Protokoll der Sitzung vom 26.06.2008

Die CDU spricht davon, dass es das Problem mit den Vereinen nicht nur beim G 8 gibt, sondern bei allen Schulen. Ferner wird gesagt, dass der Kultusminister die Käseglocke über die Schulen halte und diese lüften solle; das finde ich eine ganz interessante Aussage.

Frau Berroth erwartet heute die Erkenntnis vom Minister, wie es mit den Vereinen weitergeht. Sie haben zugegeben, dass die Antworten in dieser Stellungnahme nicht gerade sehr befriedigend sind, was ja auch stimmt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es war zu früh gefragt!)

Sie hoffen jetzt, dass heute ein bisschen Licht ins Dunkel kommt – so haben Sie sich ausgedrückt –, und erwarten Er

kenntnisse vom Minister; darauf sind wir auch sehr gespannt.

Dann finde ich es auch noch sehr gut, Frau Berroth, dass Sie darauf hinweisen, dass die ehrenamtliche Arbeit nicht überstrapaziert werden darf und die geforderte Flexibilität dort in Grenzen gehalten werden soll. Das ist etwas, das wir schon die ganze Zeit über fordern. Wir sagen immer wieder: Allein mit Ehrenamt geht es nicht.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Richtig!)

Aber bisher haben Sie dem immer widersprochen. Folgen Sie doch endlich einmal dem, was wir sagen. Dann, denke ich, würde sich einiges hier im Land verändern, auch bei den Sportvereinen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: So wird man missverstanden! – Gegenruf der Abg. Christine Rudolf SPD: Sie können es im Proto- koll nachlesen! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Gern!)

Wir alle wissen, dass die Vereine die Auswirkungen von G 8 sehr massiv spüren. Das bekommen wir auch von den Sportverbänden mitgeteilt.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Die Auswirkungen werden in den Vereinen sehr massiv wahrgenommen, weil nämlich die Schülerinnen und Schüler gerade beim G 8 teilweise am Wochenende noch ihre Hausaufgaben machen müssen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus!)

Jetzt habe ich gerade von Ihnen gehört, dass in den Osterferien ein Mathenachhilfekurs gemacht werden solle. Warum ist es nicht möglich, dass man sich die Mathekenntnisse während der ganz normalen Schulzeit aneignet?

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch ein Indiz dafür, dass Sie selbst merken, dass in diesem Schulsystem vieles im Argen liegt, wenn Sie ansprechen, dass Schülerinnen und Schüler auch in den Ferien noch Nachhilfeunterricht nehmen müssen.

Das wollen wir eben nicht. Deshalb sind wir der Auffassung, dass das G 8 und auch die Ganztagsschulen so weiterentwickelt werden müssen, dass die Kinder wirklich nach wie vor ihre sportlichen, aber auch ihre musischen Aktivitäten aufrechterhalten können, dass man die Kinder nicht vom Verein abmelden muss, weil sie keine Zeit mehr dafür haben.

Besonders betroffen macht mich – ich habe es in der letzten Diskussion zu diesem Thema auch schon gesagt –, wenn sich Kinder von Wettkämpfen abmelden mit der Begründung: „Am Wochenende muss ich zu Hause lernen. Ich habe Angst, ich verpasse in der Schule den Anschluss. Deswegen höre ich lieber mit meinem Lieblingssport auf.“ Das kann es doch nicht gewesen sein. Und wir nennen uns dann Sportland BadenWürttemberg! Das zeigt auch wieder, dass hier noch dringender Nachholbedarf besteht.

(Beifall bei der SPD)

Hier gilt eigentlich wie für alles in der Bildungspolitik: Ohne Moos nix los! Solange immer bloß diese Billigmacherei betrieben wird, kann es natürlich auch nicht funktionieren.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So sieht die SPD das! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das war wieder die alte Leier!)

Sie werden mit der Zeit auch merken, dass dies stimmt.

Jetzt wird ein kleines Reförmchen gemacht, zu dem sogar Ihr Fraktionsvorsitzender sagt, das sei bloß ein „Reformprogrämm chen“.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Klären Sie ein- mal mit Herrn Dr. Noll, was der wirklich gesagt hat!)

Das kann ich mit ihm klären. Das haben wir so in der Presse gelesen, also ist es auch so.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der wurde doch so zi- tiert!)

Er hat selbst gesagt, dass das viel zu wenig sei, was hier gemacht wird. Es dauert immer eine ganze Weile, bis Sie es einsehen, und dann sind Sie bereit, ein bisschen herumzudoktern, ein bisschen nachzuhelfen, scheuen sich aber, im Interesse der Kinder und der Vereine endlich den großen Wurf zu machen. Dafür ist es höchste Zeit.

Ich bin davon überzeugt, dass Sie – wie schon beim Thema „Zweite Startbahn am Flughafen Stuttgart“ – irgendwann auch hier auf den Trichter kommen, dass wir recht haben. So wird es sich auch beim G 8 zeigen. Sie werden mehr Geld für das pädagogische Personal in die Hand nehmen müssen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Neuenhaus für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bei manchen Anträgen aus den Reihen der Regierungsfraktionen – und bei dem vorliegenden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP, gilt dies ganz sicher auch – hat man eher das Gefühl, dass es sich um einen pflichtschuldigen Versuch handelt, der Regierung als Stichwortgeber zuzuspielen, damit diese wieder einmal Erfolg vermelden kann.

