Protokoll der Sitzung vom 25.06.2008

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir haben gedacht, Herr Mappus kommt jetzt!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht erwarten Sie es, vielleicht erwarten Sie es auch nicht, aber ich sage es auf jeden Fall: Ich kenne niemanden in der CDU-Fraktion, der so entschieden hinter einer zweiten Start- und Landebahn steht, dass er das, was der Ministerpräsident soeben verkündet hat, kritisieren würde – jedenfalls nicht laut.

(Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie den Grünen – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordne- ten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, diese soeben verkündete Entscheidung hat sicherlich in weit überwiegender Zahl Befürworter, aber es gibt sicherlich auch Leute, die mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, die die se Entscheidung schlecht finden. Schlecht finden müssen – nach meinem Dafürhalten und aufgrund der bisherigen Entwicklung – all diejenigen die Entscheidung, die ausschließlich betriebs- und volkswirtschaftliche Betrachtungen in ihre Erwägungen einbezogen haben.

Wenn ich jetzt auf die gutachtliche Äußerung der Verantwortlichen für den Flughafen zu sprechen komme, dann stören mich darin vor allem zwei Dinge.

Erstens: Es ist viel zu wenig Wert darauf gelegt worden, wie viel Verkehr dem Flugverkehr durch das, was wir mit sehr viel Geld gegenwärtig und mindestens noch eine weitere Genera

tion lang mit dem Ausbau unseres Schienennetzes durchführen wollen, abgenommen werden kann. Es kann doch nicht sein, dass wir nur Schienen bauen, um Menschen zu den Flughäfen zu bringen, sondern wir brauchen die Schienen doch in erster Linie, um die Leute vom Flugverkehr – vor allem innerhalb Deutschlands – wegzubringen.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Zweitens, meine Damen und Herren: Sehr zu kurz gekommen ist mir in dieser Untersuchung der Verantwortlichen für den Flughafen Stuttgart auch, welche Anteile am zukünftig zu erwartenden Verkehr andere Flughäfen in Baden-Württemberg übernehmen könnten. Da bin ich froh, dass der Ministerpräsident heute bei der Darstellung seiner Alternativen vor allem Maßnahmen genannt hat, die zu einer weiteren Unterstützung und Beschleunigung des Steigflugs in Söllingen unternommen werden können.

An dieser Stelle muss doch auch einmal ganz laut gesagt werden: Es kann doch nicht sein, dass die Entwicklung der Billigflieger – diese ist einer der wesentlichsten Gründe für die wirtschaftliche Prosperität des Flughafens Stuttgart – so weitergeht.

(Beifall bei den Grünen und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD – Abg. Rita Haller-Haid SPD: Zur Sache!)

Es kann doch nicht sein, dass ich im Moment viel billiger mit dem Flugzeug nach Mallorca fliegen kann, als mit meinem Auto von Stuttgart nach Köln zu fahren.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Schutzgemein- schaft Filder! – Zuruf: Ich fahre mit dem Zug nach Köln!)

Das kann so nicht bleiben. Außerdem sind wir uns wohl alle in diesem Haus einig, dass die Bevorzugung des Flugverkehrs, was die Besteuerung anbelangt, so nicht bleiben kann. Aber wir haben ja jemanden im Haus, der in Zukunft in Europa seine Sporen verdienen will. Hier hat er ein erstes Betätigungsfeld. Denn das ist eine Frage, die man nur europaweit regeln kann.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr guter Konter!)

Nun zurück zu denen, die die Entscheidung von heute Morgen gut finden. Gut finden müssen diese Entscheidung all diejenigen, die bei einer so wesentlichen Investition, wie es eine zweite Start- und Landebahn am Flughafen Stuttgart wäre, eine integrierte Betrachtung anstoßen. Die Funktion dieses zwei ten Gutachtens, von dem schon gesprochen worden ist, wäre ja auch gewesen, einer integrierten Betrachtungsweise zum Durchbruch zu verhelfen. „Integrierte Betrachtungsweise“ heißt, neben den wirtschaftlichen Argumenten vor allem auch Argumente wie den weiteren Landschaftsverbrauch, den weiteren Verlust an qualitativ hochwertigen Böden, den Eingriff in die Artenvielfalt und vor allem eine Verschlechterung der Immissionssituation auf den Fildern zu betrachten. Das wäre sinnvoll gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich persönlich hätte mir von einem zweiten Gutachten versprochen, dass endlich auch diese Gesichtspunkte einmal in ein vergleichbares Bewertungssystem eingeordnet worden wären wie die wirtschaftlichen Gesichtspunkte.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Wirtschaftliche Gesichtspunkte kann ich in Geld messen. Aber vielleicht muss es auch einmal ein System geben, mit dem ich die Umweltgesichtspunkte ebenfalls in Geld bewerten kann.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Dann habe ich unmittelbare Vergleichsmöglichkeiten.

