Das heißt nicht, wir brauchten keine Geistes- und Sozialwissenschaftler. Aber wir haben einen solchen Ingenieurmangel, dass diese Tendenz jetzt völlig richtig ist.
Ich danke den Regierungsfraktionen, die mich mit ihren ausgezeichneten Abgeordneten so stark unterstützt haben,
die das Programm „Hochschule 2012“ nachhaltig mitgetragen haben. Ich wünsche mir weiterhin eine so gute Zusammenarbeit und wäre erfreut, wenn wir – wie gestern, als wir den Berufsakademien den Hochschulstatus verliehen haben – auch einmal gemeinsam für die Weiterentwicklung unseres Hochschulsystems einstehen könnten und sich auch einige Abstinenzler der gestrigen Abstimmung noch positiv entscheiden könnten.
Jetzt kommt die zweite Runde. Nachdem sich von der Fraktion der CDU bisher niemand gemeldet hat, erteile ich für die SPD-Fraktion Herrn Abg. Stober das Wort.
Herr Professor Frankenberg, wenn Sie schon Zahlen nennen, dann hätte ich mich durchaus gefreut, wenn Sie auch die richtigen Zahlen genannt hätten.
Mir liegen hier die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts vor. Sie zeigen für Baden-Württemberg einen Saldo der Wanderung in andere Bundesländer von minus 10 000 und für Rheinland-Pfalz einen Saldo von plus 10 000 auf. Da frage ich mich schon, auf welche Zahlen sich Ihre Aussagen hier gründen.
Es ist sicherlich richtig: Die „minus 10 000“, die für BadenWürttemberg aufgezeigt wurden, werden sich durch das Gesetz reduzieren, das wir gestern beschlossen haben. Wir haben diesem Gesetz auch zugestimmt, weil wir die Aufwertung der Berufsakademien zur dualen Hochschule als richtig erachtet haben. Dadurch, dass man die Berufsakademien in die Statistiken einbezieht, wird sich dieser negative Saldo natürlich reduzieren. Er wird sich nicht umkehren, aber er wird sich reduzieren.
Ich möchte für die SPD-Fraktion noch einmal ganz klar sagen, dass wir das Programm „Hochschule 2012“ bei allem Streit, den wir über Details führen, gut finden. Denn es ist wirklich notwendig,
dass in Baden-Württemberg mehr junge Menschen studieren, gerade in Studiengängen, die auch für unsere Wirtschaft von großer Bedeutung sind. Das tragen wir natürlich mit, auch wenn wir Kritikpunkte sehen. Insbesondere verlangen wir von Ihnen, diese zusätzlichen Studienplätze voll zu finanzieren und im Vollausbau auf insgesamt 16 000 Studienanfängerplätze 300 Millionen € statt nur 150 Millionen € dazuzugeben – plus der Mittel, die möglicherweise noch aus dem Hochschulpakt des Bundes kommen. Da kommen Mittel. Wie hoch sie sein werden, wissen wir im Augenblick noch nicht. Aber es darf nicht so sein, dass die Hochschulen letztlich noch eigene Gelder dazugeben müssen, damit dieser Ausbau möglich wird.
Bei diesem Programm wurde auch das Thema „Soziale Infrastruktur“ vergessen. Wenn wir mehr Studierende haben, brauchen wir auch mehr Wohnheimplätze, mehr Angebote in den Mensen, mehr Kinderbetreuungsplätze, und wir müssen natürlich auch die räumlichen Voraussetzungen dafür schaffen.
Herr Professor Frankenberg, wir sehen es als sehr kritisch an, dass Raumwünsche, Raumnöte – z. B. an der Fachhochschule Karlsruhe – oft negiert werden, abgewiesen werden mit dem Hinweis, das Ganze sei ja nur temporär im Hinblick auf den doppelten Abiturjahrgang 2012. Ich glaube, es geht da um mehr. Man hat an dieser Stelle einen entsprechenden Peak. Wir wollen, dass dieser Ausbau konsequent und dauerhaft ist und wirklich sicherstellt, dass wir an unseren Hochschulen in Baden-Württemberg in Zukunft dauerhaft – nicht nur im Jahr 2012 – mehr Studierende haben. Deswegen geht es uns darum: Diese 16 000 neuen Studienplätze – wir gehen bei der Forderung der Grünen nach 22 000 nicht mit – müssen dauerhaft sein und dürfen nicht durch die Hintertür schließlich wieder abgeschmolzen werden.
