Protokoll der Sitzung vom 03.12.2008

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 14/3641

Berichterstatterin: Abg. Katrin Altpeter

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich dem Vertreter der CDU-Fraktion, Herrn Abg. Hoffmann, das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt schon zweimal Gelegenheit gehabt, über diesen Gesetzentwurf zu diskutieren. Ich will mich nicht wiederholen, aber mit Dank soll man nie sparen. Deshalb will ich mich noch einmal bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zentren für Psychiatrie für ihren täglichen Einsatz für unsere psychisch Kranken in BadenWürttemberg bedanken. Ich glaube, das muss sein.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP)

Wir wissen alle – das weiß auch unsere Opposition –, wie gut unsere Zentren für Psychiatrie in Baden-Württemberg aufge

stellt sind. Ich will für meine Fraktion deutlich sagen: Wir haben nicht die Absicht, die Zentren für Psychiatrie in eine Holding zu überführen oder zu privatisieren, sondern wir tragen im Gegenteil den Gesetzentwurf der Sozialministerin mit, gerade weil wir unsere Zentren zukunftsfähig halten wollen und weil sich die Strukturen, so wie sie sind – mit der Ausnahme Südwürttemberg –, bewährt haben.

Im Grund geht es heute um zwei Punkte, die strittig waren. Zum einen geht es um die Frage: Bleibt es weiterhin bei einem örtlichen Personalrat in den zu fusionierenden Zentren? Wie kann man diese Fragen während des Fusionsprozesses regeln? Es hat dazu ein Gespräch der örtlichen Personalräte mit den Fraktionen und ein Gespräch mit unserer Sozialministerin gegeben.

Frau Dr. Stolz hat gegenüber den Zentren die Zusage gemacht, dass von § 9 des Landespersonalvertretungsgesetzes Gebrauch gemacht wird. Das heißt, wenn im Aufsichtsrat der Antrag gestellt wird, dass Außenstellen, Nebenstellen und Teile einer Dienststelle als selbstständige Dienststellen im Rahmen der Personalvertretung erhalten bleiben, wird der Aufsichtsrat, in dem das Land ja die Mehrheit stellt, diesem Antrag zustimmen.

Die CDU-Fraktion hat dieses Anliegen der örtlichen Personalräte ebenfalls zur Kenntnis genommen, und wir haben die Absprache mit der Sozialministerin dadurch untermauert, dass wir Ihnen vorschlagen wollen, ins Gesetz aufzunehmen, dass die jetzige Regelung mindestens bis 2010 oder, wie es in dem im Ausschuss angenommenen Antrag steht, bis zur übernächs ten Personalratswahl gilt. Damit ist, denken wir, den Belangen der Mitarbeiter in den drei Zentren Genüge getan. Das ist eine Übergangszeit von sechs Jahren.

Nach dem Ablauf der Übergangszeit besteht dann nochmals die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag im Aufsichtsrat zu stellen. Das ist Mitbestimmung pur. Wir fügen noch einmal klar hinzu: Wir haben nicht nur auf die Zentren für Psychiatrie zu achten, sondern müssen bei unserer Entscheidung auch an die anderen Betriebe denken, die ebenfalls dem Landespersonalvertretungsrecht unterstehen.

In Teil 2 der Gesetzesnovelle geht es um die Anpassung der Aufgaben der Zentren. Hier will ich etwas tiefer einsteigen. Anfangs ist darüber diskutiert worden, welche Aufgaben mit dem Gesetzentwurf geregelt werden sollten. Vonseiten der CDU haben wir immer Wert darauf gelegt, den tatsächlichen Zustand der Zentren abzubilden, nämlich die Aufgaben, die schon heute in den Zentren übernommen werden.

Nun kann man ein solches Zentrum im eigenen Wahlkreis haben. Ich habe eines, und viele andere Kollegen haben auch eines; die Kollegin Mielich wohnt in der Nähe eines Zentrums. Jedes Zentrum für sich hat in der Vergangenheit sehr unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen. Es hat sich z. B. in der Gemeindepsychiatrie engagiert oder hat sich dort nicht engagiert. Auf jeden Fall gibt es das „Musterzentrum“ nicht. Es gibt in allen Zentren unterschiedliche Aufgaben, die dort einfach erledigt werden und die dort auch bleiben sollen.

