Protokoll der Sitzung vom 03.12.2008

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 55. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Vogt und Herrn Abg. Staiger erteilt.

Krank gemeldet ist Herr Abg. Reichardt.

Aus dienstlichen Gründen haben sich entschuldigt Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch, Herr Staatssekretär Fleischer – heute Nachmittag – und – ebenfalls heute Nachmittag – Herr Professor Dr. Reinhart.

Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion GRÜNE für eine Umbesetzung im Finanzausschuss (Anlage 13). Ich stelle fest, dass Sie der vorgeschlagenen Umbesetzung zustimmen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vervielfältigt vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. Auch das ist so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung des Rechnungshofs vom 6. November 2008 – Beratende

Äußerung über die Zuschüsse und sonstigen Leistungen an die Fraktionen des Landtags in der 13. Wahlperiode – Drucksache 14/3531

Überweisung an das Präsidium

2. Mitteilung des Rechnungshofs vom 6. November 2008 – Ergebnisbericht 2008 – Drucksache 14/3532

Überweisung an den Finanzausschuss

3. Mitteilung der Landesregierung vom 10. November 2008 – Informa

tion über Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf des Zwölften Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Zwölf- ter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) – Drucksache 14/3560

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

4. Mitteilung des Rechnungshofs vom 17. November 2008 – Gemeinsame Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Südwestrundfunks 2006 durch die Rechnungshöfe der am Staatsvertrag über den SWR beteiligten Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – Drucksache 14/3570

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

5. Mitteilung des Finanzministeriums vom 24. November 2008 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, DS 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, DS 6/3910 Ziff. II Nr. 6) ; Haushaltsjahr 2008 (Januar – September) – Drucksache 14/3668

Kenntnisnahme, keine Ausschussüberweisung

6. Mitteilung der Landesregierung vom 2. Dezember 2008 – 42. Landesjugendplan für das Haushaltsjahr 2009 – Drucksache 14/3664

Überweisung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport, soweit der Epl. 04 berührt ist, und an den Sozialausschuss, soweit der Epl. 09 berührt ist, und insgesamt federführend an den Finanzausschuss

7. Mitteilung der Landesregierung vom 28. November 2008 – 20. Landessportplan für das Haushaltsjahr 2009 – Drucksache 14/3665

Überweisung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport und federführend an den Finanzausschuss

Dann treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Information zur Landesbank Baden-Württemberg durch den Ministerpräsidenten und Aussprache

Hierzu erteile ich dem Herrn Ministerpräsidenten das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich danke dem Landtag für die Gelegenheit, Sie über die Entwicklungen, die die Landesbank Baden-Württemberg betreffen, und über das Umfeld sowie die Überlegungen zu informieren, wie eine Stärkung der Landesbank für die Wirtschaft Baden-Württembergs vonstatten gehen kann.

Die Landesbank Baden-Württemberg ist zum einen Sparkasse in Stuttgart, das heißt d i e öffentlich-rechtliche Bank in der Landeshauptstadt. Zum Zweiten ist sie Kundenbank, Retailbank in der Region Stuttgart, in Württemberg, in BadenWürttemberg und durch die Fusion der alten Landesgirokasse und der BW-Bank AG flächendeckend im ganzen Land vertreten. Daneben ist sie als Sparkassenzentralbank Partner der Sparkassen und ihrer Träger mit hohem Vertrauen bei den Kreissparkassen, den Stadtsparkassen im ganzen Land. Sie macht zum Dritten Spezialgeschäfte wie Investmentbanking, Immobiliengeschäfte und anderes mehr. Kurzum: Sie ist eine Universalbank und soll auch als solche als Marktführer in Baden-Württemberg stark in die Zukunft gehen. Denn wir brauchen intakte Banken.

