Wir haben in unserem Hauptschulpapier von Dreikönig gute Vorschläge gemacht, um die Zukunft der Hauptschule zu stärken. Wenn Sie sich dieses Papier anschauen, dann werden Sie merken, dass ein Großteil dieser Vorschläge, die wir an Dreikönig gemacht haben, schon jetzt Realität sind.
Wir haben in der Bildungsoffensive gute Vorschläge gemacht, wie die Hauptschulen in Zukunft gestärkt werden können. Wir sind jetzt mittendrin, das umzusetzen. Wir wollen genauso wie Sie eine individuelle Förderung jedes Kindes, das in die Schule kommt. Wir haben es gerade gestern beraten. Wir fangen im frühkindlichen Bereich damit an. Wir brauchen dazu die Hauptschule und die Realschule. Denn diese beiden Schularten – gerade auch die Hauptschule, so, wie sie jetzt organisiert ist – sind dringend zur individuellen Förderung der Kinder erforderlich. Wir brauchen sie – beide Schularten – zur Ausbildung eines qualifizierten Facharbeiternachwuchses. Beide Schularten leisten auch Hervorragendes bei der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. Die Realschule, die immer ein bisschen zu kurz kommt, ist einer der Garanten für die Durchlässigkeit unseres Schulsystems. Wir halten deshalb an beiden Schularten fest. Wir brauchen sie dringend.
Was die individuelle Förderung im Gymnasium anbelangt, haben wir mit dem, was wir in der Bildungsoffensive auf den Weg gebracht haben, auch hier deutlich mehr Möglichkeiten als bisher, jedes Kind individuell zu fördern. Das ist der richtige Weg.
arbeiten Sie konstruktiv mit uns zusammen, dann werden wir unser Bildungssystem weiterentwickeln. Darum geht es.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die einführenden Reden der heutigen Antragsteller zeigen, dass sie uns anhaltend damit langweilen wollen, eine inhaltlich längst überholte Strukturdebatte immer wieder in dieses Haus zu tragen,
und dass sie so haltlose Vorwürfe vorbringen wie den, die Regierung blockiere die Entwicklung an unseren Schulen. Die Fakten in unserem Land sehen völlig anders aus.
Die Öffentlichkeit hat das längst erkannt. Aber offensichtlich bedürfen einige noch des Nachhilfeunterrichts, damit das auf allen Seiten akzeptiert werden kann.
Unsere Schulen sind viel besser und entwickeln sich viel besser, als Sie es darzustellen nicht müde werden. Wenn man Ihnen zuhört, dann könnte man meinen, dass an unseren Schulen jeder Versuch von Schulentwicklung sofort vom Ministerium im Keim erstickt würde. Von wegen: Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind viel weiter, weil wir den Schulen schon vor Jahren die Möglichkeit gegeben haben, ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen.
Sie sollten es ja längst wissen, aber ich sage Ihnen gern noch einmal, dass wir mit den Bildungsplänen des Jahres 2004 unseren Schulen weitreichende Entwicklungsmöglichkeiten gegeben haben, von denen andere nur träumen können.
Das Kerngeschäft der Schule ist der Unterricht. Da entscheidet sich ihre Qualität. Wir haben ein Drittel der Unterrichtszeit in die volle Verantwortung der Schulen gegeben. Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion damals, als wir das getan haben. Da gab es viele Einwände, ob man das den Schulen überhaupt zutrauen und zumuten könne. Ich finde, die Schulen haben diese Bewährungsprobe bestanden; sie können auf diesem Weg ihr eigenes Profil finden und schärfen.
Wir wollen, dass sich jede Schule vor Ort so entwickeln kann, wie sie es braucht, um ihren Auftrag zu erledigen und zu erfüllen. Dazu haben wir ihr das Schulcurriculum als Auftrag und Chance an die Hand gegeben. Das Gleiche gilt für die Kontingentstundenstafel und für die Poolstunden. Die Schulen können sich vor Ort für unterschiedliche Optionen in ihrem inhaltlichen Profil entscheiden. Das ist die entscheidende Voraussetzung für eine gelingende Schulentwicklung.
Qualitätsentwicklung braucht Maßstäbe. Deswegen haben wir die Evaluation eingeführt, und zwar die Selbstevaluation, um sich selbst Rechenschaft zu geben, und die Fremdevaluation, um einen unverstellten Blick von außen zu erhalten. Dieser Prozess ist jetzt in vollem Gang. Die Schulen beziehen aus diesem Prozess weitere Anregungen für ihre eigene Entwicklung.