Wir wollen für unsere Zentren Rechtssicherheit für diese Behandlungen schaffen. Wir wollen nicht, dass die Zentren Aufgaben übernehmen, die sie in Konkurrenz zu anderen betreiben. Das ist in diesem Gesetzentwurf nicht vorgesehen

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Aber das steht nicht drin!)

und wird so auch nicht dokumentiert. Wer den Gesetzentwurf richtig liest, weiß, dass es nicht um neue Geschäftsfelder geht, sondern um einen rechtlichen Rahmen für die Aufgaben, die schon heute vorhanden sind.

Ich will noch eines sagen: Es gab Wortmeldungen aus den Reihen der Opposition, wonach die dezentrale Patientenversorgung infrage gestellt sei. Das ist komplett falsch. Gerade das Gegenteil stimmt: Wir stellen mit dem Gesetz für die nächsten fünf Jahre sicher, dass die Zentren in der Daseinsvorsorge weiterhin die Aufgaben wahrnehmen, für die sie vorgesehen sind.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist kein Gegenar- gument, Herr Hoffmann!)

Weiterhin ist Folgendes moniert worden – das finde ich besonders interessant –: Wir wollen eine Fusion von drei Zentren und schreiben in den Entwurf hinein, dass wir möchten, dass diese Fusion auch real stattfindet. Wir sagen, die Zentren müssen kooperieren, bis die Fusion vollzogen ist – möglicherweise auch mit einer klaren Vorgabe. Wir wollen fusionieren. Liest man jetzt aber die Anträge der Opposition, hat man den Eindruck, als sollten selbstständige Betriebsteile erhalten bleiben. Wir wollen Betriebsteile, wollen insgesamt aber ein Zentrum, das nach Absprache funktioniert – nichts anderes.

Wir wollen keinen Fusionsprozess, der 25 Jahre braucht. Davon haben weder die Patienten noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwas. Wer also will, dass dieses Zentrum als gemeinsames Zentrum erfolgreich wirkt, kann dem Gesetzentwurf der Landesregierung, ergänzt durch den im Ausschuss angenommenen Antrag von Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP, nur zustimmen.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Haußmann das Wort.

Lieber Kollege Hoffmann, ich glaube, die Beschäftigten in den Zentren für Psychiatrie wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie statt der warmen Dankesworte, die Sie hier abgelassen haben, einen ordentlichen Gesetzentwurf vorgelegt hätten.

(Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Sowohl als auch!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der ers ten Lesung habe ich diesen Gesetzentwurf – Sie erinnern sich vielleicht – als Trojanisches Pferd bezeichnet,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das ist aber überhaupt nicht freundlich!)

weil sich hinter der harmlos erscheinenden Verpackung dieses Gesetzentwurfs, in dem es vordergründig nur um die Fusion dreier südwürttembergischer Zentren für Psychiatrie zu einer

Anstalt des öffentlichen Rechts geht, wesentlich weiter gehende Weichenstellungen verbergen,

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Ach was!)

die unseres Erachtens in eine völlig falsche Richtung führen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Warum?)

Die Landesregierung und die Vertreter der Regierungsfraktionen haben ja immer wortreich bestritten, dass dieser Gesetzentwurf solche Weichenstellungen in die falsche Richtung enthält. Wirklich entkräften konnte das von den beiden Regierungsfraktionen bisher aber niemand.

Dazu hat sicher auch beigetragen, dass die Regierungsfraktionen nicht bereit waren, der Durchführung einer öffentlichen Anhörung im Sozialausschuss, wie sie von uns beantragt worden ist, zuzustimmen, wo den Verbänden, die Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf formuliert hatten, Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben werden können.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Die haben Gelegen- heit gehabt! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es hat doch Anhörungen gegeben!)