(Ministerpräsident Günther Oettinger)

Die Wirtschaft hat sich in den letzten zwölf Wochen erheblich eingetrübt. Ausgelöst von der Krise der Bankenwirtschaft, von der Insolvenz von Lehman Brothers in den USA, von massiven Stützungsmaßnahmen für andere Banken hat sich die Eintrübung der Konjunktur in der produzierenden Wirtschaft mit Stagnation und Rezession verstärkt.

Klar muss sein: Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Rezession der Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt maßvoll ausfällt und damit der Erhalt von Arbeitsplätzen, die Sicherung von Unternehmen durch stabile, handlungsfähige Banken gelingt. Dazu gehören die Volksbanken, die Raiffeisenbanken, die Genossenschaftsbanken, das heißt die genossenschaftliche Säule im Land.

Ich danke hier ausdrücklich den Mitgliedern der beiden Verbände in Baden und Württemberg dafür, dass vor einigen Wochen die Fusion der beiden Verbände der Genossenschaften von Baden und Württemberg gelungen ist – eine große Leis tung, die den Standort für Wirtschaft und Landwirtschaft in Baden-Württemberg erheblich stärkt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Blicken wir zurück: Vor wenigen Jahren war die Fusion der Verbände von Württemberg und Bayern angesagt – Sitz in München. Es gab dann Überlegungen, dass dies der falsche Weg ist. Die badische Landschaft war bis vor Kurzem nicht zur Fusion bereit.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Elsass!)

Jetzt zeigt sich, dass die Verbände von Baden und Württemberg eine Einheit werden können und diese dann eine Betriebsgröße hat, die auch in Deutschland auf Dauer zu beachten ist.

Neben der Volksbankensäule haben wir intakte Geschäftsbanken und ihre Filialen in Baden-Württemberg. Aber die Sparkassen sind Marktführer und mit ihnen die Landesbank Baden-Württemberg. Die BW-Bank ist die führende Bank für den Mittelstand im Land.

Die Bankenwirtschaft hat einen brutalen Einbruch erlebt. Schauen wir einmal die Börsenbewertung der führenden deutschen Banken im Vergleich von Juni 2007 zu Dezember dieses Jahres genauer an. Die Deutsche Bank hat einen Börsenwert von 56 Milliarden € gehabt, heute sind es noch 14,1 Milliarden €. Die Commerzbank hat einen Börsenwert von 23 Milliarden € gehabt, heute sind es noch 4,7 Milliarden €. Die Postbank hat einen Wert von 10,6 Milliarden € gehabt, heute sind es noch 3,2 Milliarden €.

Aber diese Entwicklung, dass die Banken in Deutschland etwa ein Viertel dessen wert sind, was sie vor eineinhalb Jahren wert waren, gilt auch europa- und weltweit. Die UBS AG, die starke Bank aus Zürich, hatte einen Börsenwert von 93 Milliarden €; davon blieben 25 Milliarden € – Stand heute – übrig. Die Royal Bank of Scotland, eine führende Bank in Großbritannien, hatte einen Börsenwert von 98 Milliarden €; 25 Milliarden € blieben davon.

In diesem Umfeld, dass im Regelfall der Wert von Banken innerhalb von 18 Monaten auf ein Viertel gesunken ist, steht un

sere Landesbank und BW-Bank stabil da. Man könnte sagen: objektiv geschwächt und relativ gestärkt.

Wir haben parallel und mit der Folge davon nach der Bankenwirtschaftskrise auch eine Krise der realen Wirtschaft: von Handel, Handwerk, Mittelstand und Industrie. Klar muss sein: Baden-Württemberg hat mit seiner Struktur der Wirtschaft eine Sorge, die ich teile, nämlich dass der Einbruch in unserem Land stärker ausfällt als bundesweit. Die letzte Krise im Jahr 1993 – die meisten erinnern sich – hat damals bundesweit ein Minuswachstum von 0,8 % gebracht, in Baden-Württemberg von 4,1 %. In großem Umfang fielen Arbeitsplätze in den Bereichen Textil, Maschinenbau, Werkzeuge und Fahrzeugzulieferung weg.

