt werden soll – so langsam werden dann wahrscheinlich alle aus den Löchern kommen