Schule ist ein Teil unserer Gesellschaft. Sie ist dabei immer zugleich Reaktion auf gesellschaftliche Bedingungen und Impuls für gesellschaftliche Bedingungen.
Deshalb ist es gut für die Schulen, wenn sie sich in ihr Umfeld hinein öffnen, wenn sie Kontakte aufbauen zum Schulträger, zu ehrenamtlichen Einrichtungen, zu kulturellen Einrichtungen, zu Kirchengemeinden, zu Musikvereinen, zur örtlichen Wirtschaft. Das tut der Schule gut, weil sie so viele Kontakte knüpfen kann, die ihr helfen, ihre Schülerinnen und Schüler umfassend zu bilden. Diese Netzwerkbildung ist ein ganz wesentliches Anliegen von Schulentwicklung. Wir wollen, dass auf diese Art und Weise auch außerschulische Partner ihre Verantwortung für die Schulen erkennen und wahrnehmen können.
Die Bildungsregionen in Freiburg und Ravensburg, die wir gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung eingerichtet haben, liefern den Beleg dafür. Wir haben uns in der Qualitätsoffensive Bildung dafür entschieden, dass wir dieses Konzept der Bildungsregionen gemeinsam mit den Stadt- und Landkreisen im ganzen Land ausbauen möchten.
Schulentwicklung in Baden-Württemberg ist konkret. Sie findet in der einzelnen Schule statt. Sie wird von uns gefördert und eingefordert. Ich will Ihnen, damit Sie sehen können, wie konkret das Ganze ist, ein paar Beispiele nennen.
Nehmen Sie die Paul-Hindemith-Grundschule in Freiburg. Da wird schon seit Jahren in jahrgangskombinierten Klassen gelernt, inzwischen sogar in Familienklassen, die die Klassenstufen 1 bis 4 umfassen. Alle fünf bis sechs Wochen wird mit jedem Kind ein Zielvereinbarungsgespräch geführt, um Lernfortschritte und Ziele gemeinsam zu definieren. Die Eltern werden eingebunden. Dieses Konzept ist aus der Schule heraus entstanden und hat dort seine konkrete Ausgestaltung gefunden.
Oder nehmen Sie die Elsenztalschule in Bammental. Da wird in Kursen unterrichtet: Grundkurs, Wahlkurs, Aufbaukurs, Intensivkurs. Das ist kein Gymnasium, das ist eine Hauptschule. Die Kurse werden stufenübergreifend unterrichtet. Das Schuljahr ist in Tertiale gegliedert. Die Schule bietet zusätzlich zum Bildungsplan eigene Fächer an. Hinzu kommen Wahlkurse, die auch Schülerinnen und Schüler anbieten und vorschlagen können. Schließlich hat diese Schule gemeinsam mit zwei großen Unternehmen des Landes eine eigene Form der Kompetenzfeststellung entwickelt, die sie den Schülerinnen und Schülern mit an die Hand gibt.
Die Realschule Ostheim in Stuttgart – kürzlich durch den Besuch der Bundeskanzlerin bekannt geworden – hat einen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund von über 90 %. Diese Schule hat ihren Deutschunterricht komplett umgekrempelt. Sie arbeitet in Schreibwerkstätten gemeinsam mit dem Stuttgarter Literaturhaus und mit der Unterstützung der Robert Bosch Stiftung.
All das ist an unseren Schulen möglich. Ich kann Ihnen viele weitere Beispiele nennen. Damit Sie es dann auch nachvollziehen können und die Ausrede „Das könnten wir uns nicht vorstellen“ nicht mehr gebrauchen können, werden wir das in Kürze in einer Broschüre veröffentlichen.
Im Mittelpunkt der Schulentwicklung steht die Entwicklung der Kompetenzen jedes einzelnen Schülers und jeder einzelnen Schülerin. Im Mittelpunkt steht, dass Schüler Verantwortung übernehmen, dass sie ihre eigenen Stärken entwickeln
können, dass sie Aufgaben in der Gemeinschaft Schule übernehmen als Mentoren, als Tutoren, in der SMV und in vielen anderen Bereichen.
Diese Kompetenzorientierung ist in Baden-Württemberg mit den Bildungsplänen des Jahres 2004 zum ersten Mal in einem Bildungsplan in Deutschland konsequent zugrunde gelegt worden. Wenn Sie hier die individuelle Förderung einfordern, dann kann ich Ihnen nur sagen: Kompetenzförderung können Sie nur betreiben, wenn Sie sie individuell anlegen. Das ist für uns nichts Neues.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es! Das ist der entscheidende Punkt, der springende Punkt!)
