Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Machen wir doch!)

60 solcher Anträge sind in den letzten Jahren im Kultusminis terium versandet. Es ist das Problem dieser Landesregierung, dass das Kultusministerium das politische Bermudadreieck für Kreativität und Innovation ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Heiterkeit der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Jetzt komme ich noch einmal zum Dialog, Herr Ministerpräsident. Der eigentliche GAU in Ihrer Schulpolitik war, dass Sie sich geweigert haben, mit 100 Schulleitern im Land – es wurden dann sogar noch mehr – überhaupt zu reden. Stattdessen haben Sie sie aufs RP geschickt und mit dem Beamtenrecht kujonieren lassen. Wer so handelt und wer so mit Praktikern umgeht, die an den Schulen vor Ort gute Arbeit leisten, wer sich weigert, mit ihnen zu reden, der kann noch weitere Millionen Euro in das Schulwesen stecken – er wird dort keinen Aufbruch erzeugen und keine wirkliche Reform im Schulwesen erreichen.

(Beifall bei den Grünen)

Ihre Reaktion ist klar gewesen: mehr vom Gleichen. Es werden einfach nur 500 Millionen € in das gleiche System gesteckt. So etwas, Herr Kollege Mappus, ist eine Quantitätsoffensive und keine Qualitätsoffensive.

Zu einer Qualitätsoffensive werden Sie nicht kommen, wenn Sie sich nicht endlich – der Kollege Schmiedel hat schon einiges aufgezählt – ernsthaft mit den Menschen auseinandersetzen, die eine Öffnung des dreigliedrigen Schulsystems wollen. Man wird von Ihnen doch wohl verlangen können, dass Sie mit allen Teilen der Bürgerschaft reden, auch mit denen, die nicht Ihrer Meinung sind. Darum geht es.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Werner Wölfle GRÜNE)

Wenn Sie das nicht lernen, werden Sie dasselbe erleben wie die CSU bei den Wahlen in Bayern. Das garantiere ich Ihnen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Theresia Bauer GRÜ- NE: Genau! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Dass wir zweieinhalbmal so viele Stimmen wie die zweit- stärkste Partei bekommen?)

Ändern Sie Ihren Umgang mit kritischen Leuten und lassen Sie sich endlich auf die Diskussion ein.

Es gibt gute Beispiele aus dem Ausland. Wir haben eine sehr gute Anhörung mit Vertretern aus Südtirol gemacht. Dort arbeitet man mit einem integrativen Schulsystem ganz ausgezeichnet,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist ein ganz an- derer Hintergrund!)

obwohl Südtirol so schwarz regiert wird wie wir seit 50 Jahren.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Gehen Sie einmal aus Ihren ideologischen Schützengräben heraus und erkennen Sie, dass das mit Parteipolitik überhaupt nichts zu tun haben muss, sondern dass es um gesunden Menschenverstand geht. Man muss sich sagen lassen, was die Wissenschaft uns zu sagen hat, und dann die ersten Schritte machen. Dabei werden wir Sie so lange antreiben, bis Sie nachgeben – wie Sie es bei der Ganztagsschule und der Ganztagsbetreuung auch machen mussten. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das meiste muss ich jetzt zurückstellen. Zum Schluss will ich Folgendes sagen: Unserer Ansicht nach wird die dritte industrielle Revolution die ökologische Revolution sein. Die Marktwirtschaft der Zukunft wird eine grüne Marktwirtschaft sein.

(Oh-Rufe von der FDP/DVP)

Ich zitiere den Chef von Thyssen-Krupp, Ekkehard Schulz, aus der „Wirtschaftswoche“ vom 22. September:

Die Umwelttechnologie kann bis zum Jahr 2020 die Automobilbranche als Leitindustrie ablösen.

Zu ähnlichen Schlüssen kommen die „Wirtschaftswoche“ und die renommierte Unternehmensberatung Roland Berger. Nur wenn wir uns mutig für eine Politik der Nachhaltigkeit entscheiden, können wir auch in Zukunft erfolgreich sein. Unsere Wirtschaft muss auf ökologische Nachhaltigkeit umsteuern, sonst wird es zu einem Crash kommen, der noch ganz andere Dimensionen annimmt als jetzt der Crash der Finanzmärk te.

Wie wir im Jahr 2020 dastehen, Herr Ministerpräsident, entscheiden wir jetzt. Es wurde von Ihnen schon unglaublich viel versäumt. Ich sage Ihnen noch einmal: Ihr Zickzackkurs in diesen Fragen schafft kein Vertrauen. Wir gewinnen die Bürgerinnen und Bürger nur dann wieder für die Politik, wenn deutlich wird, dass Zukunft gestaltet wird und unsere Wirtschaft, die Finanzen, der Umgang mit Ressourcen, Energie und Landschaft wieder zukunftsfähig und nachhaltig werden.

Eine verantwortliche Orientierung in einer Welt des Wandels und der Umbrüche braucht viele Aspekte, die Pluralität der Argumente und die Produktivität kritischer Fragen, Herr Ministerpräsident. Wir brauchen keine Abwiegler, Jasager und Mainstreamschwimmer, unter denen Sie sich offensichtlich gern bewegen. Haben Sie daher einfach den Mut, den offenen Dialog mit Ihren Kritikern zu führen, etwa mit Rektoren, die eine andere Schulpolitik wollen, mit Eltern, die das G 8 kritisieren, mit Bürgerinnen und Bürgern, die eine andere Vorstellung von Mobilität haben als Sie und gegen das Großprojekt Stuttgart 21 sind.

