Protokoll der Sitzung vom 25.06.2008

Hierin sehen wir einen Ansatz, bei dem wir sagen: Wenn wir diese Divergenzen mit der Zeit ausräumen können, könnten wir sagen: Späte Einsicht ist auch eine Einsicht. Immerhin ist es so weit, dass Sie sagen, „auf absehbare Zeit“ bräuchten wir keine zweite Start- und Landebahn. Uns würde also schon interessieren, wie lange Sie es ausschließen, dass oben auf den Fildern weiter geplant wird und dass versucht wird, dort eine zweite Start- und Landebahn durchzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre eigentlich viel sinnvoller gewesen, wenn sich die Landesregierung an das Ehrenwort des Herrn Teufel gehalten hätte,

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

der gesagt hat: „Nach der Messe gibt es dort oben nichts mehr.“ Mich wundert es, dass es Sozialdemokraten sind, die Sie immer wieder daran erinnern müssen, was der frühere CDU-Ministerpräsident des Landes gesagt hat – ohne dass Sie sich dann allerdings daran halten würden. Er hat gesagt: Das gibt es nicht!

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Sie haben ein volles Jahr gebraucht, bevor Sie sich jetzt daran erinnert haben, dass es einmal ein Ehrenwort gab – Herr Mappus hat in der Zeitung ja erklärt, das sei ein Bestandteil der dritten Säule gewesen. Auch nachdem wir das vorgetragen hatten, haben Sie sich nicht an dieses Ehrenwort erinnern können. Die Landesregierung hat sogar noch im Februar die Auskunft erteilt, frühere Landesregierungen hätten nie eine solche Aussage getroffen; man könne sich jedenfalls nicht daran erinnern, dass so etwas einmal geäußert worden sei. Das haben Sie in der Antwort auf unsere Anfrage geäußert.

Der Bezug auf dieses Ehrenwort wäre eine klare Richtung gewesen und hätte im Übrigen auch Vertrauen geschaffen. Dort oben auf den Fildern hat niemand mehr Vertrauen in die Politik.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: In die Regierung!)

Nein, ich sage ausdrücklich „in die Politik“, weil natürlich die Regierung die Maßstäbe setzt. Das ist das Problem. Deswegen kritisiere ich das auch.

(Zurufe von der CDU)

Herr Ministerpräsident, im letzten Jahr – im November – kam dieses Gutachten. In Auftrag gegeben worden war es im April, und zwar nicht durch Herrn Fundel, sondern durch Herrn Rech und seinen Aufsichtsrat.

(Widerspruch bei der CDU)

Natürlich. Da ist der Beschluss gefasst worden, ein solches Gutachten in Auftrag zu geben. Damals im Februar geschah

das durch Herrn Rech. Herr Rech ist nämlich erst nach einem Jahr abgelöst worden. Am 21. November – das kann ich Ihnen vorlesen – ist Herr Stächele Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen Stuttgart GmbH geworden. Vorher war es Herr Rech, ein Jahr lang, weil man natürlich Herrn Rech herausziehen wollte, wenn möglicherweise ein Planfeststellungsverfahren kommt. Das war der Hintergrund dieses Textes.

Schon damals hätten Sie erkennen können, dass all die Fakten auf dem Tisch liegen. Dieses ganze Theater mit dem zweiten Gutachten war unnötig. Herr Noll, was haben wir hier gestritten! Sie sind für ein zweites Gutachten eingetreten. Die ganze CDU-Fraktion brauchte dieses zweite Gutachten. Sie, der Sie immer gesagt haben, dass Sie den Ausbau nicht brauchen! Wo ist jetzt das Gutachten? Soll ich Ihnen einmal vorlesen, was Sie vor einem halben Jahr beschlossen haben?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Fordern Sie eines? – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sie haben gesagt: Stopp aller Gutachten!)

Ja, ja, wir haben gesagt, dass wir keines wollen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Seien Sie doch zu- frieden! Wir erwarten Dankbarkeit!)

Ja, wir haben gesagt, wir wollten kein zweites Gutachten, und Sie haben beschlossen, ein Gutachten in Auftrag zu geben, es auszuwerten und erst danach zu entscheiden.

Ich stelle also fest: Die Landesregierung hat genau das getan, was wir hier im November beantragt haben: kein Gutachten! Genau das hat sie jetzt gemacht.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe der Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP sowie Dr. Stefan Scheffold und Dr. Dietrich Birk CDU)

Jetzt komme ich darauf zurück, dass es in diesem Land keine zukunftsorientierte Verkehrspolitik gibt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Seien Sie doch dankbar! Wo ist das Problem?)