Jetzt ist es so, dass für diejenigen, die diese Entscheidung begrüßen, der politische Druck hinter einer solchen Betrachtungsweise so groß war, dass man diese Entscheidung gegen die zweite Start- und Landebahn heute treffen konnte, ohne abzuwarten, wie sich in der gutachtlichen Betrachtung die Umweltgesichtspunkte bei einer Verwirklichung der zweiten Start- und Landebahn auf Heller und Pfennig ausgewirkt hätten.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und jetzt? – Abg. Pe- ter Hofelich SPD: Wie geht es weiter?)

Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich jetzt als Umweltpolitiker sage: Seit fast einem Jahrzehnt sagen wir immer wieder, in der Umweltpolitik müsse es – jetzt gebrauche auch ich diesen hochtrabenden Begriff – zu einer Versöhnung zwischen Ökonomie und Ökologie kommen. Oft genug haben wir Umweltpolitiker dagestanden und haben mit der Faust in der Tasche beobachtet, dass die Ökonomie gesiegt hat. Hier haben wir in einem ganz wesentlichen Feld der Landespolitik zum ersten Mal ein Ergebnis, das wir vorzeigen können, bei dem es zu einem echten Ausgleich zwischen einer ökonomischen und einer ökologischen Betrachtungsweise gekommen ist

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

und sich letztlich die ökologische Betrachtungsweise durchgesetzt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Der Ausbau ist nicht durchsetzbar gewesen! – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Deswegen ist heute auch ein sehr guter Tag für alle Umweltpolitiker in diesem Haus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sie veredeln aber auch alles, Herr Kol- lege! Alles veredeln Sie!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Drexler, jetzt sollte man aber nicht – das ist meine letzte Bemerkung – einen neuen Kriegsschauplatz aufmachen, indem man fragt: Wie lange gilt denn jetzt das Wort, das der Ministerpräsident gegeben hat?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber er hat doch die Frage aufgeworfen! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Fünf Jahre! – Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Jetzt sage ich einmal etwas zum Trost für Sie und für mich: Es gilt mindestens so lange, wie wir hier im Landtag sitzen.

(Lebhafte Unruhe – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist aber nicht mehr lange! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Dann müssen wir aber noch fünfmal kandidie- ren! – Weitere Zurufe von der SPD und der CDU)

Deswegen sollten wir beide wenigstens zufrieden sein.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge- ordneten der Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Spät kommt ihr, doch ihr kommt. Es war ein klarer Sieg nach Punkten für die Opposition.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Das war Wallenstein! – Unru- he)

Es war ein Sieg nach Punkten für die Opposition, für die Opposition der Filderbevölkerung, für die Opposition der Kommunen auf den Fildern und in der Umgebung sowie für die Opposition in diesem Haus. Es war allerdings nur ein Sieg nach Punkten.

(Abg. Stephan Braun SPD: Elfmeterschießen!)

Wir haben es erst einmal geschafft, dass diese zweite Start- und Landebahn auf absehbare Zeit nicht gebaut wird. Aber sowohl Ihre Äußerungen, Herr Kollege Mappus, als auch jetzt die Äußerungen von Ministerpräsident Oettinger besagen: Es war noch kein K.-o.-Sieg. Das müssen wir feststellen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Den wird es auch nicht geben! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir gehen prinzipiell nie k.o.! – Gegenruf des Abg. Peter Hofe- lich SPD: Das haben schon viele gesagt! – Abg. Ute Vogt SPD zu Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Irgend- wann trifft es jeden!)

Diese Äußerung steht im Gegensatz zu dem, was der vormalige Ministerpräsident Teufel gesagt hat, nämlich dass jetzt Schluss sei mit weiteren Großprojekten auf den Fildern. Sie haben sich noch einmal ausdrücklich darauf bezogen, Herr Kollege Mappus. Dabei war dieses Ehrenwort, dieser eine der drei Pole, Herr Kollege Mappus, noch nie mit den beiden anderen vereinbar, die Sie genannt haben. Darauf sind Sie auch ein bisschen spät gekommen.

Das zeigt, dass die Frage der weiteren Lärmbelastung auf den Fildern, des weiteren Landverbrauchs, der weiteren Klimabelastung nicht endgültig vom Tisch ist. Deswegen ist es leider so: Auf den Fildern kann man den Kampfanzug offensichtlich nicht ausziehen – um es einmal etwas martialisch auszudrücken.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt werden Sie aber militant! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Man muss dort weiterhin wach und aufmerksam bleiben und darf sich nicht einschläfern lassen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bei uns zählen Ar- gumente!)

Denn, Herr Ministerpräsident, was die Frage angeht, ob der Flughafenausbau wirtschaftlich notwendig ist, sind Sie mit fast all Ihren Argumenten – fast bis in die Diktion hinein – völlig dem gefolgt, was wir seit Monaten auch in diesem Haus vorgetragen haben.