Protokoll der Sitzung vom 12.02.2009

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage.)

Jetzt nicht. – Sie haben das angesprochen, das kann ich unterstreichen.

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Minister.

Wir müssen, wenn wir gut aus diesen Startlöchern herauskommen wollen, an der Qualifikation unserer Menschen arbeiten. Baden-Württemberg ist nun einmal ein Land, dessen Produkte nicht deshalb gekauft werden, weil sie billig sind, sondern weil sie gut sind und besser sind als andere. Wenn Sie wollen, dass dies so bleibt, dann müssen Sie die Qualifikation der Menschen verbessern.

Jetzt müssen Sie sich einmal vorstellen, dass nach aktuellen Studien Folgendes passieren kann: Bis zum Jahr 2020 werden in Baden-Württemberg 500 000 Arbeitskräfte weniger als heute zur Verfügung stehen. Das ist zum Teil auch durch die demografische Entwicklung bedingt. Das heißt, wenn wir darauf angewiesen sind, genügend ausgebildetes Personal zu haben, um z. B. die Technologiepolitik betreiben zu können, von der Sie zu Recht gesprochen haben, dann müssen wir im Grunde alle Qualifikationen, die es in Baden-Württemberg gibt, gewissermaßen regelrecht „zusammenkratzen“. Damit muss man jetzt auch beginnen.

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Ja, natürlich! Das ma- chen wir aber nicht!)

Deshalb darf in Zukunft kein Jugendlicher ohne eine adäquate Ausbildung ins Leben entlassen werden, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Gut gebrüllt! – Beifall des Abg. Dr. Rainer Prewo SPD)

Kein Jugendlicher darf ohne adäquate Ausbildung ins Leben entlassen werden.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage.)

Nein, jetzt nicht. – Deshalb müssen wir – –

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE meldet sich noch- mals zu einer Zwischenfrage.)

Nein! – Deshalb müssen wir aber auch mit dem Schluss machen, was ich als „Jugendwahn“ bezeichne. Wir haben über Jahre hinweg Milliarden Euro für nichts anderes ausgegeben, als 55-Jährige so schnell wie möglich in den Vorruhestand und auf das Sofa zu befördern. Das können wir uns aus diesem Grund in Zukunft nicht mehr erlauben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Unruhe)

Ein drittes Beispiel will ich noch nennen. Dass wir ohne Frauen keinen Staat machen können, haben wir alle in der Zwischenzeit gelernt.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Oh!)

Wir können aber in Zukunft auch keine Wirtschaft mehr ohne Frauen machen. Es hat in der Geschichte der Deutschen noch nie eine Situation gegeben, in der wir so viele gut ausgebildete Frauen hatten. Deshalb muss über die Schiene „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ erreicht werden, dass – Sie verzeihen diesen technokratischen Ausdruck – dieses Potenzial an gut ausgebildeten Frauen weiterhin für den Arbeitsmarkt gewonnen wird.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Übrigens: Wir haben – weil das vorher gesagt worden ist – bei den Kontaktstellen „Frau und Beruf“ – –

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe im Saal bitten. Bitte verlegen Sie die Unterhaltungen nach außerhalb des Plenarsaals.

Wir haben bei den Kontaktstellen „Frau und Beruf“

(Abg. Reinhold Gall SPD: Darüber wird doch disku- tiert!)

in der Zwischenzeit eine flächendeckende Situation. Der bisher letzte weiße Fleck – in Ulm – ist jetzt auch mit einer Kontaktstelle versehen. Wir haben z. B. bei der Kinderbetreuung das Prinzip hinbekommen, dass das Geld jetzt dem Kinde folgt. Das heißt, ein Unternehmen, das beispielsweise Betreuungsplätze zur Verfügung stellt, wird jetzt genauso behandelt wie ein konfessionell oder staatlich getragener Kindergarten.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nächste Woche hier im Landtag!)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Interesse der Frauen, deren Qualifikatio nen wir brauchen, ist ein zweites Thema.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Und der Män- ner!)

Ich will noch einen vierten Punkt nennen. Ich bin froh darüber, dass es – jedenfalls bis jetzt – gelungen ist, massenhafte Entlassungen in Baden-Württemberg zu vermeiden, und es – bei aller Vorsicht – so aussieht, als könnten wir gerade durch die Verlängerung der Kurzarbeit auf 18 Monate mit diesem Ins trument Kurzarbeit auch eine ganze Menge abfedern.

Wenn wir jetzt noch, auch im Interesse von Qualifikation, die Menschen, die kurzarbeiten und 20, 30 oder 40 % mehr Zeit haben, dazu bringen, diese freie Zeit auch für berufliche Fortbildung zu nutzen,

(Zuruf von der SPD: So ist es auch geplant!)

und wenn sich alle Träger – die Bundesagentur für Arbeit, das Wirtschaftsministerium, die Arbeitgeber, die Gewerkschaften – an dieser konzertierten Aktion beteiligen würden – ich habe heute Morgen Gespräche geführt; der Herr Ministerpräsident hat es bereits angekündigt –, dann hätten wir den großen Vorteil, dass wir im Interesse der Menschen etwas für deren Qualifikation tun. Aber diese verbesserte Qualifikation der Menschen im Land Baden-Württemberg ist natürlich die allerbeste Voraussetzung, um gut aus dieser Krise herauszukommen und nach der Krise in eine wieder bessere Zukunft zu starten.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das steht ja im Bundesprogramm drin!)

