Protokoll der Sitzung vom 06.11.2008

Dazu möchte ich zunächst Folgendes feststellen: Heute, meine Damen und Herren, sieht das Polizeigesetz – von punktuellen Regelungen abgesehen – keine besonderen Regelungen zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern vor. Auch bei den Berufsgruppen, denen kein absoluter Schutz gewährt wird, sind Eingriffe nach der Neuregelung nur – ich zitiere – zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zulässig. Eine wirksame Gefahrenabwehr und die Verhinderung schwerer Straftaten sind ganz wesentliche, verfassungsrechtlich legitimierte Aufgaben der Polizei. Sie berühren nicht allein das öffentliche Interesse, sondern auch die Grundrechte der Opfer solcher Straftaten. Bei der Schaffung von Erhebungs- und Verwertungsverboten ist deswegen natürlich eine sorgfältige Abwägung geboten.

Ein absoluter Schutz ist auch beim Berufsgeheimnisträger nur dann gerechtfertigt, meine Damen und Herren, wenn ein entsprechend absolut geschützter Belang dies zwingend erfordert. Das Bundesverfassungsgericht – das sage ich an die Adresse der Oppositionsfraktionen – hat bislang lediglich hinsichtlich des seelsorgerischen Gesprächs mit einem Geistlichen und des Gesprächs mit einem Strafverteidiger diesen Schutz angenommen. Im Übrigen geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass sich ein genereller Vorrang der schutzwürdigen Interessen zeugnisverweigerungsberechtigter Personen verfassungsrechtlich gerade nicht begründen lässt. Stattdessen ist die Abwägung geboten, und die haben wir vorgenommen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Herr Kollege Sckerl, nennen Sie mir ein Sicherheitsgesetz, das derzeit einen weiter gehenden Schutz gewährleistet, als wir ihn jetzt in unserem Polizeigesetz verankern. Es gibt nicht ein einziges, das einen weiter gehenden Schutz gewährleistet.

Meine Damen und Herren, ich will nicht alles wiederholen. Zu dem, was Sie zur Speicherung Strafverdächtiger als Prüffall gesagt haben: Derzeit ist eine Speicherung nur zulässig, wenn die Polizei eine Prognose abgeben kann, dass gegen den Verdächtigen in Zukunft erneut zu ermitteln sein wird. Diese sogenannte Wiederholungsprognose

(Abg. Thomas Blenke CDU: Die wesentlichen An- haltspunkte!)

Herr Kollege Blenke, Sie sagen es – kann gerade bei Massen- und Bagatelldelikten eben nicht belastbar gestellt werden. Das führt dazu, dass Tatverdächtige bei erneuter Strafbegehung schlichtweg nicht als Mehrfachtäter erkannt werden mit der Folge, dass diese Fälle eben nicht sachgerecht bearbeitet werden.

Lassen Sie mich zusammenfassen, meine Damen und Herren: Mit unserer heutigen Entscheidung schreiben wir unser Polizeigesetz moderat fort und geben der Polizei die Instrumente in die Hand, die sie braucht, um ihren Schutzauftrag gegen über der Bevölkerung tatsächlich erfüllen zu können. Wir reagieren angemessen, wir reagieren ohne Aktionismus, wir reagieren auf die veränderte Bedrohungslage. Die Balance zwischen den Rechten der Bürger einerseits und den Erfordernissen einer wirksamen Gefahrenabwehr andererseits bleibt dabei gewahrt.

Meine Damen und Herren, ich bin dankbar dafür, dass wir diesen Gesetzentwurf miteinander so sorgsam beraten haben. Wir haben vieles, eben weil wir so sorgsam vorgegangen sind, aus der Rechtsprechung, die sich parallel dazu entwickelt hat, 1 : 1 übernommen. Wir mussten deswegen, Herr Kollege Sckerl – das ist der letzte Vorwurf, den ich zurückweise –, nicht zurückrudern,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ach ja?)

sondern wir haben uns an der Rechtsprechung orientiert. Wir haben sie 1 : 1 übernommen. Wir wussten, es werden Entscheidungen kommen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ach ja? Wenn man einen Entwurf zurücknehmen muss, muss man zurückrudern!)

Herr Kollege Sckerl, der Entwurf lag noch gar nicht auf dem Tisch. Der Entwurf wurde intern beraten und der Rechtsprechung angepasst.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

Wir haben die Entscheidung fast wörtlich übernommen. Meine Damen und Herren, wir sind deswegen sicher, dass die Polizei das, was wir ihr jetzt an die Hand geben, tatsächlich auch braucht. Die Polizei genießt deswegen ein solches Ansehen in unserer Bevölkerung, weil sie die Instrumente, die ihr zur Verfügung stehen, sorgsam, lageangepasst und konsequent anwendet.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

Wenn wir ihr dieses Handwerkszeug nicht in die Hand geben, Herr Kollege Sckerl, dann nützt alles Geschrei, alle Forderung nach mehr Personal, nach besserer Besoldung und was auch immer überhaupt nichts.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Was heißt hier „Geschrei“? Das ist ein berechtigtes Anliegen!)