Besonders beim Thema Schule, bei dem die Landesregierung sich paradoxerweise ja als besonders lernresistent erweist und deshalb zu Recht nicht mehr aus der öffentlichen Kritik herauskommt, können wir verstehen, dass Sie ab und zu auch einmal das Bedürfnis nach gelungenem Vollzug anmelden. Aber noch nicht einmal diese selbstgezimmerten Rechtfertigungsversuche wollen mehr gelingen. Was soll denn ein Antrag, liebe Kollegen von der FDP/DVP, der den Hauptteil seiner Begründung darauf verwendet, a priori festzustellen, dass es keine negativen Auswirkungen bezüglich der von Ihnen abgefragten Sachverhalte gebe?

(Heiterkeit bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Es verwundert auch nicht, wenn die Stellungnahme des Ministeriums zu derart halbherzig gestellten Fragen entsprechend lieblos ausfällt. Deutlich wird nur, dass bei diesem Thema dringend nachgehakt werden muss. Ich werde mich jedoch aufgrund der dünnen Informationslage auf wenige Punkte beschränken.

Zu der Entwicklung der außerschulischen Aktivitäten, insbesondere im Sportbereich, nach Einführung von G 8 lässt die Regierung lapidar verlauten, dass es hierzu keine empirischen Daten gibt. Sie haben keine Daten, meine Damen und Herren von der Regierung? Dann möchten wir Sie doch bitten, sich diese Daten zu besorgen. Oder interessieren Sie sich für die Auswirkungen der von Ihnen beschlossenen Konzepte etwa nicht?

(Beifall bei den Grünen)

Möglicherweise bleibt die Bewältigung der Problematik aber auch wieder einmal – wie das beim schulischen Mittagstisch, bei der Nachhilfe oder der Stressbewältigung zu beobachten ist – bei den betroffenen Eltern hängen. Immerhin ist auf deren Seite das Interesse an den Folgen, die das G 8 für ihre Kinder hat, deutlich größer als das Interesse derer, die diese Schulreform übers Knie gebrochen haben.

Vielleicht wissen die Verantwortlichen selbst am besten, warum sie nicht nachfragen und warum sie keine empirischen Daten erheben. Befragungen, die von Eltern initiiert und durchgeführt wurden, führten nämlich durchweg zu sehr vergleichbaren Ergebnissen, unabhängig davon, in welchem Bundesland diese Daten erhoben wurden. So kam z. B. eine Schülerbefragung an einem Hamburger G-8-Gymnasium zu dem Ergebnis, dass bis zu 76 % der Schülerinnen und Schüler außerschulische Angebote nicht mehr wahrnehmen und insbesondere auch nicht mehr an Sportaktivitäten teilnehmen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: In Hamburg? – Ge- genruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Auch CDU- regiert! Die gleiche Soße! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Ich frage ja nur!)

Ähnliche Ergebnisse erbrachte auch eine Befragung des Gesamtelternbeirats in Konstanz. Inklusive der Hausaufgabenbetreuung hätten die Kinder inzwischen eine 45- bis 50-Stunden-Woche zu absolvieren.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Das ist doch nicht nur Ar- beitszeit!)

Das ist mehr, als jeder Tarifvertrag in Deutschland überhaupt zulässt. Auch in Bayern berichten Eltern- und Lehrerverbände von völlig überforderten Kindern, die keine Zeit mehr für Sport und Spiel hätten. Und das alles, verehrte Kolleginnen und Kollegen, will unsere Landesregierung trotz des Fehlens empirischer Daten einfach einmal so wegwischen.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Das Problem von G 8 ist nicht der häufige Unterricht in den Nachmittag hinein. Das wäre, wenn die Weiterentwicklung zur Ganztagsschule, die längst überfällig ist, gelänge, auch nicht das eigentliche Problem der Sportvereine. Denn diese Situation könnten sie bekanntlich bewältigen, zumal die Ehrenamtlichen tagsüber ja auch meist berufstätig sind. Das Problem besteht vielmehr darin, dass die Schule so, wie sie bei uns praktiziert wird, ein

Fass ohne Boden ist. Es besteht darin, dass die Kinder nach wie vor ihren Lernstoff mit nach Hause nehmen und private oder kommerzielle Nachhilfe in Anspruch nehmen müssen, um bestehen zu können. Und das alles nur, weil Schule bei uns ihren Job nicht macht!

Das Problem, liebe Landesregierung, ist auch nicht die fehlende Flexibilität und Dialogbereitschaft der Sportvereine, an die Sie in Ihrer Stellungnahme wieder einmal gern appellieren. Diese Dialogbereitschaft hätten Sie uns heute sogar selbst dokumentieren können, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regierung und von der FDP/DVP, wenn Sie Ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Vor dem Schreiben des Antrags hätten Sie ruhig einmal ins Archiv schauen können. Der Landessportverband hat bereits im Jahr 2005 eine Broschüre herausgebracht, in der explizit Kooperationen zwischen Sportvereinen und Schulen bzw. Ganztagsschulen ausgearbeitet sind, und dies mit allen nötigen rechtlichen Handreichungen versehen. Dort steht auch, wie Verträge auszuarbeiten sind.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wissen Sie, was daraus inzwischen geworden ist? – Gegenruf der Abg. Christine Rudolf SPD: Nichts!)

Für die Landesregierung gilt: Anstatt solche oberflächlichen Stellungnahmen zu präsentieren, hätte bereits ein Blick in den Landessportplan genügt, in dem alle Antworten zu finden sind. Das Landesinstitut für Schulsport stellt Beratungsstellen für Schulen und Vereine zur Verfügung. Das wäre der einfachste Weg gewesen, um hier wenigstens eine vernünftige Antwort zu geben.

Wir könnten jetzt sagen: Wir sind im Schulbereich Kummer gewohnt. Aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sagen wir nicht. Vielmehr werden wir die entsprechenden Schritte einleiten und die fehlenden Daten einfordern, um uns auch weiterhin für die wichtigen Themen Sport und Gesundheit einsetzen zu können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rau.