Ich habe Ihnen schon bei der letzten Bildungsdebatte gesagt: In Baden-Württemberg werden in jedem Jahr im Durchschnitt zehn neue Privatschulen – Schulen in freier Trägerschaft – gegründet.
Anstatt da die Alarmsirenen „loszulassen“, ignorieren Sie das einfach und singen hier ein ganz billiges Lied darüber, wie spitze Sie angeblich sind.
Wenn das staatliche Schulsystem so gut ist, wie Sie es darstellen, warum findet dann diese Abwanderung statt, wonach sich Teile des Bildungsbürgertums aus dem staatlichen Schulwesen verabschieden?
Was ist eigentlich das Thema oder die Überschrift über der Bildungspolitik und der Schule der Zukunft? Diese Überschrift heißt: Wie bauen wir eine Schule, in der individuelle Förderung das oberste Prinzip ist? Das ist die Herausforderung für die Zukunft. Sie ergibt sich aus den Tatsachen, z. B. aus der demografischen Entwicklung,
daraus, dass wir ein kinderarmes Land sind und dass wir darauf angewiesen sind – wie es unsere Verfassung sagt –, jedem Kind die Bildungschancen zu geben, die es verdient, und
zwar ohne Rücksicht auf Herkunft und wirtschaftliche Lage seiner Eltern. Das ist die Herausforderung für die Zukunft.
Dieser Herausforderung verweigern Sie sich. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass dieser Auftrag der Verfassung in Baden-Württemberg nicht erfüllt ist.
Es ist ein Skandal, dass der Bildungserfolg in diesem Land wesentlich von der Herkunft der Kinder und nicht von ihrer Intelligenz abhängt.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Sie sind doch völlig maßlos! – Zu- ruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)
Das Thema war: Wie erreicht man trotz dieser schlechten Bedingungen, die ich beschrieben habe, doch eine gewisse Durch lässigkeit im Bildungssystem? Das war Ihre These.
dass Sie sich aus ideologischen Gründen weigern, ein drei gliedriges Schulsystem infrage zu stellen, ein System, das Schüler zu einem Zeitpunkt verteilt, von dem uns Wissenschaftler einmütig sagen, dies sei nicht der richtige Zeitpunkt.
damit Sie Durchlässigkeit überhaupt erreichen, weil Sie sich weigern, eine klare Reformstrategie anzugehen, nach der das Schulsystem Mittel zum Zweck ist, nämlich das Mittel, um eine individuelle Förderung zu erreichen – und nicht umgekehrt. Das ist der Punkt.
Das heißt, dass erstens die Kosten-Nutzen-Relation, um überhaupt Durchlässigkeit zu erreichen, immer größer wird. Sie brauchen immer mehr Ressourcen für immer weniger Effekte. Zweitens wird das Ganze auf dem Rücken der Schüler- und der Elternschaft ausgetragen.
Man setzt Dritt- und Viertklässler in der Grundschule mit der verbindlichen Schulempfehlung unter erheblichen Stress. Wenn die Schüler an die falsche Schule geschickt worden sind, können sie es über Ihre Umwege vielleicht schaffen, wieder das richtige Ziel zu erreichen. Das ist das, was wir kritisieren. Das findet alles auf dem Rücken der Eltern- und der Schülerschaft statt.
Der Weg, den Sie jetzt gehen, ist verhängnisvoll. Man muss sich jetzt einmal die von Ihnen beabsichtigte Reform zum G 8 ansehen. Das ist der Weg des Dirigismus. Sie müssen immer tiefer und immer weiter in die Einzelheiten des Schullebens hineinregieren, statt dass Sie die Schule unter kommunaler Einbettung in eine Freiheit, in eine Selbstständigkeit entlassen. Das ist der Weg der Zukunft.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Keine Schulemp- fehlung, keine Prüfung!)
Man muss den Leuten vor Ort etwas zutrauen. Man muss ihnen die Mittel und die Ressourcen in die Hand geben, damit sie selbst Schulen entwickeln können. Wir haben mit unserem Bildungspakt eine klare und gute Vorgabe gemacht, wie wir die Lehrerinnen und Lehrer, die wir jetzt brauchen, einstellen können, ohne den Haushalt zu belasten. Davon sind Sie weit entfernt. Stattdessen bosseln Sie im Detail herum.
Ich sage Ihnen, wozu das führen wird. Das wird dazu führen, dass die Reformmüdigkeit in der Eltern- und der Lehrerschaft zunimmt. Denn zielführende Reformen kann man mit den gegebenen Rahmenbedingungen nicht mehr mit einem vernünftigen Aufwand machen. Immer mehr Eltern werden versuchen, Schulen zu gründen, integrative Schulkonzepte zu schaffen, nach denen die Kinder individuell gefördert werden und an derselben Schule unterschiedliche Abschlüsse mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, je nach ihrer Begabung, erreichen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist ja interes- sant! Sagen Sie es noch einmal! – Glocke des Präsi- denten)
Das ist der Weg der Zukunft. Sie dagegen sind nur ein Reparaturmeister, aber nicht ein Kultusminister, der in seiner Fraktion selbst Impulse setzt und die Bildungspolitik in eine Zukunft bringt, in der wir mit den wichtigsten Ländern der Welt in einen Wettstreit treten können. Sie wollen sich letztlich vielmehr daran messen, ob Baden-Württemberg besser als Mecklenburg-Vorpommern abschneidet. Das kann nicht die Zukunft der baden-württembergischen Bildungspolitik sein.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein bisschen ist heute ja der Tag der Emotionen; ich gebe es zu.
Manchmal gibt es in der politischen Diskussion auch persönliche Emotionen, bei denen sich jeder einmal selbstkritisch fragen muss, ob er an der einen oder anderen Stelle nicht auch einmal über das Ziel hinausschießt. Herr Schmiedel, irgendwie sind Sie mir ja nicht ganz unsympathisch,
aber ich glaube, mit diesem Antrag liegen Sie voll daneben, und das wissen Sie auch. Die Mehrheit hier in diesem Parlament werden Sie dafür nicht bekommen.
Vielleicht einmal ein paar persönliche Anmerkungen. Hier wird – übrigens auch von Ihrer Seite – Bildung immer als Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand genannt. Dazu stehe auch ich.