5 000 Polizeibeamte mehr, die wir gern hätten, würden nichts nützen, wenn erstens immer mehr vor die Füße der Polizei abgeladen wird – das ist die gesellschaftliche Entwicklung, über die ich an dieser Stelle nicht reden will: Alkoholverkaufsverbot und vieles andere mehr –

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das ist Ihre Po- litik!)

und wenn zweitens die Polizei zwar da ist, aber keinerlei Eingriffsmöglichkeit, keine Handlungsmöglichkeit hat.

Herr Kollege Sckerl, wir bewegen uns in einem liberalen, freiheitlichen Rechtsstaat, auch künftig. Darauf legen wir Wert. Genau dies haben wir bei unseren Beratungen mit dem Koalitionspartner sorgsam im Auge gehabt.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nachtwächter- staat!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho- mas Blenke CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Her ren, bevor wir zur umfangreichen Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes kommen, möchte ich unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne meinen besonderen Gruß einer Delegation der Stadtregierung, des Stadtrats und der Stadtverwaltung von Oulu entbieten.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Seit einem Besuch des Landtagspräsidiums in Oulu im Juli 1990 bestehen enge freundschaftliche Kontakte zwischen dem Landtag von Baden-Württemberg und der nordfinnischen Provinz und ihrer gleichnamigen Hauptstadt Oulu. Die Delegation der Stadt Oulu, die sich seit gestern in Baden-Württemberg aufhält, interessiert sich vor allem für Umweltfragen. Neben Gesprächen und Besichtigungen in Stuttgart und Sachsenheim steht auch ein Besuch in Freiburg auf dem Besuchsprogramm.

Sehr geehrte Gäste aus Oulu, ich darf Sie hier im Landtag von Baden-Württemberg noch einmal herzlich willkommen heißen und wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem Land.

(Beifall bei allen Fraktionen – Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie darum bitten, dass Sie die Gespräche

(Abg. Winfried Mack CDU unterhält sich mit Minis ter Helmut Rau.)

auch die Gespräche mit der Regierung – ad acta legen und sich auf eine umfangreiche Beratung konzentrieren. Die Be

ratung ist nicht ganz einfach. Das ist ein umfangreiches Paket.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Abstimmung! Das ist keine Beratung! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Abstimmung! – Unruhe)

Beschluss. Abstimmung.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Nur, damit wir wissen, was wir machen!)

Wir kommen in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Druck sache 14/3165. Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 14/3373. Dazu liegen mehrere Änderungsanträge vor, die ich an den entsprechenden Stellen zur Abstimmung stellen werde.

Artikel 1 des Gesetzentwurfs ist mit 41 Nummern sehr umfangreich. Ich schlage Ihnen deshalb vor, das Abstimmungsverfahren etwas zu straffen: Soweit mir keine Wünsche nach getrennter Abstimmung signalisiert werden, werde ich mehrere Nummern zusammenfassen, damit wir die Abstimmung geschlossen über die Bühne bringen. – Sie sind damit einverstanden.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Sehr gut!)

Ich rufe auf

Artikel 1

Änderung des Polizeigesetzes

mit dem Einleitungssatz und den folgenden Nummern 1 bis 39.

Zum Einleitungssatz wird in Ziffer 1 der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 14/3373, eine redaktionelle Änderung vorgeschlagen. Wer dem Einleitungssatz in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Somit ist mehrheitlich zugestimmt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Artikel 1 Nr. 1. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Artikel 1 Nr. 1 ist mehrheitlich zugestimmt.

Zu Artikel 1 Nr. 1 a, die die Einfügung eines neuen § 9 a beinhaltet, liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/3475-2, vor, mit dem eine Streichung des § 9 a Abs. 2 des Gesetzentwurfs begehrt wird. Dieser Streichungsantrag bedeutet nichts anderes als die Ablehnung von § 9 a Abs. 2. Ich lasse daher über § 9 a Abs. 1 und § 9 a Abs. 2 getrennt abstimmen.

Wer § 9 a Abs. 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist § 9 a Abs. 1 mehrheitlich zugestimmt.

Wir kommen jetzt zu § 9 a Abs. 2. Wer § 9 a Abs. 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist § 9 a Abs. 2 mehrheitlich zugestimmt.

Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/3475-2, erledigt.

§ 9 a Abs. 3 und 4 stelle ich gemeinsam zur Abstimmung. Wer § 9 a Abs. 3 und 4 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – § 9 a Abs. 3 und 4 ist mehrheitlich zugestimmt.

Zu Artikel 1 Nr. 2 und 3 liegen keine Änderungsanträge vor. Ich lasse deshalb über Artikel 1 Nr. 2 und 3 gemeinsam abstimmen. Wer diesen Nummern zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist Artikel 1 Nr. 2 und 3 mehrheitlich zugestimmt.