Infrastruktur schaffen ist ein Punkt, mit dem man versuchen kann, diese krisenhafte Situation zu bewältigen. Dieser Haushalt, den wir hier vorlegen, ist neben dem Sparwillen – dazu habe ich einiges gesagt – schon von der deutlichen Investition in die Infrastruktur geprägt.

Das Thema Städtebau ist schon genannt worden. Wenn am nächsten Mittwoch nach der dritten Lesung alles unter Dach

und Fach ist, werden wir z. B. im Städtebaubereich über 250 Millionen € zur Verfügung haben. Kollege Rülke hat das zu Recht angesprochen. Mit Faktor 8 haben Sie schon ein ganz ordentliches Investitionsprogramm, das helfen kann.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Herr Kollege Schmiedel, ich weiß, dass Ihnen das wie auch mir ein Anliegen ist.

Ich nenne zweitens das Thema Wohnungsbau. Wir hatten im letzten Jahr dafür ein Volumen von 75 Millionen € zur Verfügung. Wir haben in diesem Jahr ein Volumen von 110 Millionen € zur Verfügung. Das ist, allein schon von der Zahl her, das beste Ergebnis seit 1999. Sie sehen, auch hier gibt es eindeutig Fortschritte.

Wir haben für den Denkmalschutz – darauf ist schon hingewiesen worden – 7,5 Millionen €. Meine Damen und Herren, dies alles kann dazu führen, dass von dieser Infrastrukturförderung entsprechende Impulse ausgehen.

Die Mittel für die Tourismusförderung wurden deutlich aufgestockt. Sie haben das aus den Zahlen erkennen können. Wer von Ihnen weiß schon, dass der Beitrag des Tourismus – wenn ich die Bäderwirtschaft und die Gastronomie dazunehme – zum Bruttoinlandsprodukt fast so hoch ist wie der Beitrag der gesamten Automobilbranche in Baden-Württemberg?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das schafft Arbeitsplät- ze!)

Ja natürlich, und vor allem Arbeitsplätze, die nicht exportiert werden können. Insofern ist das sicherlich ein wichtiger Punkt. Sie alle kennen die Programme, die es gibt: Genießerland Baden-Württemberg, sanfter Tourismus. Mit dem Ankurbeln der Binnenkonjunktur werden wir einiges an Kompensation für wegfallende Arbeitsplätze und für wegfallende Bereiche, etwa im Export, erreichen können.

Bleibt der aus meiner Sicht wichtigste Punkt. Das ist in der Tat die Frage des Kreditflusses an unsere mittelständischen Unternehmen. Kredite sind das wichtigste Schmiermittel in der Wirtschaft, das wir brauchen, um unsere mittelständischen Unternehmen zu versorgen.

Ich glaube nicht, dass es in Baden-Württemberg eine Kreditklemme gibt. Wir müssen auch alles tun, damit eine solche vermieden wird. Aber wahr ist natürlich, dass man inzwischen genauer hinschaut, dass die Bonitäten der Unternehmen und die Risiken angeschaut werden. Das kann dazu führen und hat wohl auch schon dazu geführt, dass sich die Konditionen ein Stück weit verschlechtern.

Dem müssen wir entgegenwirken. Diesbezüglich bin ich mit Ihnen völlig einig. Wir müssen insofern entgegenwirken, indem wir mit einer offensiven Bürgschaftspolitik den Sparkassen und den Volksbanken – beide sind ja die wichtigsten Mittelstandsfinanzierer, beide machen 80 % des Mittelstandsfinanzierungsgeschäfts – helfen, damit es zu günstigen Konditionen kommt und auf diese Art und Weise dieses Schmiermittel Kredite auch tatsächlich wieder zur Verfügung gestellt wird. Das ist wirklich die wichtigste Aufgabe.

Wir müssen übrigens – wenn Sie mir noch diese kurze Bemerkung erlauben – irgendwann auch die Spielregeln in der gan

zen Bankenlandschaft neu diskutieren; denn da ist vieles schiefgelaufen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist richtig!)

Wir müssen diese Spielregeln neu definieren, gar keine Frage.

Dazu gehört übrigens auch das Thema der Bankenaufsicht. Mein Eindruck ist, dass bei der Bankenaufsicht zum Teil mit zweierlei Maß gemessen wird. Mein Eindruck ist, dass bei den Großen nicht so genau hingeschaut wird und dass man bei den Kleinen, bei den Sparkassen, bei den Volksbanken, besonders genau hinschaut. Ich nenne immer folgendes Beispiel: Wenn mich der scheidende Präsident Kuhn, Chef des Württembergischen Genossenschaftsverbands, darauf hinweist und auch öffentlich erklärt, dass er 25 % seines Volksbankenpersonals in Württemberg – das muss man sich einmal vor Augen halten – für nichts anderes verwenden kann, als Auflagen etwa der BaFin oder auch gesetzliche Auflagen zu erfüllen, dann habe ich schon den Eindruck, dass wir alles dafür tun müssen, um zu erreichen, dass diese Bankenaufsicht zwar stattfindet, dass wir damit aber nicht die Volksbanken, die Mittelstandsfinanzierer und die Sparkassen gängeln. Wir müssen alles dafür tun, dass sie ihr Geschäft, für das sie da sind, nämlich dem Mittelstand günstige Kredite zu verschaffen, auch ausüben können, meine Damen und Herren.