Sie haben dies abgelehnt, weil Sie eine öffentliche Diskussion über diese Bedenken gescheut haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die sind angehört worden! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Mehr als ein Privatissimum bei der Ministerin kann es gar nicht geben!)

Es ist überhaupt nicht glaubwürdig, wenn die Vertreter der Regierungsfraktionen die vorgesehenen Änderungen als lediglich geringfügige Veränderungen kleinreden und abtun,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Was jetzt?)

die angeblich ohnehin nur das beschreiben, was die Zentren sowieso schon machen, lieber Kollege Noll.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht als neue Aufgabe der Zentren eine fortlaufende zentrumsübergreifende Koordinierung mit den anderen Zentren für Psychiatrie vor, die – auch das steht im Gesetzentwurf – eine gemeinsame und gruppenbezogene Namensführung der Zentren für Psychiatrie einschließt. Zusammen mit der in § 5 Abs. 4 vorgenommenen Erweiterung der Aufgabenbeschreibung der Geschäftsführer, die künftig gesetzlich dazu verpflichtet werden sollen, dem Aufsichtsrat über die Koordinierung der Zentren für Psychiatrie zu berichten, ist dies – ich sage das ganz deutlich – der schleichende Einstieg in eine zentralistische Holdingstruktur, die wir als SPD-Landtagsfraktion ablehnen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich sage ganz klar: Zentralistische Holdingstrukturen widersprechen dem Ziel einer gemeindenahen Psychiatrie, wie wir sie wollen, und sie zerstören das vor Ort gewachsene Vertrauensverhältnis der Zentren zu ihren Partnern in der psychiatrischen Versorgung.

Die SPD sagt Ja zu regionalen Kooperationen der Zentren. Diese gibt es auch schon heute auf ganz vielen Ebenen. Wir sagen aber Nein zu einem landesweiten Psychiatriekonzern, zu dem dieser Gesetzentwurf den Weg bereitet. Davon bin ich fest überzeugt, lieber Kollege Hoffmann; da können Sie schwätzen, so viel Sie wollen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das ist doch despek- tierlich, was Sie hier äußern!)

Wir glauben den Verlautbarungen der Landesregierung nicht, die behauptet, dass die vor Kurzem von Teilen der Landesregierung noch vehement verfolgten Privatisierungspläne endgültig vom Tisch seien. Sie werden wieder aufgerufen werden, wenn die Landesregierung es für opportun hält. Die jetzt vorgenommenen Gesetzesänderungen schaffen zentrumsübergreifende Strukturen, mit denen eine Holding ganz schnell in die Wege geleitet werden kann. Das sind unsere Befürchtungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Leider haben sich die Regierungsfraktionen auch nicht dazu durchringen können, durch klare gesetzliche Regelungen festzuschreiben, dass sich durch die Fusion die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Beschäftigten nicht verschlechtern. Die jetzt vorgenommenen Änderungen vertagen das Problem nur. Ich sage das ganz deutlich. Wirklich lösen tun sie es nicht. Nach der Personalratswahl 2014 – da lachen ja die Hühner, lieber Kollege! – ist es in das Belieben der Landesregierung und der Geschäftsführung des Zentrums gestellt, ob es unter dem Dach einer einheitlichen südwürttembergischen Anstalt weiterhin Personalräte in den bisher selbstständigen Zentren geben wird. Das ist Fakt. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

Die SPD hätte diesem Gesetzentwurf zustimmen können, wenn die Landesregierung auf die weitreichenden Veränderungen der Aufgabenbeschreibung der Zentren und auf die Regelungen zur zentrumsübergreifenden Kooperation verzichtet hätte, und wir hätten zustimmen können, wenn gewährleis tet gewesen wäre, dass sich die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Beschäftigten nicht drastisch verschlechtern. Beides ist leider nicht der Fall.

Meine Fraktion wird diesen Gesetzentwurf deshalb nachher bei der Schlussabstimmung ablehnen.

(Beifall bei der SPD)