Ich hoffe, dass bei den Koalitionsfraktionen in der Diskussion etwas Nachdenklichkeit eingetreten ist, auch was den Umstand betrifft, dass man natürlich schon klar sehen muss: Was haben wir an Abiturienten, was haben wir an Hochschulzugangsberechtigten mehr in Baden-Württemberg? Wie entwickelt sich die Studierendenquote? Eine seriöse Debatte kann nur dann geführt werden, wenn wir diese beiden Zahlen zueinanderbringen.
Es freut mich, dass der Negativtrend wenigstens gestoppt wurde und wir mehr Studierende an den Hochschulen haben bei einer etwa gleichen Studienanfängerquote.
Ich kann Ihnen für die SPD-Fraktion sagen: Wir machen an den entsprechenden Punkten, wo es notwendig und richtig ist und wo entsprechend ausgebaut wird, mit. Wir werden die entsprechenden kritischen Fragen stellen. Wir werden natürlich immer wieder das Thema Studiengebühren ansprechen, denn die Zahlen hier sind ganz offensichtlich. Das Ganze schlägt einmal zu, und zwar dann, wenn die Gebühren eingeführt oder wieder abgeschafft werden – positiv im Augenblick in Hessen, negativ im letzten Jahr in Baden-Württemberg.
Wir haben jetzt die relativ komplexe und nicht einfach zu lesende Studie, die das Bundesbildungsministerium, Frau Schavan, letzten Endes doch herausgerückt hat, der zufolge 4 bis 5 % der Hochschulzugangsberechtigten wegen der Studiengebühren kein Studium aufnehmen oder es möglicherweise verspätet aufnehmen. Auch das sind durch die Studiengebühren verursachte Einschnitte in den jeweiligen Bildungsbio grafien. Deswegen kann ich Ihnen versprechen, dass wir auch weiterhin die Debatte über soziale Gerechtigkeit und über die Chancen für Bildung führen werden. Für Menschen mit weniger gut verdienenden Eltern sind diese Chancen natürlich viel schlechter – auch das zeigt diese Studie –, und Frauen sind massiver als Männer von den Studiengebühren betroffen. Dieser Debatte können Sie sich nicht entziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bekannt: Die Regierungsfraktionen machen den Job, hier die Erfolge herauszustellen, und wir machen den Job, auf die Defizite hinzuweisen. Das wird dann auch gern einmal diskreditiert.
Wir haben immer wieder den Eindruck, dass Sie nicht die Erfolge herausstellen, sondern nach Kräften gesundbeten, schönreden und vor lauter Schönreden gar nicht mehr die Probleme sehen können. Wir müssen gar nicht so viel in der Suppe stochern, um ein Haar zu finden. Die Probleme haben eher eine andere Dimension, sie haben eher den Charakter von dicken,
fetten Mücken, Schmeißfliegen. Daher müssen wir nicht lange rummachen bei der Suche nach den Schwächen der Landespolitik.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Oh! Sie sind ge- mein! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das ist doch wirklich abwegig! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Wa- rum hat Baden-Württemberg die Erfolge? Weil wir früh Leistung wollen! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ohne jedes Niveau!)
Ich möchte jetzt gern noch zwei Gedanken aussprechen. Der Wissenschaftsminister sagte, er folge nicht dem Credo, möglichst schnell möglichst viele Studierende an die Hochschulen zu holen. In der Tat, den Eindruck muss man haben. Darin liegt ja das Problem. Sie suggerieren ja, wir würden sozusagen Tür und Tor für Hinz und Kunz öffnen.
Trotzdem ist doch allseits bekannt: Wir haben ein Defizit an Hochschulabsolventen, auch in Baden-Württemberg.
Jetzt lassen Sie mich doch einfach einmal einen Satz am Stück sagen. Demnächst, wenn wir die Kurzintervention in der Geschäftsordnung haben, dann wird Ihr Dazwischenreden nicht mehr auf meine Redezeit angerechnet. Dann geht es besser. Jetzt machen Sie es auf meine Kosten.
(Zurufe von der CDU – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das ist ein Zwischenruf und keine Zwischen- frage! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist unglaublich!)
Wir haben doch das Problem, dass in den letzten Jahren bundesweit 50 000 zusätzliche Abiturienten mit der Schule fertig geworden sind,
aber nur 30 000 einen Platz an der Hochschule gefunden haben. Diese Lücke ist doch nicht damit zu erklären, dass wir nur Qualität, nur die Besten, hereinlassen.