Protokoll der Sitzung vom 03.12.2008

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns bei allen Optimierungsversuchen vor allem das Ziel im Auge behalten: Das Gesetz muss zum 1. Januar 2009 in Kraft treten, zum einen damit die Studierenden, die Betriebe und die Hochschullehrer eine verlässliche Grundlage ihrer Arbeit haben, und zum anderen damit die dualen Hochschulen die Mittel aus dem Hochschulpakt 2020 erhalten.

Heute werden wir dieses Ziel erreichen. Das Gesetz wird rechtzeitig in Kraft treten. Vor dem Inkrafttreten haben wir aber eine Kraftanstrengung hinter uns gebracht. Gemeinsam haben wir – Regierungsfraktionen und Opposition – den Gesetzentwurf im Wissenschaftsausschuss ebenso zügig wie sorgfältig beraten.

Für die FDP/DVP-Fraktion hatte ich bei der Ersten Beratung in drei Bereichen Anregungen gegeben. Wir haben diese Bereiche in großem Einvernehmen nochmals angeschaut.

Erstens: Beim Thema Zentralisierung stand für uns die Frage im Vordergrund, wo über neue Studiengänge entschieden wird. Der Minister hat uns versichert, dass – wie von uns gewünscht – darüber nicht ohne die Studienakademie vor Ort entschieden werden soll. Es sei im Gesetz angelegt, dass die Initiative aus der Studienakademie vor Ort der Regelfall und eine Anregung aus der Zentrale die absolute Ausnahme sei.

Zweitens: Die von uns gewünschte Pflicht des Senats, die von seinen Entscheidungen betroffenen Betriebe auf deren Wunsch vorher anzuhören, haben wir durch einen einstimmig vom Ausschuss beschlossenen Antrag im Gesetz verankert. Die Betroffenen werden es uns danken, und ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Drittens würde ich mich freuen, wenn Sie auch unserem gemeinsamen Antrag zu einem Detail der nachlaufenden Studiengebühren Ihre Zustimmung geben könnten. Konkret geht es um die Frage, wie die im Gesetz vorgesehene Deckelung des Zinssatzes für die Studiengebührendarlehen auf 5,5 % finanziert wird. Kollegin Bauer hat einen Vorschlag unterbreitet.

Unser Ziel ist es, dass die Mittel aus Studiengebühren in vollem Umfang für die Lehre zur Verfügung stehen; darin sind wir uns alle einig. Dem widerspricht die Finanzierung dieser Deckelung aus dem von den Hochschulen gespeisten Studienfonds. Wir plädieren für eine andere Finanzierung. In welchem Umfang und aus welchen Quellen wir Mittel für diesen Zweck einsetzen können, bedarf aber einer sorgfältigen Prüfung.

Für heute genügt es, dass wir mit dem Wort „vorrangig“ die Festlegung auf die Finanzierung aus dem Studienfonds streichen und die Option auf eine Finanzierung auch aus anderen Quellen eröffnen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich jetzt noch auf den Antrag der SPD auf Abschaffung der Studiengebühren, Drucksache 14/3698-8, eingehen. Wir als FDP/DVP-Fraktion haben Studiengebühren von Anfang an immer nur als nachlaufende Studiengebühren für richtig erachtet.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Oi!)

Das Einkommen der Eltern darf keine Rolle spielen. Wie die Lebenshaltungskosten durch das BAföG, sollen die Studiengebühren durch einen entsprechenden Kredit vorfinanziert werden. Die Rückzahlung erfolgt erst und nur dann, wenn sich das Studium in Form von Einkommen tatsächlich auszahlt. Dann kann man mit Fug und Recht erwarten, dass die Betroffenen einen kleinen Teil der Kosten ihres Studiums selbst tragen. Den Rest erhalten sie nach wie vor als Geschenk vom Steuerzahler, und Steuerzahler sind eben auch – Sie kennen das schon – die Kassiererin im Supermarkt und der Straßenbauarbeiter, der bei Frost defekte Wasserleitungen freilegt. Erklären Sie diesen Menschen einmal, sehr verehrte Frau Kollegin Fohler, warum sie das Studium der Investmentbanker mitfinanzieren sollen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Minister Heribert Rech: Ganz genau!)