Schulentwicklung ist der Weg zu optimiertem Unterricht, der Weg, der unseren Kindern und Jugendlichen die Bildung und Ausbildung ermöglicht, die sie für ihr Leben brauchen, der Weg, den dieses Land und diese Landesregierung weit geöffnet haben. Sie haben offensichtlich gar nicht nachvollziehen wollen, was dabei möglich geworden ist.
Schulentwicklung ist aber eines nicht und kann es auch nicht sein, nämlich eine Spielwiese, ein völlig freies Experimentierfeld, auf dem Versuche zulasten der Schülerinnen und Schüler gemacht werden können. Ich gehe davon aus, dass wir uns in diesem Punkt einig sind: Schulentwicklung braucht einen Rahmen. Für diesen Rahmen sind wir als Land verantwortlich. Wir können nicht alles laufen lassen, wie es laufen will. Wir haben als Land die Pflicht, für gleiche Chancen im ganzen Land zu sorgen, und müssen daher auf ein gewisses Maß an Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit achten. Dazu verpflichtet uns im Übrigen auch unsere Landesverfassung.
Unser Schulsystem ist geprägt durch ein hohes Maß an Durchlässigkeit, die aber nur funktionieren kann, wenn die Abschlüsse stimmen und die Anschlüsse klappen. Deshalb können wir nicht jeden Weg zulassen. Stellen Sie sich einmal vor, eine Grundschule würde beschließen, dass sie jetzt sechs Jahre Grundschule macht, und wir würden das einfach zulassen. Wie sollte es für diese Kinder nach sechs Jahren weitergehen?
(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es! – Abg. Ute Vogt SPD: Dann macht es eben landesweit! – Zu- ruf der Abg. Christine Rudolf SPD)
Wie sollen die Anschlüsse in die Klasse 7 des Gymnasiums, der Hauptschule, der Realschule funktionieren? Das kann doch überhaupt nicht gut gehen. Wir können mit Kindern solche Experimente nicht durchführen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Genau! Bravo! – Abg. Christine Rudolf SPD: Aber das achtjährige Gymnasium, das haben Sie gemacht!)
Wir prüfen alle Anträge, die uns erreichen, sorgfältig. Aber wir müssen eben manchmal feststellen: Im Fokus einiger Modelle stehen nicht die Schülerinnen und Schüler und deren optimale Förderung. Im Fokus stehen bisweilen Ziele der Standortsicherung oder bisweilen auch ideologische Ziele zur Änderung der Schulstruktur.
Bei der Verwirklichung solcher Anträge würden Grenzen, die zur Sicherung der Unterrichtsqualität gezogen werden müssen, überschritten. Es würde ein Rahmen, der unseren Schülerinnen und Schülern einen optimalen Unterricht sichert, gesprengt.
Ich sage Ihnen nochmals in aller Deutlichkeit, wo die Grenzen sind. Wir werden keine Schulversuche genehmigen, die grundsätzlich in die falsche Richtung gehen,
also etwa in Richtung sechsjährige Grundschule oder, schlimmer noch, in Richtung neun- oder zehnjährige Einheitsschule, ob Sie diese nun „Basisschule“, „Gemeinschaftsschule“ oder sonst wie nennen wollen.
Wir werden keine Schulversuche genehmigen, die das geglie derte Schulsystem mit seinen Aufstiegschancen aufgeben. Da liegen Sie, Frau Rastätter, mit dem, was Sie vorhin gesagt haben, völlig falsch.
Ich will Ihnen, Herr Zeller, an dieser Stelle noch schnell sagen, dass Sie die Liste Ihrer Kronzeugen etwas kürzen müssen. Wir haben im Sommer bei der Vorstellung der Qualitätsoffensive Bildung ein Gespräch mit dem Baden-Württembergischen Handwerkstag über das Thema „Neue Werkrealschule“ geführt. Wir haben daraufhin einen Brief von Herrn Möhrle, dem Präsidenten des Handwerkstags, bekommen, in dem er uns schreibt – ich zitiere ausschnittsweise –, dass wir damit einen wichtigen Meilenstein gemeinsamer Vorstellungen erreicht hätten.
Diesen Optimismus schöpfen wir aus den gemeinsam entwickelten Konturen einer grundlegenden Neuaufstellung der Hauptschule.