Dialogbereitschaft heißt in einer Demokratie Streit in der Sache. Das gibt dann den Menschen das Bewusstsein, dazuzugehören, mitwirken zu können an einer nachhaltigen Zukunftsperspektive. Das ist nötig, damit sie nicht den großen Vereinfachern aufsitzen, wie wir das gerade in Österreich erlebt haben.

Mehr Mut zur Nachhaltigkeit, mehr Mut zur Kritik und Selbstkritik, das erwarten wir von Ihnen. Wir haben diesen Mut, und deswegen werden wir selbstbewusst und konstruktiv gegen Ihre Kurzsichtigkeit und Kurzatmigkeit opponieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Peter Hofelich SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Außer op- ponieren bleibt euch auch nichts anderes übrig!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! „Halbzeitbilanz“ ist aus dem Sport entlehnt. Als Letzter in dieser Debatte muss ich sagen: Die Koalition und die Regierung aus CDU und FDP/DVP können die zweite Halbzeit für das Land spielen und müssen nicht gegen die Opposition spielen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Es steht 3 : 0 für uns heu- te Morgen, dass das einmal klar ist! – Abg. Peter Ho- felich SPD: Im Fußball spielen immer zwei Mann- schaften gegeneinander!)

Das, was Sie bisher an Strategien, an Hinweisen geboten haben, lässt uns sicher sein, dass wir auf das Erreichte stolz sein dürfen, aber nicht stolz in dem Sinn, als hätten wir das erreicht, sondern es sind die Menschen draußen in diesem Land, die auf ihren Ebenen als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, als Unternehmer, in den Schulen, in den Verwaltungen dafür sorgen, dass sich die Menschen hier in Baden-Württemberg – auch wenn Sie immer wieder versuchen, das durch irgendwelche Statistiken zu widerlegen – wohlfühlen, dass sie gern hier leben, dass sie gern hier arbeiten.

(Abg. Ingo Rust SPD: Alles Floskeln!)

Die Menschen wissen, glaube ich, dass wir hier mit einer soliden, nachhaltigen Politik auch weiterhin die Grundlage legen werden, und zwar nicht abgehoben nach dem Motto „Bei uns läuft alles optimal“. Jeder von uns weiß, dass wir bei allen Fragen immer wieder um Wege zum Ziel ringen müssen, aber dass wir insgesamt nicht abgehoben, sondern in einem

Politikstil, der sowohl den Ministerpräsidenten und die Regierung als auch die Fraktionen auszeichnet, die Ziele gemeinsam erreichen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Dass Baden-Württemberg nicht losgelöst von Bundes- und internationalen Einflüssen agieren kann, haben mehrere Vorredner – vom Ministerpräsidenten über Herrn Schmiedel – auch dargestellt. Wir sind ja jetzt gerade in einer schwierigen Situation, die natürlich auch auf die Wirtschaft und auf den Haushalt unseres Landes Auswirkungen haben kann. Wir sollten nicht zu viele Kassandrarufe von uns geben, aber wir müssen uns darauf einstellen. Wenn Sie jetzt versuchen, lieber Kollege Schmiedel, das als Rundumschlag gegen die soziale Marktwirtschaft, gegen jegliche Form von Markt hier zu propagieren,

(Abg. Peter Hofelich SPD: Na, na, na!)

dann liegen Sie völlig falsch.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie sind doch für die Abschaffung von Regeln! Sie wollen doch zügellosen Kapitalismus! Sie sind doch auf die Nase gefallen!)

Schauen Sie doch einmal, welche Staaten diesen von Ihnen zu Recht kritisierten ungezügelten Markt zugelassen haben respektive ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen haben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das ist die falsche Sicht von Marktwirtschaft, eine Sicht, die nichts mit liberalem Verständnis von Marktwirtschaft zu tun hat.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es!)

Dass wir im Land Baden-Württemberg mit unserer Wirtschafts struktur, die wesentlich vom Mittelstand geprägt ist,

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

und mit einem stabilen Bankensystem, das für die Kapitalversorgung zur Verfügung steht, so erfolgreich sind, zeigt doch, dass gerade die, die Sie auch in diesen Generalverdacht der ungezügelten Gier bringen wollen, nämlich die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Mittelständler, die Handwerker, die freien Berufe, hier in diesem Land Marktwirtschaft mit Verantwortung verbinden,

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Verantwortung für die Menschen in ihrem Betrieb, für Arbeitsplätze, für Ausbildungsplätze. Deswegen lassen wir nicht zu, dass die soziale Marktwirtschaft, wie wir sie hier als Grundlage unseres Erfolgsmodells vorantreiben, so pauschal madig gemacht wird.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie drücken doch das Handwerk an die Seite! Totengräber des Handwerks!)

Zum Thema Landesbank gab es ja schöne Ratschläge. Der eine drängt uns zu weiteren Fusionen, der andere warnt uns vor