Gehen Sie doch zu den Kurzarbeitern bei Daimler, enthüllen Sie dort, dass der arme bedürftige ehemalige Student der Finanzwissenschaften, der heute in London Investmentbanker ist und mit dem Verkauf von Lehman-Anleihen Millionen verdient hat,

(Zuruf: Milliarden! – Zuruf des Ministers Heribert Rech)

Solidarität braucht. Erklären Sie den Arbeitern und Bauern, deren Geld er verzockt hat, einmal, warum gerade sie Solidarität leisten und dessen Studium mitfinanzieren sollen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Oh-Rufe von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese eine Streitfrage soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir die duale Hochschule in einem großen überparteilichen Konsens heute aus der Taufe heben. Dieser Konsens zeichnet im Großen und Ganzen unsere Wissenschaftspolitik aus und zeigt, wie hervorragend die Arbeit von Herrn Professor Frankenberg und seinem Ministerium ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Sie zeigt auch, wie gut es für das Land ist, von einer Koalition in unseren Landesfarben schwarz-gelb regiert zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Minister Heribert Rech: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Professor Dr. Frankenberg.

(Zuruf von der FDP/DVP: Das war wieder eine her- vorragende Rede! – Abg. Dietmar Bachmann FDP/ DVP: Ein gutes Gesetz!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Her ren! Ich glaube, wir sollten uns schon vergegenwärtigen und im Grunde genommen ein wenig innehalten, dass heute für die Berufsakademien eine große Stunde und ein großer Tag ist.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Denn das, was die Landesregierung in ihrer Vergangenheit ins Werk gesetzt hat, nämlich ein einmaliges System in Deutschland zu schaffen, eine kombinierte Ausbildung zwischen akademischem Studium und betrieblicher Ausbildung, wird heute im Grunde genommen – und auch im Konsens aller – dadurch vollendet, dass die Berufsakademie Baden-Württemberg zur dualen Hochschule wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Damit nehmen übrigens pro Jahr mehr als 40 % eines Altersjahrgangs in Baden-Württemberg ein Studium auf. Das heißt, ein Ziel, das der Bildungsgipfel zu erreichen versucht, ist im Lande schon Realität.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Eben!)

Unsere Antwort auf diese 40 % ist ein differenziertes Hochschulsystem. Es ist kein Einheitshochschulsystem, sondern ein System, das den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Einzelnen, aber auch den Angeboten auf dem Arbeitsmarkt entgegenkommt: von Universitäten über Fachhochschulen und

Berufsakademien zu den speziellen Hochschulen und den Pädagogischen Hochschulen.

Warum Hochschule? Was ist der Vorteil für die Studierenden und die Berufsakademien selbst? Die Studierenden werden akademische Studierende; sie werden Studenten im akademischen Sinne. Ihr Abschluss ist ein akademischer Abschluss. Sie sind den Studierenden der übrigen Hochschulen völlig gleichgestellt und haben damit wesentlich bessere Chancen, im gestuften Studiensystem ein Anschlussstudium an einer anderen Hochschule aufzunehmen.

Die Berufsakademie wird, wenn sie Hochschule ist, nicht mehr nachgeordnete Behörde des Wissenschaftsministeriums sein, sondern eine autonome Hochschule, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Damit wird sie Selbstständigkeit und Autonomie haben – Freiheit, die man für eine erfolgreiche Hochschule, für erfolgreiche Lehre und dann auch für die duale Forschung, die in diesem Gesetz angelegt ist, braucht.

Wir schreiben „Hochschule“ auf etwas, was qualitativ wirklich auch eine Hochschule ist. Es wird jetzt nicht einfach etwas etikettiert, obwohl das ein System ist, das außer BadenWürttemberg und Sachsen in der Bundesrepublik leider – oder vielleicht auch Gott sei Dank – kein anderes Land eingeführt hat.