Das hat mit Dankbarkeit nichts zu tun, das hat etwas mit politischem Wollen und richtigen Gedanken zu tun, Herr Röhm. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sagen Sie einmal, was Sie wollen! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie sollten uns die Füße küssen!)

Sie haben keine Flughafenkonzeption, Sie haben keine Verkehrskonzeption.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie ist doch vorge- tragen worden!)

Nein, sie ist nicht vorgetragen worden, sie ist nur teilweise vorgetragen worden.

Ich will Ihnen auch den großen Unterschied nennen. Erstens: Wir müssen alle Flughäfen einbeziehen – nicht nur Söllingen.

Zweitens: Wir müssen auch die Schiene an die Flughäfen bringen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Wir sind bei der Rea- lisierung! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Rich- tig! Auch das ist gesagt worden! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Drittens: Wir brauchen, nachdem wir wissen, dass der Flugverkehr zu den größten Klimakillern gehört, nicht nur eine Verlagerung, sondern auch das Überflüssigmachen von Verkehren im Flugbereich. Wenn Sie vor zwei Tagen die „Stuttgarter Zeitung“ gelesen haben, haben Sie auch gelesen, dass die Bahn sagt, bis zu einer Entfernung von 600 km könne sie den Flugverkehr ersetzen. Wir haben immer gesagt: 500 km. Schuster sagt: 800 km.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Was sagt Verheu- gen?)

Also, für einen Oberbürgermeister aus Horb ist das der dümmste Zwischenruf.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der hört auch auf! – Heiterkeit)

Wenn wir wirklich eine Flughafenkonzeption wollen, dann muss das alles einbezogen werden. Das heißt: Bahn muss Flugverkehr ersetzen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Tut sie doch schon, Gott sei Dank!)

Das stimmt doch gar nicht! Bei uns in Baden-Württemberg so noch nicht, und deswegen muss das in die Flugverkehrskonzeption hinein.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Da sind wir einig! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wir sind da- bei!)

Ja, wir sind uns einig, wir beschließen es aber nicht. Das ist doch der Punkt!

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wer hat es denn blockiert? Die Bundesregierung hat es immer blo- ckiert!)

Viertens: Besteuerung der Verkehrsträger – auch das ist eine Forderung, die aufgenommen werden muss. Wenn wir das Kerosin für den Flugverkehr unversteuert lassen, dann geht das nicht. Das heißt, die Mehrwertsteuer und die Benzinsteuer müssen gezahlt werden.

Nun kommen wir zu einem interessanten Aspekt, den Sie gebracht haben: eine Flugabgabe. Wir werden demnächst da rüber reden. Wir sind zwar immer noch für Steuern, aber wenn Sie der Auffassung sind, man könne das mit einer Abgabe machen, dann sind wir auch für eine Abgabe.

(Lachen des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Aber auch das muss in eine Flugverkehrskonzeption hinein, damit es nicht teurer ist, vom Stuttgarter Hauptbahnhof oder vom Esslinger Hauptbahnhof mit dem Taxi zum Flughafen zu fahren, als von Stuttgart nach Mallorca hin und zurück zu fliegen. Wir wissen ja, dass das zurzeit der Fall ist. Das muss geschehen, sonst haben wir keine Wettbewerbsfähigkeit.

Also, Herr Ministerpräsident, wenn Sie wirklich an einer Flugverkehrskonzeption interessiert sind – ernsthaft, durchdacht und glaubwürdig –, dann machen wir mit, dann bekommen Sie das Angebot der SPD. Wenn Sie eine moderne Konzeption wollen – so wie bei Stuttgart 21 und der Neubaustrecke –, wehren wir uns nicht, aber sie muss klar, deutlich und durchdacht sein. Wenn eine solche Konzeption kommt, macht auch die SPD-Fraktion mit.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schön, dass Sie da- bei sind! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Drexler, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ja. – Zum Schluss möchte ich mich noch bedanken – nicht bei der Landesregierung, sondern bei der Schutzgemeinschaft, bei den kommunalen Vertretern von 45 Städten und Kommunen und bei den vielen Tausend Menschen auf den Fildern, die gearbeitet, die demonstriert haben, intelligente Aktionen gemacht und wahrscheinlich mit dem einen oder anderen von Ihnen gesprochen haben. Ohne diese vielen Menschen und ihr Engagement wäre dieser Erfolg heute nicht möglich gewesen, und deswegen recht herzlichen Dank von der SPD-Fraktion.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und den Grünen – Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.