Ich sehe mit Sorge, dass auch im nächsten Jahr in BadenWürttemberg der Rezessionseinbruch der Wirtschaft stärker sein kann, als er bundesweit ausfällt. Denn derzeit haben wir eine Krise der Weltwirtschaft. Amerika, Asien, Osteuropa: Überall brechen die Märkte weg. Da Baden-Württemberg sehr stark vom Fahrzeugbau geprägt ist – und damit von der Fahrzeugfertigung, der Zulieferung, dem Handel, dem Maschinenbau –, glaube ich, dass jetzt alles dafür getan werden muss, dass die Banken in Baden-Württemberg handlungsfähig bleiben, damit man den Winter überstehen kann.

Daimler und Porsche überstehen den Winter ohne große Probleme, Bosch und ZF ebenso. Aber die namenlosen Zulieferer und die Subzulieferer sind in einer existenziellen Gefahr. Deswegen brauchen wir für die Betriebsmittel, für die laufenden Ausgaben, für die Löhne, für die Steuern Banken, die jetzt nicht in Stagnation oder gar in Agonie verfallen, sondern die handlungsfähig bleiben, weswegen uns die Handlungsfähigkeit der Landesbank, der BW-Bank, in diesen Tagen und Wochen wichtig ist.

Dies haben wir auch bundesweit so erkannt. Deswegen ist der Fonds des Bundes, SoFFin, gegründet worden. Er sieht drei Hilfsangebote vor: zum einen Eigenkapital, zum Zweiten Garantien und zum Dritten die Übernahme von alten Risiken. Wir prüfen intensiv – wir haben es geprüft – im Vorstand, in der Trägerversammlung, im Verwaltungsrat, ob Angebote des Bundes für uns sinnvoll sind oder ob man eigene Maßnahmen ergreifen kann.

Es geht zunächst um Eigenkapital. Rein rechtlich gesehen, erfüllt die Landesbank auch in Zukunft die notwendigen Voraussetzungen des Eigenkapitals. Wir hatten noch vor wenigen Monaten eine Eigenkapitalquote von 7,3 %. Infolge der Entwicklung und der Verluste in diesem Jahr sinkt die Eigenkapitalquote von 7,3 auf 6 % ab – rechtlich ausreichend. Rein rechtlich entsteht daraus kein Handlungszwang.

Warum sinkt die Eigenkapitalquote ab? Warum entstehen Verluste in diesem Jahr? Man muss sehen, dass die Landesbank Baden-Württemberg in normalen, in guten Jahren etwa 1 000 Millionen an Erträgen erzielt. Der eine Zweig, die BW-Bank, ist stabil. Aus dem Kundengeschäft, aus dem Firmenkundengeschäft, aus dem Mittelstandsgeschäft entstehen durch den Fleiß der Arbeitnehmer der BW-Bank, durch unsere Filialen, durch die Kundenpartnerschaft Tag für Tag Gewinne mit schmalen Margen, aber sie entstehen stabil.

Andererseits ist unsere Landesbank im weltweiten Bankengeschäft engagiert. Die Verflechtungen im Bereich der gegen

seitigen Bankenkontakte betreffen auch uns. Wenn Lehman Brothers Insolvenz anmelden muss, heißt dies, dass alle Banken dabei verlieren. Wenn Banken in Island Insolvenz anmelden müssen, gilt dies ebenso.

Auch dort ist unsere Landesbank relativ gesehen mit weniger und objektiv mit nennenswertem Kapital engagiert. Deswegen brach ab dem 15. September auch für uns, für die Landesbank Baden-Württemberg, das Engagement weg und haben wir durch diese Insolvenzanmeldungen Wertberichtigun gen in hoher dreistelliger Millionensumme, die sich dann auf vierstellige Millionensummen addieren.