Der Wissenschaftsrat hat die hochschuladäquate Qualität der Berufsakademien festgestellt, und wir haben über die Open University in Großbritannien ein Qualitätssicherungssystem, welches die Hochschulstandards an der Berufsakademie in der Lehre und in den Prüfungen sichert. Wir wollen diese Qualitätssicherung auch fortführen. Denn das Wichtigste ist, die Qualität dieser Einrichtung zu erhalten und zu steigern. Darin liegt auch das Vertrauen der vielen Tausenden von Betrieben, die die Ausbildungsplätze bereitstellen, und der vielen Tausenden von Studierenden, die pro Jahr das Studium an den Berufsakademien aufnehmen. Insofern besteht auch ein erfreulicher Konsens in diesem Haus, diesen Schritt zur Hochschule zu gehen.

Nun wollten wir keine Kleinstandorte schaffen, sondern haben bewusst ein State System geschaffen – Herr Bachmann hat darauf hingewiesen –, mit einer ausgewogenen Balance zwischen dem, was die Standorte zu verantworten haben, und dem, was die Zentrale zu steuern und vor allem zu koordinieren hat.

Es ist richtig: Die Initiative muss – nicht im hierarchischen Sinne, aber, wenn man so will, im geografischen Sinne – von unten kommen. Denn dort arbeitet man mit den Betrieben zusammen. Dort wählt man die Studierenden aus: Die Betriebe als Mitglieder der Hochschule wählen dort die Studierenden aus. Von dort werden auch die Initiativen zu neuen Studiengängen kommen. Die Kunst der Zentrale wird darin liegen, notwendige Initiativen, die sozusagen irgendwo von unten kommen, aufzugreifen und das Angebot über die acht Standorte so zu koordinieren, dass es zum Besten eines Gesamtangebots für das Land ist.

Die Hochschulwerdung bedeutet natürlich auch, dass die BA-Professorinnen und -Professoren zu Hochschulprofessorinnen und -professoren werden. Die Übergangsproblematik für die Studiengangsleiter ist gelöst. Die Frage der W-2- und

W-3-Besoldung ist nachrangig. Das ist eher eine Statusfrage als eine wirkliche Frage der Besoldung. Denn es kommt auf den Vergaberahmen an. Der Vergaberahmen definiert die verfügbaren Mittel, und diese werden in Schritten innerhalb von zehn Jahren auf das Niveau der Fachhochschulen angehoben.

Wir können das nicht gleich machen, denn wir haben auch andere hohe landespolitische Ziele wie die Nullneuverschuldung, und wir können nicht das eine Ziel durch Beschädigung des anderen Ziels zu erreichen versuchen. Aber in W 2 kann man natürlich durch Zulagen unter Umständen ein höheres Gehalt erreichen als in W 3. Natürlich kann man sich fragen, wozu es überhaupt W 2 und W 3 gibt. Diese Frage habe ich damals im Bundestag schon der Bundesministerin Bulmahn gestellt, und sie hat sie auch nicht beantworten können.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Hat Frau Schavan sie beantworten können?)

Ich habe Frau Schavan noch nicht gefragt.

(Heiterkeit – Abg. Katrin Altpeter SPD: Das wird sei- ne Gründe haben! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Aber die Ministerialbeamten sind wahrscheinlich diesel- ben!)

So weit die Regelungen zu der Berufsakademie/dualen Hochschule.

Wir haben in dem Gesetz weitere Regelungen geschaffen, nämlich Verbesserungen im Bereich der Studiengebühren. Damit greifen wir auch Anregungen des Monitoring-Beirats auf. Baden-Württemberg ist, glaube ich, das einzige Land, das die Folgen der Einführung der Studiengebühren durch eine unabhängige Kommission ständig beobachten lässt.

Eines ist jetzt die gesetzliche Festlegungen des Zinscaps. Frau Bauer, wir subventionieren keine L-Bank, sondern wenn eine Bank höhere Beschaffungskosten hat, als sie Zinsen nehmen kann, wir die Zinsen aber auf 5,5 % festlegen, macht diese Bank Minus. Wir wissen, glaube ich, aus der Bankenkrise, dass man Banken nicht zu lange Minus machen lassen sollte, sondern man sollte es ausgleichen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: An diesem Minus würden sie nicht zugrunde gehen! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das Volumen ist überschaubar!)

Ich muss gestehen, dass ich weder Banker noch Bankier bin, aber diese einfache Erkenntnis hatte ich früher schon.

(Heiterkeit)